Das Recht auf Luftreinhaltung
Quelle: OEKOBÜRO; April 2014

In Österreich werden seit Jahren die Luftschadstoffgrenzwerte erheblich überschritten.

Die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid (NO2) überschreiten sowohl den zulässigen Jahresgrenzwert des Immissionsschutzgesetz-Luft, als auch den Grenzwert der EU. Die zuständigen Behörden sind daher verpflichtet schnellstmöglich Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte zu ergreifen. Weder Umweltorganisationen noch BürgerInnen wurde in Österreich bislang das Recht zugestanden, die Einhaltung der Grenzwerte und Ergreifung von Maßnahmen gesetzlich einzufordern. Obwohl Österreich das NGO-Klagerecht der Aarhus Konvention nicht umgesetzt hat, muss Umweltorganisationen dieses Recht zuerkannt werden. Das geht nach Ansicht des EuGH und des deutschen Bundesverwaltungsgerichts aus der Aarhus Konvention und dem Prinzip des effektiven Rechtsschutzes des EU-Rechts hervor. ÖKOBÜRO setzt daher nun rechtliche Schritte und brachte beim Land Salzburg einen Antrag auf Erlass schnellstmöglicher Maßnahmen zur Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte ein.

Überschreitung der Luftschadstoffgrenzwerte in Österreich


In Österreich werden seit Jahren die Luftschadstoffgrenzwerte erheblich überschritten. Die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid (NO2) liegen kontinuierlich auf einem relativ hohen Niveau und überschreiten an mehreren Messstellen sowohl den zulässigen Jahresgrenzwert des Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L; 35 µg/m³), als auch den Grenzwert der EU (40 µg/m³). Damit verstößt Österreich nicht nur gegen nationale sondern auch gegen europäische Luftreinhaltevorschriften. Die Grenzwertüberschreitungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen.


Österreich wäre bereits seit 1. Jänner 2010 verpflichtet gewesen, die festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ einzuhalten (gemäß Art 13 RL 2008/50/EG und RL 1999/30/). Das Ansuchen Österreichs, diese Frist für ganz Österreich bis 2015 zu verlängern, wurde von der EU-Kommission nur für Kärnten und Linz gewährt, für die Bundesländer Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien, Oberösterreich (ohne Linz) und Salzburg hingegen abgelehnt. Die Kommission forderte Österreich stattdessen erneut auf, in diesen Gebieten die Grenzwerte einzuhalten.


Für die Erstellung der Luftreinhaltepläne und den Erlass der darin enthaltenen Maßnahmen sind die Bundesländer zuständig (§§ 9a ff IG-L in Umsetzung der Art 23 ff RL 2008/50/EG). Die zuständigen Behörden sind daher verpflichtet schnellstmöglich verkehrsbezogene Maßnahmen, wie etwa die Errichtung einer Umweltzone, zu erlassen, um die Grenzwerte einzuhalten. Denn Hauptverursacher bei den Stickoxiden ist der Verkehr.

 

ÖKOBÜRO bringt Antrag auf Erlass schnellstmöglicher Maßnahmen ein


Neben anderen Bundesländern wurden auch in Salzburg in den letzten Jahren die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erheblich überschritten. Da die Bundesländer für die Erstellung der Luftreinhaltepläne und den Erlass der darin enthaltenen Maßnahmen zuständig sind, stellte ÖKOBÜRO nun an das Land Salzburg einen Antrag auf Erlass schnellstmöglicher verkehrsbezogener Maßnahmen. Das Land Salzburg zeigt mit einem Testversuch des Tempolimits bereits den Willen Maßnahmen gegen diese Grenzwertüberschreitung zu setzen. Doch die Durchsetzung einer einzigen Maßnahme reicht noch lange nicht aus, um die Grenzwerte einzuhalten. Mit seinem Antrag auf Erlass schnellstmöglicher Maßnahmen will ÖKOBÜRO auf die Gefahren für Menschen und Umwelt durch Grenzwertüberschreitungen hinweisen, die Notwendigkeit der Ergreifung von Maßnahmen aufzeigen und einen Präzedenzfall für zukünftige Luftreinhaltung schaffen.

 

Betroffene haben ein Recht auf Einhaltung der Luftreinhaltevorschriften


Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat bereits im Jahr 2008 entschieden, dass Betroffene (natürliche und juristische Personen) die Einhaltung der Luftreinhaltevorschriften gerichtlich geltend machen können. Betroffene müssen demzufolge das Recht haben, bei den zuständigen Behörden entsprechende Maßnahmen zu erwirken (EuGH, Urteil vom 25.7.2008, C-237/07, Janecek). Er begründet dies mit dem von der Richtlinie bezweckten Schutz der öffentlichen Gesundheit. In Österreich gab es bereits einige Versuche betroffener BürgerInnen ihr Recht auf Luftreinhaltung einzuklagen. Diese waren bislang allerdings nicht erfolgreich. Der Beweis der „unmittelbaren Betroffenheit“ stellte eine erhebliche Barriere zur Geltendmachung ihres Rechts auf Luftreinhaltung dar.

 

Auch Umweltorganisationen haben ein Recht auf Einhaltung der Luftreinhaltevorschriften


Während BürgerInnen beweisen müssen, dass sie von den Grenzwertüberschreitungen betroffen sind, müssen Umweltorganisationen den Beweis der „unmittelbaren Betroffenheit“ nicht erbringen. Aufgrund ihrer sozialen Wächterfunktion haben sie das Recht gegen jegliche Verstöße des Umweltrechts vorzugehen. Die Aarhus Konvention gibt Umweltorganisationen ein NGO-Klagerecht in allen Umweltangelegenheiten. Umweltorganisationen muss demnach das Recht zukommen gegen Handlungen aber auch gegen die Untätigkeit von Behörden vorgehen zu können.


Obwohl Österreich das NGO-Klagerecht nicht umgesetzt hat, muss anerkannten Umweltorganisationen iSd § 19 Abs 7 UVP-G dieses Recht in bestimmten Fällen dennoch zuerkannt werden. Das geht aus der Aarhus Konvention und dem Prinzip des effektiven Rechtsschutzes des EU-Rechts hervor. Dies stellte der EuGH im sogenannten Braunbärenurteil 2011 fest. Er sprach damals aus, dass Umweltorganisationen das Recht eingeräumt werden muss, gegen Europarechtsverstöße - die in von Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention erfassten Bereichen liegen - gerichtlich vorgehen zu können (EuGH, Urteil vom 8.3.2011, C-240/09, VLK). Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten NGOs jedenfalls immer dann ein Klagerecht zuerkennen müssen, wenn es um die Einhaltung von EU-Umweltrecht geht. Dazu zählen auch die Bestimmungen über die Luftreinhaltung.

 

NGO-Recht auf Luftreinhaltung in Deutschland bestätigt


Auch in Deutschland hatten NGOs bis vor kurzem kein Recht, die Ergreifung von Luftreinhaltemaßnahmen geltend zu machen. Das deutsche Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) behob diesen Mangel allerdings kürzlich. Es erkannte die Rechtsprechung des EuGH zu VLK und Janecek an und kam zu der Erkenntnis, dass durch Art 23 RL 2008/50/EG und Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention auch Umweltverbände das Recht haben, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen (Deutsches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 5.9.2013, 7 C 21.12, Rn 48). Das BVerwG betonte, dass „nicht-staatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse [haben]. Diese Vereinigungen sollen sich die öffentlichen Belange des Umweltschutzes zum eigenen Anliegen machen können.“ Das BVerwG berief sich daher auf das erweiterte Verständnis des subjektiven Rechts in der Entwicklung des Unionsrechts und würdigte das Interesse nicht-staatlicher Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, an der Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften.