Startschuss für die Stromversorgung der Zukunft
Quelle OTS-Mailabo vom 3.3.2010

Österreichs Netzbetreiber planen Smart Grids und setzen Leuchtturmprojekte um.

Smart Grid Technologien und -Konzepte werden für den Einsatz in intelligenten Stromnetzen in Zukunft national und international stark an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnen. Im Rahmen eines Hintergrundgesprächs präsentierte Österreichs E-Wirtschaft die Marschroute in die Zukunft der Stromnetze. "Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und der Industrie haben wir den Weg skizziert und sind jetzt bereit zur Umsetzung", erklärte die Generalsekretärin des Verbands der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ), Barbara Schmidt.

Investitionsschub in die Netze zeichnet sich ab

Die Europäische Technologieplattform (ETP) Smart Grids schätzt, dass bis 2030 europaweit Investitionen in der Höhe von 390 Mrd. Euro getätigt werden müssen. Davon entfallen rund 90 Mrd. Euro auf die Stromübertragung und 300 Mrd. Euro auf die Stromverteilung. Schwerpunkte der Investitionen sind die Erneuerung und Erweiterung der elektrischen Stromversorgungsinfrastruktur hin zu intelligenten Stromnetzen. Schmidt: "Umgelegt auf die österreichische Bevölkerungszahl bedeutet das ein Investitionsvolumen von 6,3 Mrd. Euro bis 2030. Bis 2020 sind zudem bereits Investitionen in die Netze im Ausmaß von sechs Mrd. Euro geplant."

Österreichs Netzbetreiber stehen damit vor einem noch nie dagewesenen Investitionsschub in innovative Technologien für eine sichere und nachhaltige Stromversorgung des 21. Jahrhunderts."Industrie und E-Wirtschaft sind startklar für Smart Grid-Leuchtturmprojekte, die den Weg in das Netz 2.0 der E-Wirtschaft ausleuchten sollen. Die bestehenden Netze müssen ausgebaut werden und zusätzlich wird ein paralleles Netz an Datenverbindungen entstehen, das die Netze smart macht", erklärte die VEÖ-Generalsekretärin. Der Aufbau der Smart Grids ist damit die wichtigste Innovation der E-Wirtschaft seit Jahrzehnten. Schmidt: "Das könnte der mehr als hundert Jahre alten Branche einen Innovationsschub bringen, der vergleichbar ist mit den Auswirkungen des Internet auf die Kommunikation."

Von der zentralisierten Versorgung zum Netzwerk

Die Welt der Stromproduktion hat sich binnen weniger Jahrzehnte drastisch verändert. In Dänemark ist die dezentrale Erzeugungskapazität im Verteilnetz inzwischen größer als die Kapazität der zentralen Kraftwerke. "Man könnte Dänemark somit auch als weltweit größtes Forschungslabor für dezentrale Energieerzeugung bezeichnen", erklärte BEWAG-Vorstandssprecher Hans Lukits. Doch auch in Österreich ist diese Entwicklung voll im Gange: Anfang 2009 gab es in Österreich 617 Windräder mit einer Gesamtleistung von 995 MW. Diese Anlagen erzeugen mit rund zwei Milliarden Kilowattstunden drei Prozent des österreichischen Stromverbrauchs. Das bis 2020 zusätzlich nutzbare Windkraftpotenzial beträgt 4,3 Mrd. Kilowattstunden.

Lukits: "Mit dem fortschreitenden Ausbau dezentraler Stromeinspeisung auf niedrigen Netzebenen ändert sich der Charakter der Stromversorgung grundsätzlich. Je höher die gemeinsame maximale Leistung der dezentralen Anlagen steigt, desto höher werden die Anforderungen an den Netzbetrieb, damit Erzeugung und Verbrauch auch weiterhin einfach aufeinander abgestimmt werden können." Deutschland etwa will schon Mitte des nächsten Jahrzehnts so viel Windkapazität installiert haben, dass in Starkwindzeiten eigentlich kein thermisches Kraftwerk und kein Atomkraftwerk mehr betrieben werden müsste. In Österreich werden derzeit etwa 3,5 Prozent des Stroms aus nachhaltigen Quellen mit stark schwankendem Angebot produziert.

Umbau des Energiesystems

Dem Energiesystem dürfte in den nächsten zehn Jahren durch diese Entwicklungen ein Umbau bevorstehen. "Die klassische hierarchische Struktur der Energieversorgung nach dem Muster 'zentraler Erzeuger verteilt den Strom auf viele kleine Abnehmer' wird gerade auf den Kopf gestellt", erklärte Michael Strebl, verantwortlich für die Netze der Salzburg AG. Maßgebliche Innovations-Treiber sind der starke Ausbau erneuerbarer Energien, die effizientere Nutzung von Energie und der allgemeine gesellschaftliche Trend zu Dezentralisierung, der auch im Energiebereich Fuß gefasst hat. Strebl: "Die eigene Fotovoltaikanlage auf dem Dach oder das Mini-Heizkraftwerk fürs Hotel sind nicht nur finanziell und energetisch interessant, sondern auch trendy und chic." Der Schlüssel, um alle diese Faktoren sinnvoll miteinander zu verknüpfen ist das Stromnetz. "Die Drähte im Hintergrund bleiben die gleichen, die Netze müssen aber viel mehr können als bisher", so Strebl.

Stromnetze mit Internet-Charakteristik

Die zukünftigen Energienetze sind mit dem Internet vergleichbar: Strebl: "Stromkonsumenten wachsen mit Stromproduzenten zusammen zum Kunden von morgen, dem "Prosumer": sie werden aktiver, steuern ihre Nachfrage, erzeugen selbst Energie, speisen diese ins Netz ein und benötigen zu anderen Zeiten Strom aus dem Netz. Zu den Stromleitungen kommen Datenverbindungen, die alle Akteure miteinander vernetzen. Ziel ist es, Angebot und Nachfrage besser aufeinander abzustimmen und das Netz stabiler und effizienter zu machen." Die Gesamtoptimierung der Netzlasten kommt allen zugute: Kunden, weil die Kosten sinken und den Netzbetreibern, weil Netzstabilität und Versorgungssicherheit durch gleichmäßigere Netzauslastung erhöht werden.

Modellregion Salzburg zeigt Chancen auf

Die Salzburg AG ist österreichweit Vorreiter bei Smart Grids. Für das Projektbündel "Smart Grids Salzburg" und den gesamthaften strategischen Ansatz wurde Salzburg vom Klima- und Energiefonds als "1.Smart Grids Modellregion" ausgezeichnet. Diese Modellregion wird mit 3,1 Millionen Euro an Fördergeldern unterstützt. Verwendet wird die Förderung für Forschung, Entwicklung und Demonstration der Smart Grids für eine komfortable, intelligente, Ressourcen schonende und integrierte Infrastruktur der Zukunft.

Österreichs Netzbetreiber bereit für Demo-Projekte

Österreichs Stromnetzbetreiber sind bereit für den Start der Demonstrationsprojekte, die den Aufbau der Smart Grids vorbereiten werden. "Bis 2015 sollen zuerst jährlich sieben bis zehn Mio. Euro in die Forschung investiert werden, dann folgen Investitionen von 50 bis 100 Mio. Euro in bis zu zehn Demo-Projekte", erklärte Reinhard Brehmer, VEÖ-Sprecher Sparte Netze und Geschäftsführer Wien Energie Stromnetz Gmbh. Schrittweise nach Abschluss dieser Projekte soll dann der Roll-Out der Smart Grids gestartet werden.

Investitionsanreize sollen Start in Richtung Smart Grids ermöglichen

An Smart Grids sind viele Hoffnungen geknüpft. Brehmer: "Das reicht von Einsparungen beim Netzausbau über Effizienzgewinne bis hin zu ökologischen Vorteilen. Ohne eine Adaption der Netze können beispielsweise die Klimaziele nur schwer erreicht werden, weil nur die Netze den Zusammenhang zwischen sämtlichen Maßnahmen herstellen können." Um diese volkswirtschaftlichen Vorteile sichern zu können, werden erhebliche Investitionen getätigt werden müssen, die sich in den Netztarifen widerspiegeln müssen. Für die Startphase bis 2015 benötigen die Netzbetreiber vor allem eine Anerkennung der Forschungskosten und der Investitionen in die Demo-Projekte. "Der seit 2010 neu eingeführte Investfaktor ist ein positiver Schritt in die richtige Richtung, dem aber nachhaltige Investitionsanreize folgen müssen, die über das Jahr 2011 hinaus gesichert sind", so der Sprecher Netze des VEÖ.