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Betreff: OTS0208 Biomasse: Schweden in der Champions-League
Von: OTS Verteiler
Antwort an: OTS Dienst
Datum: 07.12.06 14:37
An: otsmail@apa.at

/OTS0208 5 WI 0741 BMV0001 II                          Do, 07.Dez 2006/

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Biomasse: Schweden in der Champions-League

Wien/Stockholm (OTS) - "Schweden ist eines der besten Beispiele dafür, dass der politische Wille das Um und Auf ist, wenn es um den raschen und effizienten Ausbau der energetischen Biomasse-Nutzung geht", zeigte sich Geschäftsführer Ernst Scheiber vom Österreichischen Biomasse-Verband Anfang Dezember anlässlich einer Pressefahrt überzeugt. Die Exkursion "Bioenergie: Weltmarkt versus Region", an der 38 österreichische Journalisten/innen und Experten/innen teilnahmen, führte zu verschiedenen schwedischen Biomasse-Projekten - von der Biogas-Abfallanlage über das vorwiegend mit Biomasse beschickte Fernheizwerk bis hin zu Kurzumtriebswäldern mit Live-Ernte und Versuchsstationen für neue Energiepflanzen.

Wettlauf der Kommunen
Eines ist all den Biomasse-Initiativen gemeinsam: Sie sind Ergebnis jenes von Göran Persson eingeleiteten "schwedischen Weges" hin zur Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern bis zum Jahr 2020 - eine Zielsetzung, die in sämtliche Ebenen der Verwaltung wie auch der Wirtschaft ausstrahlt. "Unter den Kommunen hat ein regelrechter Wettlauf begonnen, möglichst rasch energieautark zu werden", meinte Scheiber begeistert. Und das Beste daran ist: Gemeinden oder lokale Gruppierungen sind bemüht, insbesondere die eigenen Stärken hinsichtlich der Rohstoff-Ressourcen oder der logistischen Möglichkeiten optimal zu nutzen. Ein in seiner Vielschichtigkeit zukunftsfähiger Energie-Mix ist das Resultat.

Steuern durch Steuern
Als eines der zentralen Steuerelemente - im wahrsten Sinne des Wortes - sieht Scheiber in diesem Zusammenhang die Steuerpolitik. Die Tatsache, dass rund zehn Prozent der schwedischen Staatseinnahmen aus Energiesteuern kommen, zeigt nicht bloß die enorme Bedeutung der Energiefrage für das skandinavische Land, sondern ermöglicht auch die Finanzierung intensiver und innovativer Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet.

Auffallend ist, dass in Schweden - viel stärker als in Österreich - die Frage der Abfallentsorgung in das Thema Energie integriert und Müll als Rohstoff für die Strom- und Wärmeproduktion genutzt wird. Berechnungen des Österreichischen Biomasse-Verbandes und der Österreichischen Energieagentur zufolge könnte sich durch die intensive energetische Nutzung von Abfällen das Biomasse-Potenzial in Österreich so um rund 60 Prozent erhöhen.

"Fernwärmemeister"
Auch auf anderen Ebenen könne sich Österreich so manches vom schwedischen Erfolgsmodell abschauen, regte Scheiber an und nannte den Ausbau der Fernwärme als Beispiel: Während in Schweden bereits 40 Prozent der Haushalte solcherart mit Wärme versorgt werden, seien es in Österreich gerade einmal 17 Prozent - ein Anteil, den es in den kommenden Jahren durch gezielte Anreizprogramme zu erhöhen gelte.
In seiner kürzlich verabschiedeten "Tullner Erklärung" definiert der Österreichische Biomasse-Verband Entwicklungsziele für das heimische Energiesystem bis zum Jahr 2020, die sich in großen Teilen auch mit jenen Zielen decken, die die rot-weiß-rote Politik (hoffentlich auch in naher Zukunft) verfolgt: 45 Prozent des Primärenergieaufkommens sollen 2020 durch erneuerbare Energieträger gedeckt werden. Der Biomasse wird dabei eine der Hauptrollen zukommen - ihr Beitrag soll von derzeit rund 157 PJ auf 280 PJ im Jahr 2020 gesteigert werden. Wesentlich wird es dabei freilich sein, die Umwandlungsverluste von der Primär- zur Endenergie zu verringern, die Energieerträge je Hektar zu steigern und die Produktionskosten je Energieeinheit möglichst niedrig zu halten.

Bundesminister Josef Pröll ließ kürzlich wissen, dass im Zuge der aktuellen Regierungsverhandlungen kein Zweifel über die Notwendigkeit aufgekommen sei, an diesen Energiezielen festzuhalten. In einem ersten Schritt soll der Anteil der Erneuerbaren bis 2010 auf 25 Prozent gehoben werden, bis 2020 dann auf die bereits erwähnten 45 Prozent. Bis zum Jahr 2010 sollen laut Pröll rund 100.000 Haushalte auf erneuerbare Energien umgestellt werden, bis 2020 werden es mindestens 400.000 sein. Erklärte Ziele sind außerdem ein regenerativer Stromanteil von 80 Prozent im Jahr 2010 und von 85 Prozent im Jahr 2020 sowie zehn Prozent biogene Treibstoffe bis 2010 und 20 Prozent bis 2020.

Riesige Beschäftigungseffekte
Wesentlich sind in diesem Zusammenhang auch die enormen Beschäftigungspotenziale, die in der Umwelttechnologie allgemein und im Bereich der erneuerbaren Energieträger speziell schlummern. Derzeit erwirtschaften die rund 35.000 Beschäftigten dieser Branche einen Jahresumsatz von rund vier Milliarden Euro, etwa die Hälfte davon entfällt auf saubere Energietechnologien. Besonders erwähnenswert ist hier die rasch wachsende Exportquote, die Mitte der 90er-Jahre noch bei rund der Hälfte lag, 2003 waren es bereits 65 Prozent, Tendenz nach wie vor steigend.

Die Anzahl der Beschäftigten im Bereich Umwelttechnologie soll bis zum Jahr 2020 verdoppelt werden, etwas, das Ernst Scheiber als das Minimum erachtet: "Nicht bloß im Fußball, sondern auch im Bereich der Erneuerbaren muss Österreich sich erst für die ,bioenergetische Champions League' qualifizieren - jene Liga, in der Schweden sich längst etabliert hat. Die Potenziale jedenfalls sind vorhanden, allerdings müssen wir sie auch effizient nutzen", zeigte sich Ernst Scheiber abschließend begeistert.