Klimawandel

In heißen Weltgegenden - hier in Brasilien - verschärft sich durch den Klimawandel der Wassermangel. Mit weitreichenden Folgen für die Weltwirtschaft. | (c) EPA

Dürre

Der Klimawandel könnte eine Wirtschaftskrise bringen

VON MARTIN KUGLER (Die Presse) 31.10.2006

Die globale Erwärmung bedroht laut einer britischen Regierungsstudie ein Fünftel der weltweiten Einkommen. Investitionen in den Klimaschutz ersparen eine Mehrfaches an den Folgekosten.

Die schlechte Nachricht zuerst: Der globale Klimawandel geht schneller voran als gedacht, und er verursacht viel höhere Kosten als bisher befürchtet. "Die weltweite Erwärmung könnte zu wirtschaftlichen und sozialen Unruhen führen, die ähnlich schlimm sind wie die Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren oder die Weltkriege." Zu diesem Schluss kommt eine gestern, Montag, präsentierte Studie, die Nicholas Stern, bis 2003 Chef-Volkswirt der Weltbank, im Auftrag der britischen Regierung erstellt hat.

Stern hat aber auch eine gute Nachricht: Investitionen in die Vermeidung des Klimawandels bzw. in die Anpassung seien "äußerst produktiv".
Konkret: Durch Investitionen in den Klimaschutz lassen sich Folgekosten in mehrfacher Höhe einsparen.

In Zahlen: Allein die direkten Folgen - in Form von Wetter-Katastrophen wie Hurrikan, vermehrten Überschwemmungen und Dürren - könnten zum Jahrhundertende Schäden von fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (BIP) verursachen. Bezieht man auch indirekte Folgen - etwa die Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria - mit ein, dann steigen die Folgekosten auf elf Prozent des globalen BIP. Weitere Effekte wie die Selbstverstärkung des Klimawandels als Folge der Änderungen in der Natur kosten weitere drei Prozentpunkte.
Da die bevölkerungsreichen Entwicklungsländer stärker betroffen sind als Industriestaaten, ist der Preis, den die Weltbevölkerung für den Klimawandel zahlt, noch höher. Stern hat berechnet, dass ein Fünftel des weltweiten Konsums bedroht ist.
Dem stehen vergleichsweise niedrige Kosten für den Klimaschutz gegenüber: Um den CO2-Ausstoß nicht weiter zu steigern, sind jährliche Aufwendungen von einem Prozent des BIP notwendig.

Fazit: Je nach Berechnungsgrundlage kann die Investition eines Cent in Klimaschutz fünf bis 20 Cent an Folgekosten ersparen.
"Der Klimawandel ist der größte und weitestreichende Marktversagen aller Zeiten", sagt Stern. Der Grund: Der Ausstoß der Treibhausgase ist für weite Teile der menschlichen Aktivitäten gratis. Die Luftverschmutzung hat keinen Preis, deshalb können Marktkräfte nicht wirken, die schädlichen Folgen dämpfen könnten.

Folglich ist Sterns wichtigste Forderung, den Emissionen einen Preis zu geben - sei es durch Besteuerung, Regulierung oder durch CO2-Handelssysteme. Letztere gibt es seit dem Vorjahr für Industrie und Energiewirtschaft in Europa. Zudem müssten die Entwicklung neuer Energietechnologien beschleunigt und Barrieren für Verhaltensänderungen der Menschen abgebaut werden.

Was besonders beunruhigend ist: Die Studie ist keineswegs der Ausfluss einer Weltuntergangs-Rhetorik, wie sie von vielen Umweltschützern zelebriert wird. Im Gegenteil: Stern kann man keine derartige Schlagseite vorwerfen. Und er bekommt Unterstützung von anderen unverdächtigen Persönlichkeiten. Etwa vom Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Claude Mandil, der in einer ersten Reaktion mit den Schlussfolgerungen Sterns d'acord geht.

Der britische Premier Tony Blair sowie sein designierter Nachfolger, Gordon Brown, forderten am Montag rascheres Handeln gegen die drohende Klimakatastrophe. "Der Bericht hat das letzte Argument für Nichts-Tun gegen den Klimawandel beiseite gefegt," so Blair. EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso bekräftigte das Ziel, in der künftigen EU-Energiepolitik den Wandel Europas zu einer Kohlenstoff-ärmeren Wirtschaftsweise zu beschleunigen.