1.3.2008
Ökostromausbau auf dem Abstellgleis

In Österreich fehlt der energiepolitische Rahmen für Ökostromausbau

Strom: Wasserkraft wird ausgebaut
Quelle: Die Presse vom 5.5.2008

Die Kapazität der Wasserkraft soll um ein Drittel gesteigert werden. E-Wirtschaft und Wirtschaftsminister Bartenstein verraten aber keine Standorte – aus Angst vor Protesten

„Österreich produziert seinen Strom durch Wasserkraft.“ Das ist hierzulande die gängige Meinung. Allerdings stimmt diese Meinung in jüngster Zeit immer weniger mit der Realität überein. Denn der Stromverbrauch steigt seit Jahren an, die Stromproduktion aus Wasserkraft stagniert. Immer mehr Strom stammt daher aus CO2-emittierenden kalorischen Kraftwerken oder muss importiert werden. Der Importstrom wiederum kommt zu einem guten Teil aus Atomkraftwerken. Dies wollen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und die Elektrizitätswirtschaft ändern. Sie präsentierten am Montag eine Studie über das noch nicht erschlossene Wasserkraft-Potenzial und kündigten einen forcierten Ausbau an.

Anfang der 90er-Jahre stammten – mit jährlichen Schwankungen aufgrund der unterschiedlichen Wassermenge – noch rund 70Prozent des in Österreich verbrauchten Stroms aus den heimischen Wasserkraftwerken. Inzwischen ist der Wasserkraftanteil auf 58 Prozent gefallen. Im Gegenzug wurde Österreich im Jahr 2001 Netto-Stromimporteur. Etwa zehn Prozent der hierzulande verbrauchten Elektrizität stammt derzeit aus ausländischen Kraftwerken. „Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden wir im Jahr 2020 rund 30 Prozent unseres Stroms importieren“, sagt Leo Windtner, Präsident des Verbandes der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ) und Chef der oberösterreichischen Energie AG. Dies soll mit dem Ausbau der noch ungenützten Wasserkraft-Potenziale verhindert werden.

Österreichs Wasserkraft muß mehrheitlich in öffentlicher Hand bleiben

Der volkswirtschaftliche Aspekt in Sachen Stromerzeugung ist eindeutig über alle betriebswirtschaftlichen Überlegungen und Managerstrategien zu stellen. Und der belege eindeutig, dass in Zeiten knapper werdender Energie die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Wirtschaft mit heimischem Strom aus Wasserkraft Vorrang haben müsse. Dies bedeute somit zwingend, dass 51 % der österreichischen Wasserkraft in öffentlicher Hand bleiben müssten. Denn nur so sei sicher, dass die günstigen Herstellungskosten für Strom aus österreichischer Wasserkraft auch den Österreicherinnen und Österreicher zu Gute kommen können. Ein über 50 % hinausgehender Verkauf der Anteile wäre ein Ausverkauf über die Hintertür und würde sofort zu einer Angleichung an die galoppierenden Öl- und Gaspreise im Interesse der Aktionäre führen. Eine Strompreisexplosion wäre jedoch pures Gift für alle Konsumenten und für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Ein weiteres Problem eines Aufgebens des staatlichen Mehrheitseigentums am Verbund sind die möglichen Auswirkungen auf die österreichischen Wasserreserven in den Alpen. Der Verbund hält als Grundeigentümer und Besitzer zahlreicher Speicherkraftwerke in Alpen großflächige Wasserrechte. Mit einer Privatisierung des Verbundes würde die derzeitige staatliche defacto-Garantie, Österreichs Wasservorkommen in den Alpen nicht auszuverkaufen fallen. Der Schutz der Wasserressourcen in den Alpen muss jedenfalls oberste Priorität haben. Mit der Übernahme würde auch ein Großteil des österreichischen Strom-Übertragungsnetzwerkes privatisiert. Als Rückgrat der österreichischen Stromversorgung muß das österreichischen Stromnetz jedoch in staatlicher Hand bleiben.

Der Verbund erzeugt mit seinen 107 Wasserkraftwerken und 9 Wärmekraftwerken jährlich etwa 29.000 Gigawattstunden elektrische Energie, das entspricht rund der Hälfte des österreichischen Stromverbrauchs. Die Anlagen gehören zu den modernsten, leistungsfähigsten und umweltfreundlichsten Europas. Insgesamt steht dem Verbund eine Kraftwerksleistung von 8.300 Megawatt zur Verfügung. Die Stromerzeugung des Verbund basiert zu 90% aus umweltfreundlicher Wasserkraft. Die Wasserkraftwerke ersparen pro Jahr Emissionen von 22 Mio Tonnen CO2. Der Verbund verfügt auch über ein leistungsstarkes Höchstspannungsnetz, dessen Trassenlänge von 3.300 km der Entfernung Madrid-Moskau entspricht.

Keine Pläne für Hainburg

38 Terawattstunden beträgt die Jahresproduktion der vorhandenen Wasserkraftwerke. Laut der Studie wären Anlagen für weitere 18 TWh technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll. Allerdings fallen fünf Terawattstunden davon bereits aus dem Rennen, da sie entweder in Naturschutzgebieten oder Weltkulturerbe liegen. „Hainburg und die Wachau sind kein Gegenstand unserer Überlegungen“, sagt Bartenstein.

Ein Großteil des verbleibenden Potenzials soll nach Wunsch von Bartenstein und Windtner bis 2020 gehoben werden. „Die E-Wirtschaft würde 8,4 Mrd. Euro investieren, um sieben Terawattstunden bis 2020 zu schaffen“, so Windtner.
In diesem Ausbauziel sind die bereits bekannten Erweiterungen in Kaprun (Limberg II), dem Tiroler Kaunertal sowie die Kraftwerke Kopswerk II in Vorarlberg und Reißeck II in Kärnten enthalten. Die zusätzlich erforderlichen bislang unbekannten Großprojekte wollen weder Windtner noch Bartenstein nennen. E-Konzerne halten sich bei solchen Plänen meist möglichst bedeckt, um nicht zu früh Widerstand in der Bevölkerung zu wecken.

„Die Politik hat aus Hainburg und Lambach gelernt. Aber wir müssen die Klimaschutzziele erreichen. Und es gibt keine Maßnahmen, die kostenlos sind und nicht wehtun. Denn der große Vorteil der Wasserkraft ist, dass sie ohne öffentliche Förderung auskommt“, sagt Bartenstein. Windkraft und Biomasse seien aufgrund des fehlenden Ausbaupotenzials keine Alternativen.

„Wenn wir nicht alles mobilisieren, werden wir die Klimaschutzziele nicht schaffen. Und in Brüssel wird man das nicht als Kavaliersdelikt sehen“, sagt Windtner. Damit der Ausbau möglich wird, sei aber auch ein entsprechendes Umfeld notwendig. Vor allem die zu langen Genehmigungsverfahren sind der E-Wirtschaft weiterhin ein Dorn im Auge. „Es hilft nichts, wenn Verfahren sieben bis zehn Jahre dauern“, sagt Windtner. Vor allem die Länder, die für die Umweltverträglichkeitsprüfung zuständig sind, müssten sich zu dem Ausbau der Wasserkraft bekennen. „Ich möchte wieder einen Vorrang für die Wasserkraft“, so Bartenstein.

Wirtschaft dafür, Grüne dagegen

Von der Wirtschaftskammer und Wirtschaftsbund kommt Unterstützung für die Ausbaupläne. Kritik hagelt es indes von Umweltschutzverbänden und den Grünen. „Solange die Umweltverträglichkeit nicht bewertet wurde, ist die Studie wertlos“, meint etwa der grüne Energielandesrat Oberösterreichs, Rudi Anschober. SP-Energiesprecher Hannes Bauer befürwortet einen „behutsamen Ausbau der Wasserkraft“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2008)