Schlappe für die Industrie: Klimaziele bleiben
07.10.2008 | 19:03 | Von unserer Korrespondentin REGINA PÖLL (Die Presse)

Der Umweltausschuss will Betrieben keine Erleichterungen zugestehen.

Um das EU-Ziel zu erfüllen, müssten sie entweder die durchschnittlich 20 Prozent minus nachweisen oder ab 2013 „Emissionszertifikate“ kaufen.

Es war ein herber Rückschlag für die Industrie: Statt das EU-Klimapaket zu lockern, schnürten es die Abgeordneten im Umweltausschuss des EU-Parlaments gestern, Dienstag, nur noch fester. Die Klimaziele, auf die sich die EU-Staaten im Jänner grundsätzlich geeinigt haben, nehmen damit immer konkretere Formen an: Minus 20 Prozent CO2-Ausstoß sollen es EU-weit zwischen 2005 und 2020 sein, so lautet die Vorgabe der Länder. Details wollen sie mit dem EU-Parlament bis Ende 2008 festlegen.

Die sogenannte energieintensive Industrie knüpfte daran prompt die Hoffnung, dass sie zu dem Ziel nicht so viel beitragen werden müsse wie andere Betriebe: Für sie solle es Ausnahmen geben – und zwar mehr, als die EU-Kommission, die oberste Verwaltungsbehörde, im Auftrag der Länder vorgeschlagen hat.

Diese Hoffnung schmälerte gestern allerdings der Umweltausschuss:
Geht es nach ihm, dann wird es für Stahl-, Zement-, Aluminium- und Papierindustriebetriebe keine umfassenden Sonderregeln geben, auch wenn sie mit besonders viel Energie produzieren und daher überdurchschnittlich für den Umweltschutz zur Kassa gebeten werden würden.

Drohung mit Abwanderung
Um das EU-Ziel zu erfüllen, müssten sie entweder die durchschnittlich 20 Prozent minus nachweisen oder ab 2013 „Emissionszertifikate“ kaufen. Solche Zertifikate würden es ihnen erlauben, weitere Mengen CO2 auszustoßen. Mit dem Geld für die Zertifikate würden sie Umweltprojekte außerhalb der EU finanzieren, zum Beispiel modernere Technik.

Die EU-Kommission will der energieintensiven Industrie ab 2013 „nur“ 80 Prozent Gratiszertifikate zugestehen, um sie zu schonen. Ab 2020 möchte sie die Betriebe dann voll zur Kassa bitten: keine Gratiszertifikate mehr, so lautet das Motto.

Der Umweltausschuss bestätigte diese Linie weitgehend, erhöhte den Prozentsatz unter dem Druck der Wirtschaft aber auf 85 Prozent bis 2020. Zahlreiche Unternehmen, darunter der österreichische Stahlkonzern Voest, haben bereits mit Abwanderung in Nicht-EU-Länder gedroht, wo weniger strenge Klimaziele gelten: Dort könnten sie günstiger produzieren, also wettbewerbsfähig bleiben.

„Jobvernichtungsprogramm“
Der Industrie sind 85 Prozent nicht genug, sie drängt weiter auf 100 Prozent bis 2020. Mit dem Ergebnis aus dem Umweltausschuss würde „die Zukunft der energieintensiven Unternehmen infrage gestellt“ werden, sagte der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger. In Österreich gehe es um mehr als 170.000 Arbeitsplätze, die gefährdet wären. „Dies käme einem Jobvernichtungsprogramm gleich“, so Sorger.

Ins gleiche Horn stieß der einzige Österreicher im Umweltausschuss, Richard Seeber (VP): Bis sich andere Länder in einem internationalen Abkommen zu ähnlich strengen Klimazielen verpflichten würden wie die EU, sollten 100 Prozent gratis sein. Denn die Zertifikate würden „ja nicht mehr Umweltschutz, sondern nur mehr Kosten für unsere Wirtschaft“ bedeuten, so Seeber. Er hatte mit 19 weiteren Konservativen gegen die 85 Prozent gestimmt.

Teile der Konservativen und Liberalen sowie Sozialdemokraten und Grüne waren dafür. Die Kommission erwartet, dass Betriebe in der EU bis 2020 bis zu 80 Milliarden Euro für Zertifikate ausgeben werden. Umweltschützer äußerten sich überwiegend positiv, dass die Klimaziele gestern kaum aufgeweicht wurden.