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Elektroauto Tango - Die Schmalspur-Rakete
Quelle:Spiegel online: Aus Detroit berichtet Tom Grünweg; (15.01.2010)

Das Auto braucht weniger Platz als ein Mini und ist schneller als ein Ford Mustang. Und obwohl der Flitzer aussieht wie ein Designunfall, ist der Wagen der heimliche Star der Detroit Auto Show.

Im Tiefgeschoss der Detroit Auto Show, wo in den letzten Jahren riesige Pick-ups ausgestellt waren, surrt jetzt die automobile Zukunft über die sogenannte Electric Avenue. Auf einer Teststrecke zwischen Topfpflanzen und Zimmerbrunnen stehen hier die saubersten Autos der Messe zur Probefahrt bereit und zuckeln in einer Art Dauerstau vorüber.

Der Star auf der Strecke ist das Modell Tango der Firma Commuter Cars aus Washington. Der Wagen von der Größe eines halbierten Smart, mit zwei hintereinender angeordneten Sitzen wie früher im Messerschmitt Kabinenroller, sieht ungeheuer schräg aus. Er lockt zugleich mit imposanten Fahrleistungen: Die beiden Elektromotoren an der Hinterachse kommen auf mindestens 800 und kurzfristig sogar mehr als 2000 PS, prahlt Firmenchef Rick Woodbury und schwärmt von 1400 Nm Drehmoment, mit denen unvorsichtige Novizen dicke, schwarze Striche auf den Hallenboden malen könnten. Wenn es sein soll, schnellt der Tango in weniger als vier Sekunden auf Tempo 100 und schafft locker mehr als 200 km/h, versprechen die Entwickler.

Auf der Testrunde im Keller der Messehalle lässt sich zwar nicht wirklich ausprobieren, wie sich das in einem so kleinen Auto anfühlt. Doch wenn man sich auf der Electric Avenue ein kleines Stück zurückfallen lässt und dann kräftig aufs Fahrpedal tritt, kann man das enorme Spurtvermögen des Zweisitzers zumindest erahnen.

"Der Tango ist mit Abstand das schnellste Auto auf der Messe", tönt Erfinder Woodbury und schließt die großen Supersportwagen eine Etage höher explizit mit ein. Auf dem Dragstrip, also beim traditionellen Viertelmeile-Rennen, habe selbst der Bugatti Veyron keine Chance gegen den Tango, behauptet Woodbury stolz. Und auch das höhere Spitzentempo als die etwa 220 km/h Höchstgeschwindigkeit des Tango brächte klassische Sportwagen nicht früher ans Ziel, beharrt der Entwickler. Denn die würden von Staus ausgebremst, während der Tango einfach durch die Lücken zische.

Neue Flächennutzung: Zwei Autos nebeneinander auf einer Fahrspur

Neben dem Elektroantrieb sei das Schmalspurformat das wichtigste Argument des Tango, sagt Woodbury. "Wenn wir nicht aufpassen, ersticken wir vollends im Stau", lautet sein Credo. Mit dem Tango dagegen ließe sich die Kapazität der Straßen glatt verdoppeln, ohne dass es einen Meter neuen Asphalts bräuchte. Und obwohl der Stromer auf die Nation der Pick-up-Fahrer und -Fans wirken muss wie ein Einkaufswagen mit Hilfsmotor, hält ihn der Erfinder für absolut alltagstauglich: Mit Lithium-Ionen-Akkus bestückt, schafft er immerhin bis zu 250 Kilometer Reichweite. Und für längere Fahrten haben die Entwickler einen Anhänger mit Generator im Programm.

Nicht nur weil er so leise und so schnell ist, muss man sich an den Tango erst gewöhnen. Auch die Sitzposition ist eigenwillig und allenfalls Menschen wie Michael Schuhmacher vertraut. Wo sonst schließlich fährt man - festgeschnallt in stark konturierten Schalensitzen - wie in einem Monoposto? Dennoch bietet das Scheibenauto überraschend viel Platz. "Der Tango ist ein paar Zentimeter schmaler als das Motorrad Honda Goldwing, bietet aber mehr Kopf- und Schulterfreiheit als ein Mittelklasseauto", sagt Woodbury.

Die schlanke und aufrechte Form lässt einen Tango-Neuling mit großem Respekt in Kurven fahren. Doch die Angst vor dem Umkippen sei unbegründet, beruhigt Woodbury. Der Grund: Das fast eine Tonne schwere Antriebspaket im Wagenboden stabilisiere den Tango, wie der Kiel eine Segelyacht aufrechthält. "Deshalb hat das Auto eine Straßenlage wie ein Sportwagen und ist schwerer aus der Bahn zu werfen als ein Porsche 911."

George Clooney fährt auch schon einen Tango

Natürlich weiß Woodbury, dass mit dem Tango vorerst kein Massengeschäft zu machen ist. Eine Produktionszeit von einem Monat und ein Preis von etwa 150.000 Dollar machen den Wagen zu einem exklusiven Vergnügen. Zu den Kunden, die mit dem ersten Dutzend Autos bereits unterwegs sind, gehören deshalb vor allem Vordenker aus dem Silicon Valley und Hollywood-Stars wie George Clooney. Das hat der Tango mit dem Tesla gemeinsam. Und auch die Warteliste sei ähnlich lang, lässt Woodbury durchblicken. Bis zum Sommer zumindest ist die Produktion ausverkauft.

"Mit einem Investor, der uns 50 Millionen Dollar bereitstellt, ließe sich die Produktion auf 5000 Autos in zwei Jahren steigern und der Preis auf 44.000 Dollar drücken", rechnet Woodbury vor. "Und bei einem Investment von 150 Millionen Dollar kämen wir pro Jahr auf 15.000 Autos, die nur noch 29.000 Dollar kosten würden. " Dass so ein Geschäftsmodell funktionieren kann, hat Tesla Motors vorgemacht. Das Start-up-Unternehmen zählt inzwischen sogar Daimler zu seinen Teilhabern.

Wenn man genau hinschaue, sei der Tango gar nicht so teuer, korrigiert Firmenchef Woodbury den ersten Eindruck. "Immerhin gibt es für die 150.000 Dollar das schnellste Auto der Autoshow." So gesehen ist der Tango fast ein Schnäppchen.