Berlin fährt elektrisch

Nach Daimler und Volkswagen will auch BMW in Berlin die Alltagstauglichkeit eines batteriebetriebenen Autos testen.

Die Straßen Berlins werden zur Teststrecke für neue Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenfahrzeuge. Nach Daimler und Volkswagen will auch BMW in der Hauptstadt die Alltagstauglichkeit eines batteriebetriebenen Autos testen. An diesem Mittwoch schließt sich Opel an. Der Hersteller wird seine Brennstoffzellenfahrzeuge aus einem laufenden Markterprobungstest präsentieren.

BMW-Chef Norbert Reithofer stellte am Dienstag ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Energieversorger Vattenfall in Berlin vor. Im Frühjahr 2009 wird BMW 50 Elektro-Minis in Berlin zum Einsatz bringen, die an Ladesäulen von Vattenfall „grüne“ Energie, also erneuerbaren Strom, tanken können. Alternativ kann der Mini E auch an der heimischen Steckdose in zweieinhalb Stunden aufgeladen werden. Anschließend hat er eine Reichweite von 200 bis 250 Kilometern. BMW und Vattenfall legen Wert auf die Nutzung erneuerbarer Energie. Der Großversuch solle „über die komplette Prozesskette umweltfreundlich sein“, sagte Reithofer. 2009 sollen weitere 50 Autos im Großraum London und 500 in den USA eingesetzt werden.

Daimler bringt Ende 2009 zusammen mit RWE 100 Elektro-Smarts auf die Berliner Straßen. VW testet im kommenden Jahr zehn Fahrzeuge mit einem „Twin- Drive“-Motor, ein Elektroauto mit unterstützendem Verbrennungsmotor.

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der den Großversuch von BMW und Vattenfall mit einem „kleinen zweistelligen Millionenbetrag“ fördert, bezeichnete das Projekt als ein gelungenes Beispiel für moderne Umwelt- und Industriepolitik. „Es muss darauf geachtet werden, dass Elektrofahrzeuge erneuerbare Energien nutzen, um in der Gesamtkette Null-Emissions-Fahrzeuge zu haben“, sagte der SPD-Politiker. Ein mit grünem Strom betriebenes Elektrofahrzeug emittiere in der Gesamtbetrachtung nur fünf Gramm klimaschädliches CO2. Bei einem mit konventionellem Strom gespeisten Fahrzeug seien es 115 Gramm. Neuwagen mit Verbrennungsmotor stoßen aktuell hingegen im Schnitt 170 Gramm aus. Die EU will den Höchstwert von 2012 oder 2015 an auf 120 Gramm senken.

Mit Verweis auf die Klimavorgaben der EU forderte Gabriel, dass „gerade jetzt in technische Innovationen investiert werden muss“. So sei die Batterietechnik noch nicht marktreif. Zugleich fehle es in Deutschland an ausreichender Forschung und Entwicklung. „Die Elektrochemie war früher eine deutsche Kernkompetenz“, sagte Gabriel. Heute würden die Trends in Asien gesetzt. „Wir müssen die Industrie zurückholen“, so Gabriel.

Das BMW-Vattenfall-Projekt soll auch der Stromwirtschaft Erkenntnisse liefern, inwieweit Elektroautos als Speicher für Strom aus Windkraft oder Sonnenenergie dienen können, die nicht jederzeit zur Verfügung stehen. „Wir erforschen das Strommanagement der Zukunft“, sagte Vattenfall-Europe-Chef Tuomo Hatakka.

Strom- und Autolieferanten bekommen beim Thema Elektromobilität breite Unterstützung von der Bundesregierung, die am Dienstag in Berlin Eckpunkte eines umfassenden Förderplans vorstellte. Bis 2020 sollten etwa eine Million Elektroautos das Bild in den Städten mitbestimmen, sagten Gabriel und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bei einer „Nationalen Strategiekonferenz Elektromobilität“. Für 2030 seien mindestens fünf Millionen solcher Fahrzeuge zu erwarten, fügte Gabriel hinzu. Der Staat werde dazu seine Fördermittel erhöhen, kündigten auch die Ministerien für Wirtschaft und Forschung an.

Die Autoindustrie warnte vor übertriebenen Hoffnungen. Die Vision des emissionsfreien Verkehrs per Elektrofahrzeug werde breit diskutiert. Dabei würden zum Teil überzogene Erwartungen geweckt, sagte Verbandspräsident Matthias Wissmann: „So rasch, wie manche meinen, wird dieser alternative Antrieb nicht in der Großserie verfügbar sein.“

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 26.11.2008)