Wie dem Elektroauto der Lärm beigebracht wird
Quelle: Welt online

Elektroautos sind von Natur aus fast geräuschlos. Das birgt Gefahren für Fußgänger und Möglichkeiten für Sounddesigner.

Des einen Freud, des anderen Leid: Je mehr Elektroautos und Hybridfahrzeuge in den Städten unterwegs sind, desto leiser dürfte es dort werden. Anwohner sehen diesen Zeiten mit Freude entgegen. Doch Menschen mit Sehschwäche fürchten um ihre Sicherheit. Und PS-Fans um den Fahrspaß. Weil die Autohersteller um dieses Problem wissen, suchen sie nach dem richtigen Sound für ihre E-Fahrzeuge – und definieren, wie die Zukunft klingen soll.

„Bei der Suche nach dem Sound der Stille müssen wir gleich zwei Aspekte berücksichtigen“, sagt Ralf Kunkel, der bei Audi die Akustik-Entwicklung verantwortet. „Auf der einen Seite müssen wir dem Fahrer mit der richtigen Geräuschkulisse ein emotionales Erlebnis bieten, so, wie er es von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gewohnt ist. „Auf der anderen Seite müssten aber Passanten auf die Fahrzeuge aufmerksam gemacht werden – „zumindest im Stadtverkehr“, schränkt Kunkel ein. Denn spätestens bei Geschwindigkeiten jenseits von 50 Stundenkilometern werden Wind- und Reifengeräusche so laut, dass man ein Auto allein dadurch hören kann.

Die meisten Hersteller haben sich gegen künstliche Sounds entschieden. „Wir werden die Komponenten nutzen, die ohnehin im Fahrzeug verbaut sind, und damit ein authentisches Klangbild erzeugen“, sagt Jürgen Schenk von der Daimler AG. Mit gezieltem Soundtuning, Verstärkern und Resonanzkörpern will er den Klang von Lüftern und E-Motoren genauso modulieren und in den Innenraum bringen, wie es die Ingenieure bei den Verbrennern machen. Auch nostalgisches V8-Brabbeln oder futuristisches Raumschiffrauschen lehnen die meisten Hersteller ab. „Wir fahren schließlich weiter auf der Autobahn und nicht auf der Milchstraße“, sagt Kunkel. Auf ein „babylonisches Soundgewirr“ an der Straßenkreuzung könne man verzichten. Selbstverständlich brauche man aber akustische Rückmeldungen vom Fahrzeug, wie man sie kennt.

Die Zulieferer sehen das offenbar anders. So hat Brabus für den Tesla Roadster ein eigenes Soundpaket entwickelt. Mit dem Lautsprechersystem des Tuners aus Bottrop klingt der elektrische Sportwagen auf Knopfdruck nach einem Rennwagen oder in den Profilen „Beam“ und „Warp“ wie Raumschiff „Enterprise“.

Momentan wartet man hier allerdings auf das Bundesverkehrsministerium. Dort werden derzeit Zulassungsregularien festgelegt, also zum Beispiel in welchem Frequenzbereich geröhrt werden darf – und vor allem: wie laut. Sven Gramm von Brabus erzählt von Lautsprechern und Subwoofern und ist sich sicher, dass durch die digitale Technik, die längst auch das Auto dominiert, noch viel möglich ist in Sachen Sound. Denkbar wäre der Download von Antriebsgeräuschenaus dem Internet. Wer will schon immer mit demselben Motorensound fahren?

Der Klang im Innenraum ist für viele Autohersteller eine beinahe philosophische Frage. Sie beschäftigt laut Kunkel Heerscharen von Ingenieuren, ja sogar Musiker, Komponisten und andere Experten für den guten Ton. Weit weniger intensiv wird dagegen über die klangliche Außenwirkung diskutiert: Dort wird es wohl auf ein künstliches Warnsignal hinauslaufen, das bis zu einem bestimmten Fahrtempo ein Lautsprecher hinter dem Stoßfänger oder unter der Motorhaube ausstrahlt.

In Japan haben die Behörden dazu bereits Vorgaben gemacht, in den USA werden solche Regelungen gerade diskutiert. Erste Autohersteller haben sie bereits umgesetzt: Den Toyota Prius zum Beispiel gibt es nach Angaben des Herstellers in Japan auf Wunsch auch mit einem Soundgenerator, der im Elektrobetrieb bis 25 Stundenkilometer mit einem lauten Brummen auf sich aufmerksam macht. Ein ähnliches System hat Nissan nach Angaben von Produktplaner François Bacon für den elektrischen Kompaktwagen Leaf entwickelt. Die Markenschwester Infiniti übernimmt es auch für die Hybridversion der M-Serie, die im Frühjahr nach Deutschland kommt.

Nicht überall jedoch stößt diese Entwicklung auf Gegenliebe. Mercedes-Entwickler Jürgen Schenk hält das für einen Irrweg: „Natürlich werden wir alle Gesetzesvorgaben einhalten und wo nötig entsprechende Lautsprecher mit Warntönen einbauen“, sagt der Ingenieur. „Aber bislang ging es immer um Lärmschutz. Und jetzt sollen wir plötzlich absichtlich mehr Krach machen? Das kann nicht der richtige Ansatz sein.“