Mehr Mitspracherecht in Kernenergiefragen gefordert
Quelle: Europäisches Parlament, Plenartagung vom 15.05.2007
Das Europäische Parlament plädiert für eine Überarbeitung und Konsolidierung des Euratom-Vertrages.
Dieser sei seit seiner Unterzeichnung im Jahr 1957 nur einmal geändert worden. Insbesondere kritisieren die Abgeordneten, dass das Parlament fast vollständig von der Rechtssetzung im Bereich Euratom ausgeschlossen sei. Die grundlegende Entscheidung darüber, ob ein Mitgliedstaat Kernenergie nutzt oder nicht, liege im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaates, unterstreicht das EP.
Die Parlamentarier bemängeln die fehlende Einbindung des Parlaments in die Entscheidungsfindung im Rahmen des Euratom-Vertrags und fordern eine Stärkung der Befugnisse durch die Ausdehnung des Mitentscheidungsverfahrens auf diesen Bereich. Es sei inakzeptabel, dass das Parlament fast vollständig von der Rechtssetzung im Bereich Euratom ausgeschlossen sei. Der Vorteil einer stärkeren Beteiligung des EPs liege darin, dass so mehr Transparenz erreicht werden könne.
Kernkraft wesentlich bei CO2-Einsparung
"Der Euratom-Vertrag muss die Bewältigung der zukünftigen energiepolitischen Herausforderungen möglich machen", betont Berichterstatter Eugenijus MALDEIKIS (UEN, LT). In diesem Zusammenhang weist das Parlament darauf hin, dass die Kernenergie gerade mit Blick auf CO2-Einsparungen einen wesentlichen Beitrag leisten könne. So habe die Kommission in ihrem Grünbuch "Hin zu einer europäischen Strategie der Energieversorgungssicherheit" dargelegt, dass die Kernenergie bis 2010 über 300 Millionen t CO2-Emissionen vermeiden helfen könne. Darüber hinaus habe die Kommission die Kernenergie als eine der wichtigsten CO2-freien Energiequellen in Europa bezeichnet. Die Europaabgeordneten sind aus diesem Grund und wegen der verstärkten Konkurrenz aus China und Indien der Auffassung, dass die Europäische Union unter Einhaltung des Euratom-Vertrags ihre führende industriepolitische und technologische Rolle wahren müsse. Die europäische Energiepolitik müsse angepasst und die Betriebsdauer von Kraftwerken verlängert werden.
Euratom-Vertrag unverzichtbar
Trotz seiner erheblichen Lücken bietet der Euratom-Vertrag nach Meinung des Parlaments vorläufig einen unverzichtbaren Rechtsrahmen sowohl für die Mitgliedstaaten, die ihre Nuklearwirtschaft ausbauen wollen, als auch jene, die nur rechtliche Schutzmaßnahmen wünschen. Zur umfassenden Überarbeitung soll nach Vorstellung der Abgeordneten eine Regierungskonferenz einberufen werden. Ein Fehlen dieses Rechtsrahmens würde zu einer Renationalisierung der Nuklearpolitik in Europa führen und damit möglicherweise die Rechtssicherheit für alle 27 Mitgliedstaaten beeinträchtigen, warnt das Parlament. Auch in der überarbeiteten Form soll daher das System zur Regulierung der Nuklearindustrie auf EU-Ebene erhalten bleiben. Neu hinzukommen soll ein separates Energiekapitel mit Bestimmungen zu einer "modernen und zukunftsfähigen Energiepolitik".
Seit der Unterzeichung des Euratom-Vertrages hat sich die Europäische Union zum weltweiten Marktführer im Bereich der Kernenergie und zu einem der wichtigsten Akteure der Forschung im Bereich der kontrollierten Kernspaltung entwickelt. Derzeit betreiben 15 Mitgliedstaaten insgesamt 152 Reaktoren. Auf EU-Ebene sind etwa 32 Prozent des Stroms nuklearen Ursprungs. Der Anteil der EU an der geschätzten weltweiten Gesamtproduktion von 2.470 TWh lag im Jahr 2005 mit 920 TWh bei rund einem Drittel.