Experten halten bis 2015 einen Ölpreis von 380 Dollar je Barrel für möglich

Noch vor drei Monaten schienen 100 Dollar unwahrscheinlich

Die Zeit niedriger Ölpreise könnte nach Einschätzung zahlreicher Experten auf lange Sicht vorbei sein. Nachdem die Ölpreise in London und New York schon wieder auf historische Rekordhöhen kletterten, kursierten dazu am Montag an der Londoner Ölbörse die wildesten Spekulationen.
Analysten mehrerer Großbanken erwarteten, dass der Preis für ein 159-Liter-Fass (Barrel) Rohöl in den USA über 65, 70 oder gar 75 Dollar klettern könnte. Die Investmentbank der französischen Sparkassen, Ixis CIB, schoss indes den Vogel ab.

"Nicht unvernünftig"
Ihre Fachleute fanden es "nicht unvernünftig", für 2015 einen Preis von 380 Dollar vorherzusehen - wobei sie zum Vergleich die Ölpreisschocks der 1970er Jahre heranzogen.
Noch vor drei Monaten hatte eine Goldman-Sachs-Prognose heftige Debatten ausgelöst, in der das Überschreiten der Marke von hundert Dollar je Barrel mittelfristig nicht ausgeschlossen wurde. Inzwischen räumte Analystin Veronica Smart von der Beratungsfirma Energy Information Centre ein, ein Barrel zu hundert Dollar "erscheint nicht mehr so unwahrscheinlich".
Kevin Norrish von Barclays Capital warnte, wenn die Nachfrage weiter in diesem Maß zulege, werde sich der Ölpreis zunächst bei 60 Dollar einpendeln und dann werde sich der Markt fragen, "ob er noch mehr steigen wird".

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Händler rechnen mit einem Anstieg des Ölpreises in diesem Jahr auf bis zu 80 Dollar je Barrel.

Der Ölpreis hat die Marke von 67 US Dollar pro Barrel überschritten, nun erwarten Experten bereits einen Anstieg auf 80 Dollar.

Der Atomstreit zwischen dem Iran mit dem Westen könnte den Ölpreis auf 80 Dollar je Barrel und mehr treiben, sagen Energieexperten. Die Verhandlungen der drei EU-Staaten Deutschland, Grossbritannien und Frankreich mit dem Iran über das Atomprogramm des Religionsstaates haben in den vergangenen Tagen an Schärfe zugenommen. Der Streit könnte vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Natioonen landen, der Sanktionen verhängen kann.

Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet für dieses Jahr mit einem globalen Nachfrageanstieg um 2 Prozent auf 83,7 Mill.Barrel, dies entspricht einem täglichen Mehrbedarf von 1,6 Mill.Barrel.

Das signalisieren die an der New York Mercantile Exchange gehandelten Optionskontrakte.
Investoren spekulieren darauf, dass die Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) nicht genügend Öl produzieren kann, um mögliche Lieferstörungen auszugleichen.

An der New York Mercantile Exchange stehen 6.900 Optionskontrakte aus, die den Käufern erlauben, Öl im Dezember zu 80 Dollar je Barrel zu kaufen. Im Januar 2005 lag der Durchschnittspreis noch bei 77 Dollar. Adam Sieminski und Michael Lewis, Strategen bei der Deutschen Bank AG, sehen eine Wahrscheinlichkeit von 21 Prozent, dass der Ölpreis 75 Dollar übersteigt, wenn der Kontrakt fällig wird.

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Teilweise ist der Ölpreisansteig auf die Sorge zurückzuführen, Irans Atompolitik könnte zu einem Konflikt mit den USA und zu Lieferunterbrechungen im Mittleren Osten führen. "Der Markt schätzt die Gefahr steigender Ölpeise jetzt höher ein als zu Jahresbeginn," sagt Sieminski. "Das Gleichgewicht am Markt ist so labil, dass Themen wie eine nukleare Konfrontation mit dem Iran die Befürchtungen erheblich verstärken, dass es zu Lieferengpässen kommt."
Die Organisation Erdöl exportierender Staaten, auf die etwa 40 Prozent der weltweiten Ölproduktion entfällt, pumpt bereits fast an ihrer Kapazitätsgrenze.

Am 27. Juni 2005 kletterte der Ölpreis auf ein Rekordhoch von 60,95 Dollar je Barrel. Das schwarze Gold hat sich in den letzten zwölf Monaten bereits um 53 Prozent verteuert. Am Montag ermäßigte sich Rohöl der Sorte Brent für den Liefertermin August an der International Petroleum Exchange in London um neun Cent auf 57,45 Dollar je Barrel. Der Ölpreis hat sich am Dienstag im asiatischen Handel wieder der Marke von 60 Dollar genähert. Ein Barrel (159 Liter) leichtes US-Öl der Sorte WTI kostete 59,15 Dollar und damit 40 Cent mehr als bei Handelsschluss am Freitag. Wegen des US-Nationalfeiertages war die Rohstoffbörse Nymex am Montag geschlossen geblieben.
Vergangene Woche hatte der Ölpreis wegen der Sorge vor Lieferengpässen mit 61 Dollar ein Rekordhoch erreicht.
"Die preistreiberische Stimmung ist noch intakt", sagte Analyst Dave Ernsberger vom Energiespezialisten Platts. Am vergangenen Freitag hatte der Ölpreis um mehr als zwei Dollar je Barrel zugelegt.
Quelle:HANDELSBLATT, Dienstag, 05. Juli 2005, 08:45 Uhr