Starker Rückenwind für Windkraft, Solarstrom und Biomasse
Ein Bericht der Presse aus dem Jahre 1998

Sonne

Erneuerbare Energien sollen in der EU bis 2010 doppelt soviel Energie liefern wie heute. Parlamentarier und Experten versuchten, dieses Ziel auf einer Konferenz zu konkretisieren.
In 30 Minuten strahlt die Sonne mehr Energie auf die Erde, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Mit Sonnenkollektoren in der Sahara auf einer Fläche von 700 mal 700 Kilometern wäre es theoretisch möglich, den Energiebedarf der ganzen Welt zu decken.

" Die Bevölkerung ist viel weiter als die Regierungen", meint Patrick Lambert, Experte in der Generaldirektion für Energie in Brüssel und einer der Autoren des EU-Weißbuches für erneuerbare Energien - Windkraft, Photovoltaik, Solar, Klein-Wasserkraftwerke und Biomasse.
In dem Strategiepapier wird festgeschrieben, daß der Anteil der Energie aus erneuerbaren Energien bis 2010 verdoppelt werden soll. Lambert präsentierte auf einer interparlamentarischen Konferenz auf den Kanarischen Inseln, wie sich die EU-Administration vorstellt, dieses Ziel zu erreichen.
Die Konferenz wurde von Eufores, der Europäischen Föderation für erneuerbare Energien, organisiert. Der Hebel sei, so Lambert, weniger bei der Bevölkerung anzusetzen als vielmehr in den Regierungen. Erst müßten rechtlicher Rahmen und Finanzierung abgesteckt werden. In der Schluß-Deklaration der Konferenz wird unter anderem ein "fairer und freier Zugang zu den Strom-Verteilungsnetzen" gefordert.

weiter   »
Es gibt viele Beispiele dafür, daß erneuerbare Energien längst aus einem Nischendasein herausgetreten sind:

In Österreich haben in den vergangenen Jahren besonders Biomasse, Windkraft und Solaranlagen geboomt, in Dänemark Kraft-Wärme-Kopplung (Nutzung von Abwärme, um Wohnungen zu heizen), in Deutschland Windkraft, in den USA Photovoltaik. Lanzarote, eine der Kanarischen Inseln - mit 80.000 Einwohnern und 800 km² groß -, vor Afrikas Westküste, deckt ein Drittel des Strombedarfs durch knapp 60 Windräder.
"Windkraft ist bereits heute mit den übrigen Energieträgern konkurrenzfähig", berichtet Pedro de Sampaio Nunes, Chef der für Energie zuständigen Generaldirektion XVII der Kommission. Biomasse-Kraftwerke seien dies ebenfalls.
Solaranlagen sind dies unter gewissen Bedingungen und Photovoltaik-Zellen (sie wandeln die Kraft der Sonne direkt in Energie um) dann, wenn sie in bestimmten Lagen eingesetzt werden - etwa dort, wo eine Stromzuleitung zu teuer wäre.

Der Anteil erneuerbarer Energien soll aber vor allem deshalb erhöht werden, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu verringern und den Treibhauseffekt zu bremsen; und andererseits, um die Abhängigkeit von fossilen Energien - Öl, Gas und Kohle - zu verringern. Elisabeth Broome, Energie-Expertin und Beraterin der EU aus Birmingham hat errechnet, daß bis 2010 in der EU mehr als 1,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden können, sofern der Anteil erneuerbarer Energien verdoppelt wird.
"Dänemark beschäftigt durch Windräder und deren Herstellung bereits mehr Menschen als in der Fischerei; und Österreich hat in der Biomasse 10.000 bis 15.000 zusätzliche Jobs geschaffen." John Bonda, Vorsitzender des Europäischen Exportrates für erneuerbare Energien, meint, daß die Markteinführung weitaus rascher ginge. "Entscheidend ist das strategische Interesse.

weiter   »

Zwei Milliarden Menschen sind ohne Strom, und überall dort ist die politische Lage labil. Dort fassen Mafia, Drogenhändler, anderswo wieder Terrorgruppen Fuß." Für ihn ist das Ziel des EU-Weißbuchs bloß Minimalforderung: "Wenn wir das mit den erneuerbaren Energien erreichen, dann sparen wir in einem Jahr - gemessen in Öl - soviel, wie die Opec (die Vereinigung ölproduzierender Staaten) in 30 Tagen fördert."

Das von der EU vorgeschlagene Programm für erneuerbare Energien kostet mehr als 90 Milliarden Euro verteilt auf zwölf Jahre und 15 Mitglieder.
Die Einsparung durch wegfallende Importe wird von der Energie-Generaldirektion der EU mit 24 Milliarden Euro beziffert. "Beschäftigungseffekte und dadurch wegfallende Arbeitslosenunterstützung sind da noch nicht eingerechnet", meint EU-Experte Patrick Lambert.

Und John Bonda: "Nehmen wir nur die 100.000 Jobs, die von der Photovoltaik zu erwarten sind.
Zu Kosten von einer Milliarde Euro wird die Arbeitslosenversicherung um sechs Milliarden Euro entlastet, das Gesundheitssystem um 2,5 Milliarden Euro.
Und schließlich haben die Leute eine höhere Kaufkraft und kurbeln die Wirtschaft an."