Ein Energie-Gigant
muss nicht zwingend die beste Lösung sein
von DI Helmut Waltner (14.08.2006)
Die österreichische Stromlösung ist vorerst gescheitert, das selbe gilt für die Verbindung der Verbundgesellschaft mit der OMV.
Und jetzt schicken sich die hierzulande engagierten ausländischen Energie-Riesen mit Ausnahme von EVN-Aktionär EnBW Baden-Württemberg an, aus
Österreich wieder abzuziehen:
Die französische Electricité de France (EdF) ist entschlossen, ihre Sperrminorität am steirischen Landesversorger Energie Steiermark (Estag) zu
verkaufen und die deutsche RWE hat signalisiert, auf ihrer Beteiligung an der Kärntner Kelag keinen Wert mehr zu legen.
Ein Ausweg aus dem österreichischen Strom-Dilemma zeichnet sich bereits ab: In beiden Fällen bietet Verbund-Chef Hans Haider Hilfestellung an.
Der Verbund - um exakt zu sein: die Österreichische Elektrizitätswirtschafts AG - schickt sich also an, Schritt für Schritt zu einem wettbewerbsfähigen
Wasserkraftkonzern, wenn geht mit europäischer Dimension, zu werden. Auch wenn dies mit Liberalisierung herzlich wenig zu tun hat - nichts Böses ist.
Es bestehen jedoch gegenseitige Beteiligungen zwischen Verbund und Landesgesellschaften. Am Verbund, der zu 51 Prozent der Republik
gehört, sind EVN, Tiwag und Wienstrom beteiligt. Obendrein existieren diverse Verflechtungen auch zwischen den Landesgesellschaften - etwa der
Energie AG Oberösterreich und der Salzburg AG; oder zwischen der Wien Energie und der Burgenland Holding bzw. der EVN und den Burgenländern.
Auch wenn für die Landespolitiker stets ihre eigenen Interessen (Einflussnahme auf die Energiewirtschaft in ihrem Bundesland) im
Vordergrund stehen, die Chancen für eine dominante Verbundgesellschaft sind mittelfristig nicht schlecht - vielleicht ist das sogar gut für das Land.
Wenn aber nun demnächst, wie von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein angekündigt, ein zweiter Anlauf für eine Verschmelzung dieses rot-weiss-roten
Strom-Riesen mit dem Ölkonzern OMV unternommen wird, dann entstünde eine Art österreichischer Energie-Monopolist von gigantischer Statur.
Dieser hätte dann die absolute Diktatur über die Energiepreise und das ist das Böse.
Die Sinnhaftigkeit einer Fusion zwischen Verbund und OMV wäre daher noch sorgfältig zu überprüfen.
Länder planen neuen "Angriff"
Nach dem geplatzten OMV-Verbund-Deal wird nun um die "Österreichische Stromlösung" gebangt.
Der Vertrag ist noch nicht unterzeichnet.
wien (SN-w.sch).
Die "Österreichische Stromlösung" (ÖSL), die Kooperation zwischen Verbund und EnergieAllianz (EVN, WienEnergie, Bewag) war sowohl von Verbund als auch OMV als "gute Lösung" gepriesen worden. Als es erste Anzeichen gab, dass die Fusion von OMV und Verbund auf den Widerstand der Länder stoßen könnte, hatte Verbund-Chef Hans Haider gedroht: Wenn die Verbund-Aktionäre EVN und WienEnergie die Fusion torpedierten, komme keine ÖSL zu Stande. EVN und WienEnergie hätten sich bei den Endverhandlungen zur ÖSL schriftlich dazu bekannt, dass Strukturveränderungen in der E-Wirtschaft "möglich sein müssen".
Offen ist nun, ob der Verbund die Drohung wahr macht und die ÖSL-Umsetzung zumindest auf die lange Bank schiebt. Der Vertrag ist juristisch auf Punkt und Beistrich ausformuliert. Was fehlt, ist ein abschließendes Gespräch zwischen dem Management der Verbundgesellschaft und der EnergieAllianz (EA). Von einem konkreten Termin war jedenfalls am Montag noch nichts bekannt. Erst dann könnte die ÖSL abermals in Brüssel der EU-Wettbewerbsbehörde zur Genehmigung vorgelegt wird. Dass der Verbund allzu große Eile an den Tag legt, darf nach dem geplatzten Deal mit der OMV und bezweifelt werden. Niederösterreichs Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka (VP), politisch für den Landesversorger EVN zuständig, goss am Monat jedenfalls Öl ins Feuer: Er forderte Verbund-General Haider unverblümt zum Rücktritt auf.
Haiders Vertrag endet am 10. Mai 2007, exakt zum 65. Geburtstag des Verbund-Chefs und kann nicht mehr verlängert werden. Beim
Energieriesen OMV-Verbund wäre Haider neben OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer zweiter Generaldirektor geworden. Der ÖSL-Chefverhandler der
EA, EVN-Vorstandssprecher Burkhard Hofer, hatte noch im April gehofft, dass die Genehmigung aus Brüssel bis "Ende Juni" kommen werde und
man die österreichische EU-Ratspräsidentschaft entsprechend nutzen könne. Dabei beschränkt sich die ÖSL nach dem Ausscheren der
oberösterreichischen Energieversorger EAG und Linz AG aus der EnergieAllianz nur noch auf den "Energie-Ostblock" Wien, Niederösterreich und
Burgenland.
Verbund und EA wollen ihre Handelshäuser APT (Verbund) und e & s neu (EA) verschränken. In Stufe eins soll es jeweils
eine 25-prozentige, in Stufe zwei eine 33-prozentige Beteiligung geben.
Sobotka schlug einen Deal im Bereich der Wasserkraftwerke vor: "Sollen sie uns für unseren Wertanteil am Verbund Donaukraftwerke geben, ich bin zu jedem Gegengeschäft bereit." Wien und Niederösterreich würden im Gegenwert für ihre Verbund-Anteile "fast alle" Laufkraftwerke bekommen.
Der Einstieg des Verbunds bei der oberösterreichischen EAG ist in Stufe zwei eine Option - freilich bahnt
sich auch konkret eine "Westachse" zwischen Oberösterreich, Salzburg und Tirol an. Die Tiwag könnte bei der EAG einsteigen, die Einbindung der
Salzburg AG wird überlegt.
Für die Zeit nach der Nationalratswahl werden mehrere Varianten diskutiert. So könnte, heißt es die "ÖSL neu" um eine
Südachse (Steiermark, Kärnten) erweitert werden, gemeinsame Kraftwerksprojekte im In- und Ausland könnten gestartet werden. Auch könnten
Landesgesellschaften doch stärker beim Verbund einsteigen: 25 Prozent plus eine Aktie als Sperrminorität der Republik plus Anteile der Länder, womit
die Mehrheit der öffentlichen Hand von 51 Prozent gesichert wäre. Dem Finanzminister würde dies rund drei Mrd. Euro in die Staatskasse spülen.
Unter einer neuen Regierung soll die Struktur der Strombranche grundlegend geändert werden.
von Peter Schiefer (Die Presse) 17.10.2006
Es vergingen nur wenige Tage nach den Parlamentswahlen in Österreich, bis die ersten Vertreter großer Investmentbanken zu ersten Sondierungsgesprächen nach Österreich geladen wurden. Die Finanzexperten aus London und Frankfurt sind besorgt, dass Österreich seine Privatisierungspolitik nicht mehr weiter fortsetzen wird - dabei geht es für die Banken um große Aufträge. Mit dieser Sorge dürfte die Investmentbanker auch richtig liegen. Allerdings dürften sie dennoch genug zu tun haben. Insbesondere in der heimischen E-Wirtschaft werden wieder größere Umbaupläne vorangetrieben. Dabei stehen die Signale auf mehr Staat und weniger privat, wie die Banker zu hören bekamen.
Insbesondere die Landesversorger aus Niederösterreich und Wien wurden schon bei den vermutlich künftigen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP
vorstellig. Sie wittern eine neue Chance, den mit wertvollen Wasserkraftwerken ausgestatteten Verbund unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Experten
des internationalen Investmentbank Lehman Brothers sollen sich Gerüchten zufolge bereits den Kopf zerbrechen, wie das funktionieren könnte.
Nach derzeitigem Stand der Dinge versuchen EVN und Wien Energie der Republik ein Syndikat schmackhaft zu machen. Dem Plan zufolge soll sich der
Bund beim Verbund von derzeit 51 auf 25 Prozent zurückziehen. Dieser Anteil soll mit den Aktien von EVN und Wien Energie (knapp 27 Prozent) syndiziert
werden. Das würde heißen, das Stimmverhalten in den Gremien würde aufeinander abgestimmt.
Vorbild ist die OMV, bei der ÖIAG und die
Investmentholding IPIC aus Abu Dhabi ein Syndikat gebildet haben. Im Verbund käme das Syndikat auch dem Gesetz nach, das eine öffentliche
Mehrheit an Stromkonzernen vorschreibt. Gleichzeitig würde auch dem ÖVP-Wunsch nach weiteren Privatisierungen entsprochen. Zudem würde der
Verbund-Widerstand gegen die geplante Vertriebsallianz ("Österreichische Stromlösung") mit den Niederösterreichern und Wienern wohl endgültig
gebrochen. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass der Vertrag von Verbund-Chef Hans Haider nicht verlängert wird. Was dem Vernehmen nach hinter den
Kulissen auch intensiv betrieben wird. Haider gilt als harter Kritiker der Strom-Lösung, der Verbund ärgert zudem Wien Energie und EVN mit Diskont-Tarifen.
Beim für Energiefragen zuständigen Wirtschaftsministerium will man von all diesen Überlegungen nichts wissen. Allerdings wird das Wirtschaftsministerium nicht an den Koalitionsgesprächen für "Infrastruktur", wozu auch die E-Wirtschaft zählen soll, teilnehmen.
Die betroffenen Unternehmen wollten ebenfalls keinen Kommentar abgeben. Einzig die Wien Energie weist derartige Überlegungen als "nicht realistisch" zurück.
Kein Wunder, dass die Wiener davon nichts wissen wollen. Der vergleichsweise ertragsschwache Versorger wird nach Ansicht von Branchenkennern
und Investmentbanken eher früher als später einen Partner brauchen, weil den Wienern der Wettbewerbsdruck in der heimischen Strombranche
zusehends zusetzt.
Das Problem der Wiener: Sie bedienen zwar einen lukrativen Markt, allerdings aufgrund des dichten Netzes auch einen schwer
umkämpften. Zudem sind knapp 80 Prozent der Mitarbeiter pragmatisiert. Kostensenkungen sind also schwierig zu bewerkstelligen.
Als Alternative zu diesem Plan gilt die Schaffung einer Art "Energie-ÖIAG", in die die öffentlichen Anteile an Verbund, EVN und Wien Energie
eingebracht werden. Auch weitere Landesversorger könnten an diese "Energie-ÖIAG" angedockt werden.
Der Unterschied gegenüber Variante eins:
Der Bund hätte, weil der Verbund ist doppelt so groß wie die beiden Junior-Partner, das Sagen, die Länder müssten sich mit einer Minderheitsrolle abfinden.
Doch die Länder wollen ihren Einfluss auf die E-Wirtschaft keineswegs aufgeben, wie schon der Widerstand gegen die geplante Abschaffung der
Staatsmehrheit im Zuge der gescheiterten OMV/Verbund-Fusion gezeigt hat.