Zu viel Atomstrom?
Copyright © St.Galler Tagblatt (20.10.2006) von Thomas Walliser Keel

Der Strommix aus der Steckdose – 84 Prozent Atomstrom sind manchen zu viel

Dieses Jahr müssen die lokalen Stromversorger erstmals deklarieren, woher ihr Strom stammt. Wer von der Axpo beliefert wird, bekommt 84 Prozent Kernenergie. Bei der SN Energie sind es «nur» ungefähr70 Prozent.

Steckdose

Manch einer, der in den vergangenen Wochen erstmals detailliert erfahren hat, aus welchen Quellen sein Strom stammt, runzelte die Stirn: Um die 84 Prozent stammen aus Atomkraft, zu vier Zehnteln sogar aus ausländischen Kernkraftwerken. Demgegenüber stehen lediglich 16 Prozent Strom aus Wasserkraft. Und das in der Schweiz, wo rund 60 Prozent des Stroms mit Wasserkraft erzeugt wird.

Anderswo mehr Wasserkraft

Das liegt daran, dass einige wasserreiche Kantone wie Bern, Wallis, Tessin, Graubünden und Basel ihren Bedarf überwiegend mit Wasserkraft decken können. «Wer wie das Elektrizitätswerk Thurgau von der Axpo beliefert wird, erhält 84 Prozent Atomstrom», erklärt Peter Hof, zuständig für den Vertrieb beim EKT.

Diesen Strommix können die lokalen Stromverteiler meist nur leicht beeinflussen, zum Beispiel indem sie Strom aus eigenen Solaranlagen einspeisen. Oder sie können Stromzertifikate für erneuerbare Energien kaufen. Das ändert zwar nichts am Strommix, der aus der Steckdose stammt, aber der Mehrpreis für die erneuerbare Energie fliesst dann immerhin an den Produzenten. Die Axpo beliefert die halbe Deutschschweiz, neben dem EKT auch die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke.

Einige Ostschweizer Gemeinden haben sich allerdings der SN Energie mit Sitz im glarnerischen Schwanden angeschlossen: St. Gallen, Rapperswil, Rorschach, Arbon, Wald ZH sowie Romanshorn, das allerdings bis 2007 noch Axpo-Strom bezieht.

Diese Orte erhalten von der SN Energie einen leicht «grüneren» Strommix mit 52,5 Prozent Atomstrom sowie 18 Prozent «nicht überprüfbaren Energieträgern» – tendenziell ebenfalls Atomstrom. Die genaue Aufschlüsselung wird im November versandt, wie Peter Graf, Leiter Marketing und Vertrieb bei den Sankt Galler Stadtwerken, erklärt. Wäre nicht ein höherer Anteil erneuerbare Energie möglich? Graf sagt: «Als Aktionär können wir den Strommix der SN Energie beeinflussen, allerdings nur beschränkt, wegen der Verfügbarkeit und wegen der Kosten.»

Dazu kommt, dass der Anteil der Kunden, die einen Mehrpreis für erneuerbare Energie zahlen, zwar steigt, aber immer noch sehr gering ist. In St. Gallen beziehen lediglich vier Prozent aller Haushalte Strom aus Wasserkraft und nur 1,5 Prozent aus Solaranlagen. Im Thurgau sieht es noch schlechter aus: Dort bezogen gemäss einer Umfrage Anfang des Jahres weniger als 0,5 Prozent der Kunden Ökostrom. Wer also über den hohen Atomstrom-Anteil die Nase rümpft, sollte sicherstellen, dass er seinen Teil zu dessen Reduktion beiträgt.