„An Atomkraft führt kein Weg vorbei“
Quelle: 01.11.2007 | 17:49 | BEATE LAMMER (Die Presse)

Unternehmens-Lobbyist Björn Stigson kritisiert Unsicherheit bei Umweltstandards.

In fünf Jahren läuft das Kyoto-Protokoll aus. Das Abkommen sollte die Staaten verpflichten, den Ausstoß von Treibhausgasen, etwa CO2, zu reduzieren. Österreich dürfte sein ambitioniertes Ziel einer Senkung von 18 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 klar verfehlen. Das größere Problem: Schwellenländer wie China müssen ihre Emissionen nicht reduzieren, und die USA haben den Vertrag gar nicht erst unterschrieben. Das führt auch zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen Staaten mit ambitionierten Zielen und solchen ohne.

Dass es zu einem ähnlichen Nachfolgeprotokoll kommt, bezweifeln viele. Einer davon ist Björn Stigson, Präsident der Unternehmensplattform „WBCSD“ (World Business Council for Sustainable Development), der kürzlich in Wien bei der österreichischen Organisation ABCSD (Austrian Business Council for Sustainable Development) zu Gast war. Die beiden Organisationen wollen das Umwelt-Engagement ihrer Mitglieder fördern. „Eine Nachfolgeregelung zum Kyoto-Protokoll, die indirekt dazu führt, das Wirtschaftswachstum einzudämmen, wird sich nicht durchsetzen“, sagte Stigson im Gespräch mit der „Presse“. „Wir müssen gerade auf dem Wirtschaftswachstum aufbauen, wenn wir uns den Herausforderungen des Klimawandels stellen wollen.“

Energieeffizienz steigt langsam

Dem WBCSD gehören 200 internationale große Konzerne an – von General Electric bis Procter& Gamble, von der Deutschen Bank bis Borealis, von der Gazprom bis zu Oleg Deripaskas Basic Element. Für die Unternehmen dränge die Zeit, meint Stigson. Wenn man bis 2050 die Schadstoffemissionen um 30 Prozent reduzieren wolle, brauche man jetzt schon neue Technologien und müsse verbindliche Umweltstandards für Autos, Gebäude, Kraftwerke etc. festlegen. Denn Kraftwerke hätten eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten, stellt Stigson fest.

Die Unternehmen bräuchten schleunigst Klarheit, wie die Umweltstandards in Zukunft aussehen, wie viel Benzin Autos verbrauchen dürfen oder wie energieeffizient Gebäude sein müssen. „Wenn die Staaten keine Standards festlegen, riskieren sie, dass die Firmen nur zögerlich in neue Technologien investieren, weil sie nicht wissen, woran sie sind.“ In den vergangenen Jahren sei hinsichtlich Energieeffizienz wenig geschehen, meint der Experte. Zwischen 1970 und 1990, den Jahren nach der Ölkrise, habe man die Energieeffizienz pro Jahr um zwei Prozent vorangebracht. Dann habe sich ein Sicherheitsdenken eingestellt: Zwischen 1990 und 2007 sei die Effizienz nur noch um ein Prozent pro Jahr gestiegen.

„Wachstum hilft Chinas Umwelt“

Jetzt seien die Herausforderungen zahlreich: Man brauche ein langfristiges Ziel, auf das sich Staaten wie Unternehmen einigen. Alternativenergien wie Wasserkraft müssten stärker forciert werden. „Wir brauchen auch mehr Atomkraft, da führt kein Weg vorbei“, sagt Stigson. Nicht in allen Ländern gebe es dagegen so großen Widerstand wie in Österreich, das übrigens auch Atomstrom beziehe, nur aus dem Ausland, stellt Stigson fest. Laut Umweltorganisationen liegt der Atomstrom-Anteil in Österreich bei 20 Prozent.

Aufgabe der Staaten sei es, erneuerbare Energie zu subventionieren und gegebenenfalls die Risiken zu übernehmen, meint der Finanzfachmann. Er ist auch als Berater der chinesischen Regierung in Umweltfragen tätig. Chinas Regierung hat ein ambitioniertes Ziel: In fünf Jahren soll die Energieeffizienz um zwanzig Prozent wachsen. „Das starke Wirtschaftswachstum ist Chinas Vorteil“, sagt Stigson. Es führe zu rascheren Veränderungen in der Infrastruktur, umweltfreundliche Technologien könnten so schneller eingeführt werden.

„Kein PR-Gag“

Dass die großen Konzerne nur aus PR-Gründen auf den Öko-Zug aufspringen, weist Stigson zurück: Erstens stellten sich die Unternehmen auf strengere Standards ein, um wirtschaftlich überleben zu können. Zweitens steige die Nachfrage nach Hybridautos und energieeffizienten Fernsehgeräten auch seitens der Kunden. Drittens würden Umweltsünder unter den Unternehmen junge, bestausgebildete Mitarbeiter nicht bekommen: „Die wollen das Richtige tun und wollen nicht zu einem Unternehmen gehen, das nicht verantwortungsvoll handelt.“

Vor allem große Unternehmen stünden unter starker Beobachtung von Banken, Medien und Kunden. Und kleinere würden von den großen unter Druck gesetzt: „Wer nicht verantwortlich handelt, riskiert, aus der Zulieferkette zu fliegen.“ Nicht zuletzt übten auch die Regierungen als Großkunden Druck auf die Unternehmen aus.