Der EU-Plan zum Klimaschutz erregt die Gemüter
03.03.2007

Industrie fordert: "Pkw-Maut einführen und Häuser dämmen statt Betriebe vertreiben."

"Der Fehler, den Österreich 1997 in Kyoto gemacht hat, darf nicht wiederholt werden", sagte der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, in einer Pressekonferenz. Ein Fehler sei damals gewesen, dass sich Österreich auf eine Reduktion der CO2-Emissionen um 13 Prozent verpflichtet habe. Trotz gewaltiger Anstrengungen der hauptbetroffenen Industrie liege Österreich bei den Emissionen derzeit um 31 Prozent über dem Zielwert, der als Basis das Jahr 1990 hat.
Unter der neuen Zielvorgabe der EU, die bis 2020 in Summe ein Reduktionsziel von 20 Prozent zum Basisjahr 1990 vorsieht, würde das "Umwelt-Vorzeigeland" Österreich noch weiter in Rückstand geraten. "Wir müssten dann die Emissionen in Summe um 43 Prozent senken, das ist illusionär", sagte Sorger.

Entweder zusperren oder woanders investieren"

"Globale Probleme kann man nur global in den Griff bekommen", argumentierte Wolfgang Eder, Chef von Österreichs größtem CO2-Emittenten unter den Industriebetrieben, der Voest. Der neueste Hochofen in Linz komme mit 447 kg an CO2-hältigem Brennmaterial (Kohle und Koks) je Tonne Roheisen aus. Konkurrenten an anderen Standorten in Europa brauchten rund 550 kg, Hochöfen in Asien noch viel mehr. Eder: "Die effizientesten Chinesen und Inder fangen dort an, wo Europa aufhört."

Ein Stahlproduzent wie die Voest, die Mitte der Achtzigerjahre mit Umweltinvestitionen begonnen und die Emissionen deutlich reduziert habe, stehe vor der Wahl: entweder zusperren oder neue Investitionen anderswo tätigen, wo es weniger restriktive Auflagen gibt, sagte Eder.

Für den Vorsitzenden des umweltpolitischen Ausschusses in der Industriellenvereinigung, Ex-RHI-Chef Helmut Draxler, geht es nun darum, auf internationaler Ebene eine "gerechtere Lösung" zu finden. Das könnte eine kohlenstoffbezogene Steuer sein, die aber alle Emittenten zahlen sollen.

(Quelle : Der Standard)


Am kommenden Donnerstag werden beim EU-Gipfel in Brüssel energie- und umweltrelevante Vorgaben für den Klimaschutz zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls festgeschrieben.
Die Vorgaben, die die europäischen Umweltminister dazu in dieser Woche beschlossen haben, sorgen freilich für ausgesprochen hitziges Treibhausklima zwischen der Industriellenvereinigung und dem "Lebensministerium" von Josef Pröll: "Österreich prescht schon wieder einmal besonders weit vor", donnerte der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, am Freitag.
Und: "Da wird Illusionen nachgehangen, die in großem Stil Beschäftigung vernichten."

Was die Industriellen besonders erregt:

Nach dem verschärften EU-Entwurf müsste Österreich seine CO2-Emissionen bis 2020 um 43 Prozent verringern. Deutschland hätte dagegen nur 16 Prozent Verringerungsbedarf.

"Dieses Ziel ist nicht zu schaffen", sagt Sorger. Und bringt ein drastisches Beispiel: "Zur Reduktion um 43 Prozent müssten wir drei autofreie Tage pro Woche einführen oder die Temperatur in allen Räumen um fünf Prozent absenken. Das Ziel kostet uns zumindest 100.000 Arbeitsplätze."

Und zwar mit einem negativen Umwelteffekt. Denn Produktion, die aus Österreich abwandert, geht in Länder, denen die Kyoto-ziele egal sind. Etwa nach China.

Zusperren oder abwandern
Der Ex-Chef des Feuerfest-Konzerns RHI, Helmut Draxler, hat dazu Zahlen:
770.000 Tonnen Jahres-Magnesitproduktion verursachen in Österreich 571.198 Tonnen CO2. In den chinesischen Produktionsstätten des Konzerns wären es "energiesystembedingt" 836.453 Tonnen.
Mit anderen Worten: Würde die Magnesitproduktion aus Umweltgründen aus Österreich vertrieben, würde sich die globale CO2-Bilanz um gut 250.000 Tonnen verschlechtern. Schon jetzt werde überwiegend außerhalb Österreichs erweitert.

Der Zertifikatehandel macht auch Voestalpine-Chef Wolfgang Eder zu schaffen:

Weil das Modell nicht global funktioniere, sei es untauglich und unfair.
Eder: "Am Ende des Tages bleibt uns nur Zusperren.
Dabei habe die österreichische Industrie ihre Umwelt-Hausaufgaben ohnehin gut erledigt:
Seit 1990 sei die Industrieproduktion um 39,5 Prozent gestiegen, der CO2-Ausstoß der Industrie aber nur um 11,2 Prozent. Was auf eine Entkoppelung hindeute. Und: Österreich werde in Sachen Energieeffizienz nur von Dänemark übertroffen.

Statt illusorischer Klimaschutzziele, die Produktion vertreiben, solle sich die EU innovative Lösungsansätze dort überlegen, wo wirklich noch viel zu holen ist. Etwa in der thermischen Gebäudesanierung oder durch die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut.

Der geplante, 500 Mio. Euro "schwere" österreichische Klimafonds sollte jedenfalls ausschließlich für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Energieeffizienz eingesetzt werden. Auf diesen Fonds haben nämlich schon einige Lobby-Gruppen ihr Auge geworfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2007)