Atomenergie dient nicht dem Klimaschutz
Die Klima-PR der Atomlobby hält den Fakten nicht stand
"Atomenergie: die Kyotoziele erreichen." - "Kein CO2-Ausstoß aus den 440 Atomkraftwerken weltweit." - "Atomkraft ist weithin anerkannt für ihren Nutzen bei der Bekämpfung der fossilen Verschmutzung und dafür, dass sie nahezu keine Treibhausgasemissionen produziert.
So und ähnlich lauten die Äußerungen der Atomlobby, die dazu dienen sollen, die verrufene Atomkraft wieder salonfähig zu machen. "Atomkraft = Klimaschutz" ist die einfache Formel, die überall präsentiert wird. Oft genug wiederholt, entwickelt diese Schlussfolgerung ein Eigenleben und taucht in zahlreichen Diskussionen und Medien immer wieder auf. Vor der großen Gefahr des Klimawandels, dessen Existenz vor dem Hintergrund von Wirbelstürmen à la Katrina sowie Hitzewellen, Dürre- und Flutkatastrophen nicht mehr zu leugnen ist, wird die Atomkraft den politischen Entscheidungsträgern als das kleinere Übel präsentiert.
Die gefährlichste Art Strom zu erzeugen
Dem Klimawandel durch Ausbau der Atomkraft begegnen zu wollen, hieße aber, ein Risiko durch ein anderes - noch
größeres - zu ersetzen. Denn Atomkraft ist und bleibt die gefährlichste Art Strom zu erzeugen. Die Atomkraft
stellt uns vor schier unlösbare Probleme: Es gibt auf der ganzen Welt kein Endlager für den noch Millionen Jahre
strahlenden Müll. Eine radioaktive Verseuchung durch einen Atomunfall kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Verlängerung der Laufzeiten existierender Atommeiler erhöht sogar noch das Risiko von Unfällen durch
Materialermüdung. Jede weitere neu gebaute Anlage erhöht das Risiko eines atomaren Super-GAUs.
Die deutsche Regierung hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2012 im Vergleich zum Jahr 1990 21 Prozent
weniger Klimagase auszustoßen. Das noch von der rot- grünen Bundesregierung vorgelegte "Nationale
Klimaschutzprogramm" sieht eine Reduzierung der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 vor. Sollte der
CO2-Ausstoß im Strombereich innerhalb der nächsten 15 Jahre ausschließlich durch Atomenergie um
diese 40 Prozent gesenkt werden, müssten in Deutschland im gleichen Zeitraum mehr als zehn neue Atomreaktoren
gebaut werden. Noch dramatischer wird das Bild von der Enquete-Kommission gezeichnet. Angenommen,
die CO2-Emissionen sollen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden und dies
soll durch den Ausbau der Atomenergie geschehen, müssten allein in Deutschland zwischen 60 und 80
Atomkraftwerke gebaut und dauerhaft betrieben werden.
Dabei rechnen Experten schon in Frankreich, einem Land, in dem die Atomkraft wesentlich unkritischer gesehen wird als in Deutschland, mit einer Zeitspanne von neun Jahren zwischen Bauentscheidung und Inbetriebnahme eines AKW. Ähnliche Bauzeiten werden in Großbritannien angenommen, mit dem Hinweis, dass öffentliche Anhörungen und die zu beschaffende Genehmigung das Verfahren noch zusätzlich in die Länge ziehen könnten. Schon rein zeitlich kann also der Neubau von Atomkraftwerken nicht bei der Erreichung der Klimaschutzziele helfen.
Vergleichbare Situation auf internationaler Ebene
Die Diskussion um Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke oder gar eine Renaissance der Atomkraft wird
jedoch nicht nur national geführt. Mit Hinweis auf den drohenden Klimawandel wird auch international darauf
gedrungen, die Atomkraft auszubauen. Im September 2005 waren nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Agentur
IAEA weltweit 442 Atomkraftwerke mit einer Leistung von rund 370 GW[3] installiert.
Sie deckten 2,3 Prozent des weltweiten Energie- bzw. knapp 16 Prozent des weltweiten Strombedarfs ab.
Sollten bis Mitte des Jahrhunderts alle Kohle- und ein großer Teil der Gaskraftwerke durch Atomkraft
ersetzt werden, müsste der heutige AKW-Bestand um das sechsfache anwachsen. Bis 2050 müssten jährlich
Welche volkswirtschaftlichen Gefahren ein Ausbau der Atomkraft birgt, zeigt der Blick auf Brasilien und Argentinien. An dem Atomkraftwerk Atucha 2 in Argentinien wird seit 1981 gebaut. Zur Verschuldung des Landes hat das AKW bereits enorm beigetragen, zur Stromversorgung allerdings noch nichts, da es nach wie vor nicht fertig gestellt ist. Fertig geworden ist das Kraftwerk Angra 2 in Brasilien. Es ging im Jahr 2000 ans Netz, nach fast 25 Jahren Bauzeit und mit geschätzten Kosten von 7-10 Mrd. US-Dollar, womit es für annähernd 5 Prozent der brasilianischen Auslandsverschuldung verantwortlich ist.
Dies zeigt eines der gravierendsten Probleme, sofern dem Klimawandel mit Atomkraft begegnet werden sollte: Atomkraft ist extrem kapitalintensiv und eine "reaktionslahme" Großtechnologie, die auf vorhandene Stromnetze angewiesen ist. In Entwicklungsländern bindet sie Mittel, die nicht für andere, flexiblere Energieformen eingesetzt werden können. Sie kann zudem nur in Ländern zum Einsatz kommen, die bereits über ein ausgebautes Stromnetz verfügen, was bei weitem nicht in allen Entwicklungsländern der Fall ist.
Auch Uran ist endlich
Ein massiver Ausbau der Atomenergie ist aber ohnehin sinnlos, da die weltweiten Uranreserven begrenzt sind.
Uran muss z. B. aus Kanada, Südafrika, Niger oder Australien importiert werden. Vom heutigen Uran-Verbrauch
ausgehend (rund 68.000 Tonnen jährlich), reichen die Reserven noch für ungefähr 40-60 Jahre. Die heute
bekannten Uranvorräte werden also noch vor dem Jahr 2050 erschöpft sein. Würde die Atomkraft aus
Klimaschutzgründen tatsächlich massiv ausgebaut, wären die Reserven entsprechend früher am Ende.
Sollen Atomreaktoren dennoch dauerhaft betrieben werden, müssten die die Umwelt verseuchende Wiederaufarbeitung und die riskante Brütertechnologie in großem Stil ausgebaut werden. Brutreaktoren gelten jedoch selbst bei den meisten Atomlobbyisten aus sicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Gründen als gescheitert. Und auch die Wiederaufarbeitung ist keine Erfolgsgeschichte: Der britische Staat hat im März 2005 184 Mio. Pfund für die Wiederaufarbeitung in Sellafield gezahlt. Der privatisierte Betreiber der Atomkraftwerke (British Energy) konnte diese Summe selbst nicht aufbringen, ohne die eigene Wirtschaftlichkeit zu gefährden. Mit anderen Worten: Sellafield ist pleite. Gleichzeitig wurde die Anlage im April 2005 wegen eines Lecks geschlossen, die Wiederaufnahme des Betriebs ist ungewiss.
Atomkraft bindet Kapital für wirkliche Lösungen und ist nicht CO2 frei. Der Versuch, dem Klimaproblem durch Atomkraftnutzung Herr zu werden, setzt auf eine einzelne, rein "technische Lösung". Es wird eine Stromerzeugungsart gewählt, die enormes Kapital bindet und damit anderen Optionen der Energieerzeugung die Chance nimmt. Die notwendigen CO2 - Reduktionen von 80-90 % in den Industriestaaten sind nur durch ein Maßnahmenbündel zu erreichen.
Atomkraft legt die eingeschlagenen Energiepfade für sehr lange Zeiträume fest. Sie bringt nicht die Flexibilität mit, die notwendig ist, um auf die sich wandelnden Anforderungen des Klimawandels zu reagieren.
Zudem erlaubt die Nutzung von Atomkraft nur eine ungünstige Energieausbeute: Sie ist ausschließlich in großen, zentralen Anlagen möglich, in großem Abstand zu Städten. Die Nutzung der bei der Stromerzeugung entstehenden Wärme ist damit nicht möglich. Die Wärme geht verloren, der Wirkungsgrad von Anlagen liegt deshalb bei nicht mehr als etwa 33 Prozent. Deutlich bessere Wirkungsgrade können hingegen mit Blockheizkraftwerken (BHKW) erreicht werden. Diese kleinen, dezentralen Anlagen können Strom nah am Verbraucher herstellen, weshalb die entstehende Wärme direkt von Haushalten genutzt werden kann. Der Wirkungsgrad liegt damit deutlich höher und durch die Einsparung der meist fossilen Energie, die sonst zur Herstellung der Wärme benötigt wird, wird CO2 eingespart. Natürlich könnte man auch Wärme durch Strom aus Atomkraft herstellen: in den 1970er Jahren wurde dies mit Nachtspeicherheizungen bereits probiert. Diese Heizungen waren jedoch unflexibel, und Wärmeerzeugung aus Strom hat ebenfalls einen extrem schlechten Wirkungsgrad.
Die Antworten auf den Klimawandel liegen daher statt in der Atomkraft im Ausbau der Erneuerbaren Energien, in effizienteren Kraftwerken, dezentraler Stromerzeugung mit geringeren Transportverlusten, gut isolierten Gebäuden und weniger Verkehr. Im Jahr 2003 wurden in Deutschland 865 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Den größten Anteil hatte zwar die Energieerzeugung mit 385 Tonnen, als nächst größere Verschmutzungsquellen folgten aber der Verkehr mit knapp 167 und die Haushalte mit 122 Millionen Tonnen CO2.
Tatsächlich setzt die reine Erzeugung von Atomstrom kaum CO2 frei. Die Herstellung der benötigten Brennstäbe jedoch erfordert viel Energie, die keineswegs CO2-frei zu haben ist. Da ohne Brennstab kein AKW funktioniert, müssen diese Emissionen eingerechnet werden.
Würde tatsächlich die Atomkraft ausgebaut, müssten schon bald deutlich schlechtere Uranquellen ausgebeutete werden. Dies bedeutet, dass die Bereitstellung von Brennstäben noch mehr Energie benötigen und somit höhere CO2-Emissionen produzieren würde.
Zudem sind Atommeiler selbst anfällig für die Klimaveränderung: Dies zeigte der heiße Sommer 2003. Da Atomkraftwerke enorme Mengen Kühlwasser benötigen, mussten zahlreiche Reaktoren heruntergefahren oder vom Netz genommen werden: Wegen Niedrigwasser, das zudem aufgeheizt war, konnten die Kraftwerke nicht mehr ausreichend gekühlt werden. Im Süden Frankreichs konnte das Wasserdefizit der Flüsse bisher nicht ausgeglichen werden, und im Sommer 2005 stiegen dort die Temperaturen wieder in so schwindelnde Höhen, dass bereits im Juli damit gerechnet wurde, dass einige Kernkraftwerke ihre Stromerzeugung würden drosseln müssen.
Der Klimawandel gilt zu Recht als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die weitere Nutzung oder gar der Ausbau der Atomenergie wird nachweislich nicht zu einer signifikanten Minderung der CO2-Emissionen weltweit führen. Die Diskussion um die Atomkraft als Klimaretter bleibt vor allem eins: der clevere Versuch der Atomlobby, ihr Produkt wieder gesellschaftsfähig zu machen und sich die Staatskassen erneut für Subventionen zu erschließen.