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Mi, 05.Dez 2007/
Energie/Öl/Alternativen/Strom/Spanien/Umwelt/Klima
Energiemärkte im Umbruch
Utl.: Journalisten-Exkursion in Spanien (Murcia, Pamplona und Bilbao)
Pamplona (OTS) - Für viele Fachleute kommt der Anstieg der Ölpreise nicht überraschend. Schon seit Jahren gibt es zahlreiche
Publikationen, die darauf hinweisen, dass die weltweite Ölproduktion zwischen 2005 und 2009 ihr Maximum - den Peak - erreichen wird.
Dieses Erreichen des Fördermaximums bedeutet einen Einschnitt von historischer Dimension, denn die letzten 150 Jahre war die
Menschheit gewöhnt, jedes Jahr mehr Öl zu verbrauchen. Auch in Zukunft, in 20 bis 40 Jahren wird es Öl geben, doch die jährlich
verfügbare Menge wird immer kleiner.
In 20 Jahren wird nur mehr die Hälfte des bisherigen Rohöls gefördert
Die Mengen- und Preisentwicklung der letzten Monate bestätigt die Richtigkeit der Theorie vom oil peak. Eine kürzlich veröffentlichte
Studie von Schindler und Zittel spricht davon, dass in 20 Jahren die jährliche Ölproduktion nur mehr 50% des heutigen Niveaus erreichen
wird. Natürlich gibt es noch ständig neue Ölfunde, doch wird häufig übersehen, dass in immer mehr Ländern der Welt wie beispielsweise
den USA, Indonesien, England, Norwegen, Österreich, um nur einige zu nennen, die Produktion ständig zurückgeht und die Neufunde in
Zukunft nicht mehr ausreichen werden, um den Produktionsrückgang zu kompensieren.
Nachfrage nach Rohöl steigt weiter
Andererseits steigt die Nachfrage nach Energie, insbesondere nach
Öl weltweit weiter an, in Amerika, in Europa und besonders stark in
China und Indien. China hat in den letzten Jahren einen
beeindruckenden wirtschaftlichen Aufstieg erreicht, der dazu führt,
dass auch der Energieverbrauch jährlich um 5 bis 15% steigt.
Allerdings deckt China seinen Energiebedarf zu mehr als 85% aus
eigenen Quellen (Kohle, Wasserkraft, tlw. Öl und Gas) und ist daher
von Preissteigerungen bei Öl und Gas am Weltmarkt viel weniger
betroffen als die USA, die EU oder Österreich, die weit mehr als die
Hälfte ihrer Energie importieren müssen - und das mit steigender
Tendenz. Das wirtschaftliche Potenzial Chinas ist heute so stark,
dass China auch Erdöl zukaufen wird, wenn die Preise 150 oder 200
$/Fass erreichen.
Rohöl steigt in einigen Jahren auf 150 Dollar je Fass
Ein mehr oder weniger stagnierendes und bald rückläufiges Anbot an
Erdöl am Weltmarkt und eine weiter steigende kaufkräftige Nachfrage
nach Öl werden dazu führen, dass in einigen Jahren mit folgenden
Preisen zu rechnen sein wird:
Rohöl 150$/Fass und mehr
Benzin, Diesel Größenordnung 2 Euro je Liter
Heizöl deutlich mehr als 1 Euro je Liter
Die Preise für Erdgas werden zeitlich verzögert diesem Preisniveau
folgen.
Auf die geopolitischen Auswirkungen dieses Umbruchs der
Erdölmärkte soll hier nicht eingegangen werden, sondern lediglich auf
einige Konsequenzen für die erneuerbare Energie und für die
österreichische Energieversorgung.
Flucht in Richtung Kohle und Kernkraft ist kein Ausweg
Ein nahe liegender Ausweg mag in der Flucht Richtung Kohle oder
Kernkraft sein. Doch dabei wird übersehen, dass die Kernkraft,
abgesehen von dem Umweltrisiko, vor den gleichen Ressourcenproblemen
steht wie das Öl.
Und die verstärkte Nutzung der Kohle heizt das größte Problem, vor
dem unsere Zivilisation steht, die zunehmende Erwärmung unseres
Planeten, weiter an. Denn eine aus Kohle erzeugte Kilowattstunde
Strom führt zu mehr als doppelt so hohen CO2-Emissionen wie eine
Kilowattstunde Strom aus Gas.
Erst zu Beginn dieses Jahres hat das IPCC (International Panel on
Climate Change) darauf verwiesen, dass die weltweiten
Treibhausgasemissionen noch vor dem Jahre 2015 stabilisiert und bis
2050 um 80 % reduziert werden müssen, um einen Temperaturanstieg um
über zwei Grad und damit einen Zusammenbruch vieler Ökosysteme zu
vermeiden. Schon in den letzten zwei Jahren sind die weltweiten
Getreideernten als Folge von Dürreperioden um 5 % zurückgegangen.
Europäische Reduktionsziele
Deswegen hat auch der Europäische Rat im März 2007 einstimmig und
verbindlich beschlossen, dass in der EU die CO2-Emissionen um
mindestens 20 % gegenüber 1990 zu senken sind, für Österreich
bedeutet das ein Reduktionserfordernis um mehr als 30 % gegenüber den
aktuellen Emissionen.
In Zukunft wird es einerseits zu einem Wettlauf und Wettringen um
die letzten leistbaren Reserven von Öl und Gas geben, dabei wird
Wirtschaftsmacht und militärischer Einfluss eine große Rolle spielen.
Geografische Räume mit großen Vorräten wie Russland und der
arabischen Golf werden extrem begünstigt, solange sie noch Vorräte
haben. Andererseits wird die weltweite Staatengemeinschaft
verstärkten Druck auf die Industrieländer ausüben, die CO2-Emissionen
zu senken.
Energiesystem des 21. Jahrhunderts: Effizient und erneuerbar
Österreich als kleines Land hat in diesem Wettrennen um Öl- und
Gasfelder eine schwache Position und wird in Europa wegen der
steigenden CO2-Emissionen zunehmend unter Druck kommen. Der weitere
Ausbau einer fossil dominierten Energieversorgung führt in eine
Sackgasse. Das Energiesystem der Zukunft lässt sich durch zwei
Begriffe definieren: Effizient und erneuerbar.
Je schneller Österreich sein Energiesystem nach diesen Grundsätzen
umbaut, umso besser wird unser Land die künftigen Turbulenzen auf den
Energiemärkten meistern. Die Zeit des billigen Öls und der
unbegrenzten fossilen Ressourcen ist vorbei, sie kommt nie mehr
zurück, nur die Sonne schickt quasi unbegrenzte Energiemengen auf die
Erde. Die Antwort auf diese neue Herausforderung aus österreichischer
Sicht sollte daher drei Schritte umfassen:
1) ehrliche und umfassende Information der Bevölkerung über die
energiepolitischen Umbrüche, Preissteigerungen und Engpässe an
fossiler Energie, die auf die Welt zukommen und die
Erfordernisse, die Treibhausgasemissionen zu senken.
2) Lenkung aller Investitionen im Bereich Energiebereitstellung,
Energieumwandlung und Energienutzung in Richtung
Effizienzverbesserung und Ausbau der erneuerbaren Energieträger
(Wärmedämmung, energiesparende Bauordnung, Erhöhung der
Wirkungsgrade; Wasserkraft, Wind, Biomasse, Solarkollektoren,
Solarkraftwerke, Solararchitektur, Photovoltaik) und daher
keine Investitionen in fossile Energiesysteme mit nur wenigen,
gut begründeten Ausnahmen von diesem Grundsatz.
3) Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen auf Bundes- und
Landesebene, die dazu führen, dass Privatpersonen, Betriebe und
öffentliche Einrichtungen, die gemäß Grundsatz 2 investieren,
wirtschaftliche Vorteile haben und jene, die weiter in fossile
Energieketten investieren, wirtschaftliche Nachteile hinnehmen
müssen - also ein integriertes energie- und klimapolitisches
legistisches Paket.
Möglichkeiten und Grenzen der Bioenergie: die Konferenz in Graz
Europäisch gesehen deckt derzeit die Bioenergie 2/3 aller
erneuerbaren Energie ab, in Österreich sind es etwa 50%. In der
mitteleuropäischen Biomassekonferenz geht es darum, neue
Entwicklungen, neue Technologien, neue Erfahrungen in der Nutzung der
Bioenergie bekannt zu machen, gleichzeitig die Möglichkeiten und
Grenzen der Biomasse aufzuzeigen und die Positionierung der Biomasse
im künftigen Energiesystem zu erarbeiten. Die geopolitische
Entwicklung unterstreicht die Aktualität der Konferenz in besonderer
Weise. Die Veranstalter hoffen, dass viele Fachleute aus der
Steiermark und aus Österreich teilnehmen und natürlich zahlreiche
Gäste, vor allem aus Mitteleuropa.
Folgerungen für Österreich
Die Klima- und Energieproblematik trifft jede Region und jedes
Land auf unserer Erde. Diese dargestellten globalen Veränderungen
haben natürlich auch Rückwirkungen auf aktuelle energiepolitische
Fragestellungen in unserem Land:
a) Zukunft der Wärmeversorgung
Für Investitionen in der Wärmeversorgung ergeben sich klare
Prioritäten, nämlich
1) Isolieren und damit Bedarf senken,
2) an Fernwärme anschließen, wenn dazu die Möglichkeit besteht,
3) auf Biomasse (Pellets, Brennholz, Hackgut) umsteigen und Öl,
Gas oder Strom ersetzen,
4) Solarkollektoren einsetzen zur Warmwasserbereitung und zum
teilsolaren Heizen.
Wer so investiert, entgeht den künftigen exorbitanten
Preiserhöhungen und vermeidet darüber hinaus Emissionen. Eine
zusätzliche osterreichweite Fördermaßnahme ist notwendig, um die
Umstellung in diese Richtung wesentlich zu beschleunigen.
b) Stromversorgung
Auch für die Sicherung der Stromversorgung gelten ähnliche
Überlegungen
1) gesetzliche Maßnahmen, um Strom zu sparen und
Effizienzverbesserungen in der Erzeugung zu erreichen,
2) Ökostromgesetz neu, Forcierung des Stroms aus Wind, Wasserkraft
und kleinen Biomasseanlagen mit Kraft-Wärmekopplung ohne
bürokratische Deckel, Sicherung der bestehenden Anlagen durch
Rohstoffbonus
3) Kalorische Kraftwerke zur Versorgungssicherung nur im Rahmen
eines Konzeptes zur Reduktion der CO2-Emissionen um 30% gemäß
EU-Vorgabe.
Anmerkung: in der Steiermark stehen derzeit drei kalorische
Kraftwerke zur Neu- oder Wiedererrichtung in Diskussion (Mellach 800
MWel, Graz 400 MWel, Voitsberg 320 MWel). Bei Vollbetrieb würden
allein diese Kraftwerke zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen der
Steiermark um 30% führen!
Dazu ein Vergleich mit China:
China hat 2006 zahlreiche Kohlekraftwerke gebaut. In Summe wurde
dadurch die Kraftwerksleistung um 71MW je 1 Million Einwohner erhöht.
Die steirischen Pläne bedeuten, dass in den nächsten Jahren
kalorische Kraftwerke mit einer Leistung von 1.279 MW je 1 Million
Einwohner in Diskussion stehen. China könnte also 18 Jahre so weiter
investieren um pro Kopf jene Kapazität dazu zu stellen, die derzeit
in der Steiermark diskutiert wird.
Die kalorischen Ausbaupläne der Steiermark stehen im Widerspruch
zu den Erfordernissen des Klimaschutzes, zu den politischen
Beschlüssen auf Regierungsebene (Klimastrategie, Kyotovertrag,
EU-Ratsbeschluss), zum Prinzip der Effizienz (in Voitsberg und in
Mellach würde ein wesentlicher Teil der Abwärme nicht genutzt und als
Energieverlust abgegeben werden), aber auch im Widerspruch zur
"sittlichen Verpflichtung", solidarisch an den weltweiten Bemühungen
zum Klimaschutz teilzunehmen.
Fazit: Der globale Umbruch der Energiemärkte und die drohende
Beschleunigung der Erderwärmung zwingen zu einem Umdenken in den
energiepolitischen Konzepten. Nicht eine Fortsetzung der
Energiepolitik aus dem 20. Jahrhundert ist gefragt, sondern eine
Energiepolitik für das 21. Jahrhundert, gestützt auf den Grundsätzen:
OTS0264 2007-12-05/14:54
051454 Dez 07
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