Der Fluch der Öl-Ressourcen
Von Stefan Riecher (Die Presse) 20.04.2006
Nur selten profitiert auch die Bevölkerung vom Ölreichtum eines Landes. Am seltensten in Afrika. Eine ernüchternde Rundschau von Nigeria bis Angola.
Wenn es in Äquatorial-Guinea regnet, versinken die Bewohner der Stadt Semu knietief im Matsch. Strom ist Luxus und fällt alle paar Stunden aus. Und das, obwohl enorme Ölreserven dem westafrikanischen Staat Milliardeneinnahmen bescheren. Armut trotz Ölreichtums: ein Schicksal, das nicht nur auf Äquatorial-Guinea zutrifft. Experten nennen das Phänomen den Fluch der Ressourcen.
Vor allem afrikanische Staaten konzentrieren sich oft nur noch auf den Ölsektor und vernachlässigen die restliche heimische Produktion. Wirtschaftliche Mechanismen tun ihr Übriges dazu: "Durch die enormen Ölexporte steigt der Kurs der Landeswährung. Die stärkere Währung verbilligt die Importe und darunter leiden andere Sektoren wie die Landwirtschaft", sagt Joachim Becker, Afrika-Experte am Institut für Entwicklungsökonomie an der WU-Wien zur "Presse". So auch passiert in Nigeria, das über 34 Milliarden Barrel an Ölreserven verfügt. Damit zählt der westafrikanische Staat zu den Top Ten weltweit. Doch trotz des vermeintlichen Reichtums leben zwei Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.
Das muss freilich nicht so sein, wie man am Beispiel Norwegen sieht. "Der Ölreichtum wurde dort langfristig positiv genutzt. In afrikanischen Staaten sind die Planungen oft viel zu kurzfristig", so Becker. Ein besonderes Problem stelle auch die Rolle ausländischer Investoren in den Ölparadiesen dar. "Große Ölfirmen sind nicht an Demokratisierung interessiert, solange die Regierung halbwegs stabil ist", sagt der Ökonom.
Dies gilt besonders für Äquatorial-Guinea. Das Petro-Regime will den plötzlichen Reichtum nicht mit dem Volk teilen. Der kleine westafrikanische Staat hat zwar weltweit das zweithöchste BIP pro Kopf und das größte BIP-Wachstum. Doch diese Zahlen täuschen. Die Arbeitslosenrate liegt jenseits von 30 Prozent, drei Viertel der Bevölkerung leben in extremer Armut. Korruption und Misswirtschaft führten zur Einstellung von Finanzhilfeprogrammen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds. Kein Wunder, dass Präsident Mbasogo seinen Einwohnern nicht mehr trauen kann. Bewachen lässt er sich von einer marokkanischen Leibgarde.
Das extremste Beispiel für Korruption durch das autoritäre Regime findet sich in Angola. Für die Jahre 1997-2002 kann die Regierung für jährlich 700 Mill. US-Dollar aus Öleinnahmen keine Rechenschaft ablegen. Das Geld ist einfach "verschwunden".
Im Tschad wollte die Weltbank sicherstellen, dass die Öleinnahmen transparent verwendet werden. Als Hebel sollte die Finanzierung eines vier Milliarden teuren Pipeline-Projekts dienen. Seit Juni 2003 floss Öl vom Tschad durch Kamerun bis an die Atlantik-Küste. Und es flossen auch reichlich Hilfsgelder. Doch vergangenen Jänner musste die Weltbank ihre Zahlungen stoppen: Tschads Regierung hatte die Öl-Einnahmen entgegen der Auflagen nicht dafür verwendet, die Armut zu bekämpfen. Es hatte Öl in Waffen verwandelt.