Biosprit als Beitrag zum Klimaschutz
Dass er aber schwere Umweltschäden nach sich zieht, bleibt oft unerwähnt
Der Trend hin zu Bio-Treibstoffen hat Folgen, die alles andere als umweltfreundlich sind: Regenwälder werden abgeholzt und Nahrungsmittel teurer, weil Riesenflächen zum Anbau der begehrten Rohstoffe benötigt werden. "Die große Bio-Lüge", nennt das Thomas Henningsen von Greenpeace. Auch die deutsche Bundesregierung hat das Problem erkannt und will ein Kontrollsystem einführen – eine Art Bio-Siegel für so genannte Bio-Kraftstoffe. Ein Konzept zur Zertifizierung von Palmöl aus Indonesien oder Sojaöl aus Brasilien ist in Arbeit. Doch Umweltschützern reicht dies bisher nicht.
Nachwachsende Rohstoffe werden in Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern zunehmend zur Gewinnung von Strom, Wärme oder Kraftstoffen eingesetzt. Mit Förderprogrammen unterstützt die Bundesregierung dies seit einigen Jahren. Der deutsche Umweltminister Siegmar Gabriel (SPD) zog am Donnerstag eine Bilanz zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und kündigte schon mal an, dass Palmöl aus der Vergütung ausgeschlossen werden solle, so lange es kein wirksames System zur Überwachung der Produktion gebe.
weiter »
Regenwald betroffen
87 Prozent der Regenwald-Abholzung in Südostasien zwischen 1995 bis 2000 gehen den Grünen zufolge darauf zurück, dass
neue Palmöl-Plantagen angelegt wurden. Etwa ein Viertel des importierten Palmöls werde in der EU inzwischen für Strom, Wärme
oder Kraftstoffe verwendet – Tendenz steigend. Ähnlich alarmierende Berichte kommen aus Brasilien, wo neben der Ausweitung
der Zuckerrohr-Plantagen für Ethanol auch immer mehr Sojaöl in der Amazonasregion erzeugt wird. Solche Rohstoffe sind billiger
als etwa Rapsöl aus Europa.
"Goldgräberstimmung" herrsche in diesen Ländern, sagt Henningsen. "Das hat mit Bio gar nichts mehr zu tun". Es gehe vor allem darum, die Energie-Abhängigkeit zu verringern. Und so attackieren die Umweltverbände die EU-Vorgabe, den Anteil von Biosprit bis 2010 von derzeit unter fünf auf zehn Prozent zu steigern. Mit den Agrarflächen in Europa sei dies nicht zu erreichen. Auch Thorben Becker, Energiereferent beim BUND, sagt, Biomasse sei anderweitig sinnvoller einsetzbar.
Kontrollen nötig
Einig sind sich zwar alle darin, dass die Ziele bei den erneuerbaren Energien langfristig zwar richtig seien, dass Auswüchse aber nur
durch effektive Kontrollen verhindert werden könnten. Die bisher angestrebten Kriterien von Bundeslandwirtschafts- und
Bundesumweltministerium, für die es einen ersten Entwurf gibt, reichen den Umweltschützern jedenfalls nicht. Mindeststandards
nicht nur zur Verhinderung der Abholzung, sondern auch soziale Kriterien verlangen sie - etwa, dass keine Felder für Nahrungsmittel
aufgegeben werden dürften. Die Tortilla-Krise in Mexiko, wo der Preis für dieses Grundnahrungsmittel aus Mais sprunghaft
angestiegen ist, gilt als Alarmzeichen.
Wegen handelsrechtlicher Hemmnisse ist noch unklar, ob soziale Kriterien oder Kriterien zu Arbeitsstandards in das geplante Zertifizierungssystem aufgenommen werden. Jan Henke von meó consulting, einer Beratungsfirma, die zusammen mit Experten, NGOs, Produzenten und Händlern für das Bundeslandwirtschaftsministerium ein Zertifizierungskonzept ausgearbeitet hat, nennt drei zentrale Punkte: die Auswirkung auf den Regenwald und die Artenvielfalt sowie insgesamt die Treibhausgas-Bilanz des Produkts. Die Kontrolle etwa auf Plantagen vor Ort sollen zugelassene "Zertifizierer" übernehmen. Möglichst dieses Jahr soll dazu ein Pilotprojekt starten.
So lange solch ein Zertifizierungssystem aber noch nicht besteht, verlangen Umweltschützer wie Henningsen ein Moratorium beim Import der nachwachsenden Rohstoffe. Die Industrie für "Agro-Kraftstoffe" richte zu große Klimaschäden an. "Wir brauchen ein Gesamtkonzept – am besten EU- oder weltweit." An dem Punkt sind sie sich mit dem Bundesumweltministerium auch einig: Mittelfristig soll eher durch Innovationen oder Effizienz, etwa geringeren Krafstoffverbrauch, das Problem der Rohstoff-Nachfrage verringert werden.