Sonnenstrom aus der Sahara
(c) solarmillenium ag; Artikel von Irm Pontenagel, Geschäftsführerin EUROSOLAR

Zum Unterschied von Kosten und Preisen

Die Idee mitteleuropäische Versorgung mit Erneuerbaren Energien in erster Linie über solare Großkraftwerke und großangelegte Windparks in Nordafrika zu organisieren, wird von einigen Möchtegern-Verfechtern Erneuerbarer Energien euphorisch diskutiert. Sie wird damit begründet, dass die höhere Sonneneinstrahlung und eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 11 - 12 m/sec an der nordafrikanischen Atlantikküste einen erheblichen Kostenvorteil im Verhältnis zum in Mitteleuropa produzierten Strom habe.

Dieser Kostenvorteil würde selbst dann noch verbleiben, wenn der dafür notwendige Bau einiger tausend Kilometer neuer Gleichstrom-Übertragungsleitungen in Rechnung gestellt wird, z.B. über den Nahen Osten oder über die Straße von Gibraltar nach Mitteleuropa.

Es konnte nicht ausbleiben, dass diese Idee von Stromkonzernen wie von Politikern gegen eine dezentrale Produktion von Solar- und Windstrom in Mitteleuropa ausgespielt wird.

Aktuell hat sich EnBW-Chef Claassen dafür stark gemacht und gleichzeitig den Ausbau der Solar- und Windstrompotentiale in Deutschland auf der Basis des EEG eine Absage erteilt. Schon immer waren den Stromkonzernen die dezentralen Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ein Dorn im Auge. Mit der Sahara-Konzeption und dem Votum für vermeintlich billiger anzubietende Erneuerbare Energien haben sie ein Argument, ihren Widerstand gegen das EEG zu begründen, im Deckmantel "effizienterer" Nutzung der Solarenergie. Sie sehen darin die Chance, ihre Rolle als Angebotsmonopolisten zu behalten. Sie könnten damit diese Rolle sogar weiter ausbauen. Mit Großkraftwerken in der Sahara und mit einer gleichzeitigen Trägerschaft des dafür erforderlichen Übertragungsnetzes könnten sie sogar von der heutigen zentralisierten Energieversorgung zu einer superzentralisierten kommen.

Ob die Realisierung eines solchen Konzepts tatsächlich zu einer kostengünstigeren Solar- und Windstromversorgung führt, sei dahingestellt. Zweifel sind durchaus angebracht. Auch die vielen Vorschläge der letzten Jahre, Windstrom doch lieber "off-shore" zu produzieren, erwiesen sich als zu optimistisch gerechnet.

Sahara-Bauer

Zu sehr hat man nur die höheren Produktionserträge im Blick und unterschätzt Kosten für Fundamentierung, Installation, Wartung und zusätzlichen Leitungsbau. Auch die politischen Risiken der Energieabhängigkeit werden unterschätzt. Aber selbst wenn die Niedrigkostenkalkulation für Solar- und Windstrom aus Nordafrika stimmen würde, ist die These nicht aufrechtzuerhalten, dass dadurch der Strom für die mitteleuropäischen Verbraucher billiger würde. Die Verfechter dieses Konzepts setzen nämlich niedrigere Bereitstellungskosten mit niedrigeren Preisen für die Verbraucher gleich. Ein Blick auf die vier deutschen Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall beweist das Gegenteil. Sie haben nahezu 80 % der gegenwärtigen deutschen Stromproduktion und 100 % des Übertragungsnetzes in der Hand, was ihnen allein im Jahr 2006 einen Gewinn von 17 Mrd. € einbrachte. Warum soll sich ein Stromkonzern anders verhalten, wenn er statt Strom aus Großkraftwerken in Deutschland künftig den Strom aus Solar- und Windkraftkomplexen in Nordafrika liefert?

Der Widerstand gegen Solar- und Windkraftanlagen in Deutschland wurde immer mit Kosten zu Lasten der Verbraucher begründet. In Wahrheit ging es ihnen aber nur darum, ihr Anbietermonopol zu verteidigen, da sich Solar- und Windstrom in Mitteleuropa nur dezentral produzieren lässt und damit zum Handlungsfeld vieler unabhängiger Betreiber und von Stadtwerken wird. Billigstromangebote von Solar- und Windstrom aus Nordafrika, geliefert von Angebotsmonopolisten, dürften ein Wunschtraum sein, denn es wäre ein Novum in der Wirtschaftsgeschichte, dass ein Monopolist nur kostendeckende Preise verlangt.

Auch sonst gibt es gegen das Konzept wesentliche Einwände. Wie lange soll es dauern, bis dieses theoretische Konzept realisiert wird? Zehn oder 20 oder mehr Jahre? Soll noch weitere Zeit für den Energiewechsel verspielt werden? Warum steht in Nordafrika noch kein Solarkraftwerk, während in Deutschland bereits 3.000 MW Photovoltaikanlagen und 21.000 MW Windkraftanlagen installiert sind? Soll man etwa die durch dezentrale Erzeugung hierzulande erreichbare Energieautonomie in den Wind schreiben, samt der volks- und regionalwirtschaftlichen Vorteile durch entsprechende Wertschöpfung? Soll die Chance für eine breite Eigentumsstreuung in der Stromproduktion für wertlos erklärt werden?

Große Solar- und Windstromanlagen in Nordafrika und im Nahen Osten sollten unbedingt gebaut werden: für den Energiebedarf dieser Länder und ihre wachsenden Städte wie Rabat, Algier, Tunis, Kairo oder Damaskus. Marokko, auf dessen Windenergiepotenzial das Auge geworfen wird, importiert heute 97 % seines Energiebedarfs. Und Kairo, mit über 15 Mio. Einwohnern, wird bis heute ohne Solar- oder Windstrom versorgt - trotz der üppigen Solar- und Windangebote in der unmittelbar benachbarten Wüste. Zur europäischen Energieversorgung reicht der Mix aus Erneuerbaren Energien von unseren Küsten, Dächern, Gewässern und Feldern mit darauf bezogenem Energiemanagement und neuen Speicherformen. Die vielen regionalen 100%-Initiativen für Erneuerbare Energien sind dazu die praktischen Vorbilder.

Es ist verkürzt, allein die technischen Bereitstellungskosten zum Maßstab von Einführungskonzepten zu machen. Die Energiewirtschaft hatte vorwiegend andere Gründe, in erster Linie den des Erhalts ihrer Strukturmacht.