Blackout
Millionen im Dunkeln
Am 3.Februar 2003 sitzen in Algerien nach dem Zusammenbruch eines Kraftwerks mehr als 30 Millionen
Menschen im Dunklen.
Der größte Stromausfall in der Geschichte Nordamerikas legte am 14. August 2003 New York,
Toronto und andere Metropolen mehr als
Zwei Wochen später stürzt ein Stromausfall London in ein Chaos. Am 23.September 2003 legte ein black-out Teile von Dänemark und Schweden lahm. Fünf Tage später fällt wegen eines technischen Defekts fast in ganz Italien der Strom aus, fünf Menschen kamen dabei ums Leben.
Österreich schrammte am 27.August wegen einer plötzlichen Überlastung des Hochspannungsnetzes nur knapp an einem Strom-Gau vorbei.
Und das letzte blackout
Im europäischen Hochspannungsnetz kam es am 04.11.2006 ab 22:10 Uhr zu Störungen in der Stromversorgung, die
das ganze zusammengeschaltete Netz (UCTE) – das sich von Portugal bis Polen und von Dänemark bis
Griechenland erstreckt – umfaßte. Mit diesem Netz werden ca. 450 Mio. Menschen versorgt. Von diesem
Blackout waren bis zu 10 Mio. Menschen betroffen, davon waren ca. 50.000 Haushalte in Österreich ohne Strom
Die größten Stromausfälle
Städte versinken in Dunkelheit, Züge bleiben stehen, Computer stürzen ab - Stromausfälle versetzen oft ganze Regionen mit Millionen von Menschen in den Ausnahmezustand. Experten halten das deutsche Stromnetz zwar für eines der sichersten der Welt, dennoch kommt es auch hier immer wieder zu "Blackouts".
Ende November 2005 knickten nach einem plötzlichen Wintereinbruch mehr als 80 Strommasten im Münsterland um. Zeitweise waren mehr als 250 000 Menschen von der Versorgung abgeschnitten, Tausende saßen tagelang im Dunkeln. Am 2. September 2004 kam es zum bis dahin größten deutschen Nachkriegs-Störfall. Rund eine Million Menschen in Rheinland-Pfalz und Luxemberg waren betroffen. Als Auslöser gilt ein Kurzschluss. In Gütersloh verursachte ein Sabotageakt am 21. Dezember 2003 einen Stromausfall, der sich auf rund 300.000 Menschen auswirkte.
Im Ausland erreichen Stromausfälle oft weit größere Dimensionen.
Russlands Hauptstadt Moskau erlebte
am 25. Mai 2005 den größten Stromausfall seiner Geschichte. Es herrschten teils chaotische Zustände.
Vom bisher größten "Blackout" am 14. August 2003 waren mehr als 50 Millionen Menschen in den USA und Kanada
betroffen. Zeitweise wurden mehr als 100 Kraftwerke abgeschaltet. Als Ursachen gelten Computerfehler
und ein altes Netz.
Der Blackout in New York am 13. Juli 1977 erreichte traurige Bekanntheit durch massive Plünderungen.
Der schwere Stromausfall in Nordwesten der USA und Kanadas im November 1965 traf rund 25 Millionen Menschen.
Das italienische Stromnetz gilt europaweit als anfällig. Am 28. September 2003 waren 56 Millionen Italiener ohne Strom. Auslöser war der Ausfall von zwei Schweizer Hochspannungsleitungen.
Nach Angaben des Verbands der Netzbetreiber fiel für den Stromkunden in Italien im Jahr 2004 durchschnittlich für 180 Minuten der Strom aus. Schlusslichter im europäischen Vergleich sind Polen und Portugal mit 300 Minuten. Deutschland hat mit 23 Minuten die geringsten Ausfallszeiten.
weiterDer Stromausfall in den USA
Es dauerte nicht ganz drei Minuten, um große Teile der US-Ostküste nachhaltig lahm zu
legen, aber es brauchte länger als einen Tag, um das Stromnetz wieder in Gang zu bringen. Gemeinhin wird
so etwas eine blamable Unfähigkeit genannt, gerade wenn dies der technologischen Supermacht USA passiert.
Bill Richardson, Energieminister unter Bill Clinton und heute Gouverneur des Staates New Mexico, brachte es
exakt auf den Punkt: Die USA seien eine bedeutende Supermacht mit einem Stromnetz der Dritten Welt. Auch
das quälend lange Suchen nach der eigentlichen Fehlerquelle spricht nicht für die
Problemlösungskapazitäten amerikanischer Techniker.
Seit der Deregulierung der US-Stromversorgung in den späten 90er-Jahren wurden die privaten Stromfirmen radikal auf Gewinnmaximierung getrimmt. Der Kampf um Marktanteile entfachte einen knallharten Preiskrieg. Dies führte wiederum zu Finanzproblemen bei den Stromfirmen und verhinderte, dass die Netzbetreiber in ihre eigenen Stromnetze investierten. Diese Kosten konnte und wollte sich niemand mehr leisten, und heute fehlt es an Starkstromleitungen, die die Stromengpässe ausgleichen könnten. Denn in den letzten zehn Jahren wuchs der US-Stromverbrauch um satte 30 Prozent, die Leitungskapazität jedoch nur um 15 Prozent. Auch die Nachrüstung der Leitungen ist für die Stromlieferanten schwer möglich: Kaum werden eine Starkstromleitung oder ein neues Kraftwerk geplant, machen kampferprobte Bürgerinitiativen dagegen mobil. Mit weiteren Stromausfällen kann also gerechnet werden.
Es mag für europäische Ohren beruhigend klingen, dass derartige Stromausfälle auf dem alten Kontinent derzeit nicht möglich sind, wie Experten versprechen. Das Stromverbundsystem, dem ganz Europa angehört, verhindert solche Debakel. Außerdem verbrauchen wir Europäer weniger Energie als die Amerikaner. Aber wir holen täglich ein wenig auf.
weiterStromausfall in Italien
von Wolf von Fabek
Ein Baum fällt in der Schweiz auf eine Hochspannungsleitung und in der Folge ist ganz Italien ohne Strom! Versorgungssicherheit wird zum öffentlichen Thema. Die deutschen Stromversorger machten unmittelbar nach dem italienischen Blackout darauf aufmerksam, daß für Deutschland keine Gefahr bestanden hätte, daß aber in zehn Jahren 40.000 MW Kraftwerkskapazität erneuert werden müssten. Sie suggerieren damit, daß ausschließlich mit der bisherigen Kraftwerksstruktur die Versorgungssicherheit erhalten werden könne.
Wie mag es wohl um die Sicherheit der Stromversorgung bestellt sein, wenn später einmal wetterabhängige
Wind- und Solaranlagen die Stromversorgung übernehmen, fragen uns nun selbst Freunde der Erneuerbaren
Energien.
Werden wir dann vielleicht alle paar Wochen im Dunkeln sitzen?
Um diese Frage kompetent beantworten zu können, müssen wir uns zunächst einmal mit den
Ursachen für die Zusammenbrüche befassen und dann überzeugend darstellen, ob und wie diese
Ursachen bei einer zukünftigen Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien vermieden werden können.
Ablauf der Ereignisse
Bevor es in den frühen Morgenstunden des 28. September 2003 zum Stromausfall in Italien und kurzeitig
auch in einigen südlichen Regionen der Schweiz kam, waren die Transitleitungen Nord-Süd durch die
Schweiz sehr stark belastet. Die Leitungen von Frankreich nach Italien waren zu diesem Zeitpunkt jedoch, wie
schon öfters während der Nächte vorher, physikalisch nicht ausgelastet.
Um 03:01 fiel eine wichtige Nord-Süd-Transitleitung, die Lukmanier-Leitung, nach einem Lichtbogen
zwischen einem Leiterseil und einem Baum aus. Sodann verteilte sich der Strom nach den Gesetzen der
Physik neu und belastete eine weitere Nord-Süd-Transitleitung, die San Bernardino-Leitung, mit ca. 110%.
Nach erfolglosen Einschaltversuchen der ausgefallenen Lukmanier-Leitung durch ATEL kontaktierte ETRANS als
verantwortlicher Schweizer Netzbetreiber um 03:11 telefonisch die italienische Netzbetreiberin GRTN.
Dieser wurde mitgeteilt, vorerst die bestehende ungeplante Import - abweichung von ca. 300 MW zu
korrigieren, um damit die Überlastung der San Bernardino-Leitung auf ca. 100% zu reduzieren.
ETRANS folgte dabei einer internen Checkliste. Die Importabweichung wurde von GRTN erst um 03:21, d.h.
nach 10 Minuten, korrigiert.
Der nächste Schritt der ETRANS wäre gewesen, weiterhin bestehende grosse Transitströme durch die Schweiz mit
Anweisungen an GRTN und den französischen Netzbetreiber RTE zu reduzieren.
GRTN hätte Pumpen von Pumpspeicherkraftwerken abschalten sollen. RTE hätte die Erzeugung in der
französischen Regelzone wie in anderen Regelzonen mit grossen französischen Exportkapazitäten neu disponieren
müssen. Ziel wäre gewesen, die Transitströme durch die Schweiz so weit zu
reduzieren, dass man die Lukmanier-Leitung wieder hätte einschalten können.
Dazu kam es aber nicht mehr, da um 03:25 ein Erdschluss auf der San Bernardino-Leitung zur Abschaltung auch
dieser Leitung führte. Anschliessend folgte, möglicherweise verursacht durch ungenügende präventive
Stabilitätsmassnahmen bei GRTN, ein kaskadenartiger Ausfall weiterer Grenzleitungen nach Italien.
Nach dem anschliessenden Ausfall von Kraftwerken in Italien brachen dort Spannung und Frequenz
zusammen, was um 03:27 zum Stromausfall in ganz Italien führte.
Wichtig für das Verständnis ist folgende Grundtatsache:
Aus physikalischen Gründen können die Verbraucher insgesamt nicht mehr Strom verbrauchen als
jeweils im gleichen Augenblick in allen Kraftwerken insgesamt erzeugt wird. Versuchen sie es trotzdem,
geht die Spannung im Netz herunter, die Elektrogeräte verbrauchen infolgedessen weniger Strom
(der Verbraucher merkt es bisweilen an einem Nachlassen der elektrischen Beleuchtung) und es entsteht
ein neues Gleichgewicht zwischen dem zwangsweise unmerklich verminderten Stromverbrauch und der vorher nicht
ganz ausreichenden Stromerzeugung. In geringen Grenzen kommen solche kleinen Spannungsänderungen
ständig vor und werden möglichst rasch durch eine Erhöhung oder Verringerung der Erzeugerleistung
wieder ausgeglichen. Erst wenn die Erzeugerleistung so weit abnimmt, daß bestimmte Spannungswerte im
Netz unterschritten werden, kann es dramatisch werden.
Nehmen wir also an, daß plötzlich und unvorhergesehen eine Übertragungsleitung unterbrochen wird, über welche Importstrom in ein Land fließt, dessen eigene Kraftwerkskapazität im Moment des Ereignisses nicht ganz ausreicht. Die zweckmäßigste Reaktion wäre hier ein Abschalten aller nicht-lebenswichtigen Elektrogeräte. Es ließen sich durchaus Automaten einbauen, die dies automatisch auf ein geeignetes Rundsteuersignal hin durchführen würden, doch diese Lösung ist nicht vorgesehen. Die Stromwirtschaft wirbt ja sogar im Gegenteil damit, daß sie immer die benötigte elektrische Leistung zur Verfügung stellen wird.
So entsteht also plötzlich durch den Ausfall des Importstroms ein heftiges Defizit im Stromangebot
gegenüber der Nachfrage. Dieses Defizit führt nun aber nicht im ganzen Land - wie weiter oben
beschrieben - zum schlagartigen Absinken der Spannung etwa auf die Hälfte oder so, also auf ein neues
Gleichgewicht zwischen Stromangebot und Stromnachfrage. Ein solches Gleichgewicht wäre zwar theoretisch
möglich und auch technisch verwirklichbar, doch tolerieren die Verbraucher keine dunkelgelb glimmenden
Beleuchtungskörper, hängenbleibende Bohrmaschinen und andere Unerträglichkeiten, wie sie in
Kriegs- und Katastrophenfällen an der Tagesordnung waren und sind.
Es kann dabei ja sogar zu Defekten an einigen Geräten kommen. Deshalb wird nach der geltenden
Sicherheitsphilosophie lieber eine "saubere" Abschaltung vorgenommen.
Wie kann es zu einem landesweiten Stromausfall kommen?
Obwohl sich elektrischer Strom fast mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, nimmt das Stromangebot nicht schlagartig
im ganzen Land ab; es wird also nicht sofort dunkel. Diese kurze Gnadenfrist wird durch die Momentanreserve
ermöglicht, die aus den Schwungmassen der rotierenden Generatoren in den großen Kraftwerken stammt.
Wenn den rotierenden Generatoren mehr elektrische Energie entnommen wird, als ihnen an Antriebsenergie
zugeführt wird, nutzen sie ihren "Schwung" (gespeicherte kinetische Energie) aus, der in zusätzliche
elektrische Energie umgewandelt wird.Sie können also für Sekunden eine höhere elektrische
Leistung abgeben als ihre Dauerleistung. Natürlich werden sie dabei langsamer und damit sinkt auch die
Frequenz des von ihnen erzeugten Drehstroms.
Dies ist das auffälligste Alarmsignal und deutet daraufhin, daß eine Trennung des Netzes vom
großen Europäischen Verbundnetz stattgefunden hat, dessen Frequenz sich nur bei der
Gefahr eines gesamteuropäischen Blackouts ändern würde.
Jetzt bleiben nur noch Sekunden für eine gezielte Gegenreaktion. Nach einem Alarmplan muß
vollautomatisch die Sekundenreserve mobilisiert werden:
Ein oder mehrere Dampfkraftwerke, deren volle Leistung bis dahin nicht benötigt wurde, werden immer
"angedrosselt" betrieben. Das heißt: die Heizkessel stehen wohl unter Druck, den Generatoren wird
aber keine bzw. nicht die volle Dampfleistung zugeführt.
Ihre Drosselung wird jetzt blitzschnell geöffnet und die Generatoren erhalten die volle Dampfleistung,
können also ohne zeitraubenden Anheizvorgang mehr Leistung liefern.
Gleichzeitig öffnen sich die Schieber der riesigen Pumpspeicherkraftwerke, deren obere Becken natürlich
gefüllt sein müssen. Jetzt rauschen große Wassermengen durch die Fallrohre und treiben dort
die Turbinen an, deren Generatoren nun ebenfalls das Stromangebot ausgleichen.
weiter
So wird Zeit gewonnen, in der eines oder mehrere der bisher nicht benötigten Mittellastkraftwerke angeheizt werden können, und in der auf jeden Fall die defekte Hochspannungsleitung repariert werden muß. Wenn aber die hier geschilderte Vorsorge nicht getroffen wurde, hilft nur noch die Zwangsabschaltung einer angemessenen Zahl von Verbrauchern, möglicherweise einer ganzen Provinz, um den weiteren Rückgang von Spannung und Frequenz sowie den landesweiten Blackout zu verhindern.
Doch offenbar ist man darauf nicht vorbereitet gewesen. So bleiben nur noch die automatischen Sicherungssysteme der Kraftwerke des Landes, die jetzt eine "Entscheidung" treffen. Wenn Spannung oder Frequenz einen zugelassenen Mindestwert unterschreiten, trennen sie das ganze Kraftwerk vom Netz und stellen die weitere Brennstoffzufuhr ab. Der ungenutzte Kesseldruck entweicht zischend als Dampfwolke durch die Sicherheitsventile und das Kraftwerkspersonal ahnt, daß in den nächsten Stunden oder Tagen eine Menge Arbeit zum Wiederanfahren der Anlage bevorsteht.
Der Dominoeffekt
Wenn das erste Kraftwerk automatisch vom Netz gegangen ist, wird nun das Ungleichgewicht zwischen
Stromangebot und Stromnachfrage noch schlimmer, ist der landesweite Zusammenbruch nicht mehr aufzuhalten.
Landesweit sinken Spannung und Frequenz noch schneller ab und immer mehr Kraftwerke gehen vom Netz. Wie bei
dem Spiel mit den senkrecht stehenden Dominosteinen reißt der erste umkippende Stein alle anderen mit.
Ein rasches Wiedereinschalten der Kraftwerke nach der erfolgten Reparatur des auslösenden Leitungsdefekts
ist zunächst ausgeschlossen, weil die überwiegende Mehrheit der Stromverbraucher ihre
Elektrogeräte nicht ausschaltet und jedem Kraftwerk, welches alleine den Versuch eines Neustarts wagen
würde, eine Vielzahl energiehungriger Verbraucher gegenübersteht, deren Bedarf es nicht einmal
annähernd befriedigen kann. Das Wiedereinschalten ist deshalb nur netzabschnittsweise nach einem genauen
Plan möglich und kann sich über Stunden hinziehen. Im ganzen Land gehen also für viele Stunden
die Lichter aus, Fahrstühle und Untergrundbahnen bleiben in ihren Schächten stecken, die Wasserversorgung
bricht zusammen, weil die Pumpen nicht mehr arbeiten.
In technischer Hinsicht bricht finsteres Mittelalter herein, ohne daß jemand darauf vorbereitet ist.
Die Schuldfrage
Und nun wird die Frage nach der Verantwortung gestellt:
Wenn ein Orkan einen Baum auf eine Hochspannungsleitung schleudert und sie damit zerstört, so sieht
dies zunächst aus wie "höhere Gewalt" und vermittelt den Eindruck, als gäbe es keinen
Schuldigen, doch greift dieser Erklärungsversuch zu kurz.
Die Vorgänge, die zum landesweiten Blackout führen, wurden vorher absichtlich etwas ausführlicher
dargestellt, damit ein Eindruck von der Komplexität entsteht, ein Eindruck davon, wie viele
Dinge zusammen kommen müssen, damit ein Blackout nicht geschieht.
Die Schuld besteht nämlich nicht in einem fehlerhaften Tun, sondern sie liegt in einem Bündel
von Unterlassungen. Die Suche nach einem Schuldigen ist deshalb nicht einfach und sie führt einige
Jahre in die Vergangenheit.
Verantwortung liegt beim Netzbetreiber
Der erste Anstoß für einen Blackout kann sowohl in einem plötzlich versagenden Kraftwerk, er kann aber auch in einem Ausfall des Stromnetzes liegen. Die rasche Ausbreitung des Schadens nach dem Dominoeffekt jedoch kann nur der verantwortliche Netzbetreiber verhindern.
Weil Wettbewerb im Stromsektor nur bedingt möglich ist, steigt die Gefahr von Ausfällen:
Hätten die Verantwortlichen im Umweltministerium geahnt, was dem eigenen Kontinent bevorsteht - sie wären
nicht so vorlaut gewesen:
Als am 14. August im gesamten Nordosten der Vereinigten Staaten die Lichter ausgingen, wurde die Behörde mit
den Worten zitiert, dass "so etwas in Europa nicht passieren kann, da hier im Unterschied zu den USA zu jeder
Zeit mehr Strom produziert als verbraucht wird."
Es dauerte gerade einmal zwei Wochen, bis die Aussage widerlegt wurde. Erst versiegte am 28. August in der
Millionen-Metropole London der Energiefluss, dann wurden 4 Millionen Menschen in Dänemark und Südschweden
von einem Blackout getroffen.
Der "Supergau" aber ereignet sich am 28. September, als ein einziger umgefallener Baum in der Schweiz ganz
Italien den Saft abdrehte. Dabei hätte es noch schlimmer kommen können. Denn der Strom, der nicht mehr nach Italien geleitet werden konnte, drängte schlagartig in
andere europäische Länder.
Und auch dies verkraftet ein Stromnetz lediglich begrenzt. "Nur durch ein schnelles Hochfahren von
Pumpspeichern und Drosseln von Kraftwerken konnte eine weitere Ausbreitung der Störung verhindert werden",
sagt Jochen Kreusel, Kommunikations-Leiter beim Energietechnik-Konzern ABB heute.
Das Italien-Debakel hatte wieder einmal den zentralen Unterschied zu allen anderen Energieformen
deutlich gemacht: Da Strom nicht speicherbar ist, muss Erzeugung und Verbrauch zu jedem Zeitpunkt
ausgeglichen sein. Um diesen Ausgleich zu gewährleisten, sind die Länder Europas über so genannte
Höchstspannungsnetze miteinander verbunden.
Die Liberalisierung des Strommarktes
Seit der Liberalisierung des europäischen Strommarktes 1998 hat dieses Verbundnetz eine zusätzliche
Aufgabe bekommen: Es muss den freihandelbaren Strom quer durch Europa leiten. "Die transportierte Strommenge
über die bestehenden Netze hat sich seit Beginn der Liberalisierung nahezu verdoppelt", sagt Joachim Schneider,
Vorstandsmitglied der ABB.
Dafür sei dieses System aber eigentlich gar nicht ausgelegt.
Die Folge: "Vor allem an den Landesgrenzen ist das Netz heute hoch ausgelastet und im Notfall nicht in der
Lage, zusätzliche Kapazität bereitzustellen", so Schneider.
Mit anderen Worten: Ohne einen Ausbau der Netze steigt auch hierzulande die Gefahr von Stromausfällen.
Doch anstatt mehr zu investieren, werden die Energie-Erzeuger und Netzbetreiber immer knauseriger. Die
Investitionen der deutschen Stromversorger nehmen kontinuierlich ab. Von 7,3 Milliarden Euro 1995
auf 3,9 Milliarden in diesem Jahr. 2007 sollen es nur noch 3 Milliarden sein, schätzt der
Verband der Elektrizitätswirtschaft, VDEW.
Gründe für diese Entwicklung gibt es mehrere: "Der enorme Kostendruck in Folge der Liberalisierung hat die
Prioritäten der Versorger verschoben", meint Schneider. Es werde weniger auf Versorgungssicherheit und mehr
auf die Wirtschaftlichkeit geachtet.
Außerdem fehlt es den Netzbetreibern an Planungssicherheit - die Folge einer ökonomischen Besonderheit. Denn
während die Liberalisierung einen regen Wettbewerb bei der Stromerzeugung und dem Stromhandel hat entstehen lassen, kann es diesen zwischen Netzbetreibern nie geben.
Weil nämlich zwei parallele Stromnetze keinen Sinn machen, bleiben die Versorger regionale Monopolisten.
Ökonomen warnen derweil davor, dass die Versorgungssicherheit weiter abnehmen könnte. Da Netzbetreiber
dadurch zu Geld kommen, dass sie Strom durch ihre Leitungen fließen lassen, werden sie versuchen, die Strommenge
zu maximieren. Gleichzeitig fehlt aber der Anreiz, das Netz sicher zu machen.
Der Grund: Die Folgen eines Ausfalls bekommen in erster Linie nicht die Betreiber der Stromnetze, sondern
Unternehmen und Verbraucher zu spüren. Und diese können keinen Druck ausüben, weil ihnen die Möglichkeit
fehlt, zu einem anderen Netzbetreiber zu wechseln.
Die Netzbetreiber müssen zum einen zur "Vorhaltung entsprechender Kapazitäten" gesetzlich verpflichtet und
zum anderen bei einem Stromausfall haftbar gemacht werden können. Dann kann in Europa verhindert werden, was in
den USA schon geschehen ist: Wegen der üppigen Weihnachtsbeleuchtungen sind dort bereits mehrmals Netze
zusammengebrochen.
Die Energiepolitik nimmt ihre Verantwortung nicht wahr
Wir kommen hier zu einem strukturellen Problem.
Stichworte sind:
Zentralisierung, Privatisierung, Verlust der staatlichen Kontrolle, Irrglaube an die alles regelnde Kraft
des freien Marktes.
Der Gesetzgeber hat übersehen, daß im Bereich der Stromnetze kein freier Markt existiert. Der eigentliche Disziplinierungsmechanismus, der Unternehmer zur Qualitätssicherung zwingt, ist der Wettbewerb. Wer keine Qualität anbietet, verliert seine Kunden. Wettbewerb ist aber durch das Quasi- Monopol der Netzbetreiber, d.h. durch die praktische Unmöglichkeit, Parallelnetze in einem fremden Versorgungsgebiet zu errichten, ausgeschaltet. Die Netzbetreiber handeln somit nur noch nach ihrem Eigeninteresse und dieses wird ausschließlich von finanziellen Abwägungen bestimmt. Erwägungen zum Gemeinwohl spielen da keine Rolle.
Fragen wir also - ganz im Sinne dieser Abwägung von Kosten und Nutzen:
Was riskiert eigentlich ein Netzbetreiber, der sein Stromnetz nicht so sicher ausgestaltet und betreibt, dass es nach dem technischen Wissenstand unmöglich ist, dass einen umfallender Baum das gesamte Stromversorgungsnetz ausser Funktion setzt.
Ungefähr 10 EURO pro Kunde ist das ganze Risiko, welches ein Netzbetreiber eingeht, der grobfahrlässig sein Netz nicht redundant auslegt (also keine Ersatzleitung vorsieht), die billigste Lösung für die Trassenführung (Freileitung statt Erdkabel) wählt, keinen Alarmplan zum Abschalten von Teilnetzen ausgearbeitet hat, nicht dafür sorgt, dass seine Pumpspeicherkraftwerke gefüllt sind.
Die Folgen solcher unangemessenen Risikoverminderung sind absehbar...
Seit der Liberalisierung des Strommarktes häufen sich die Tagungen
der Stromwirtschaft, in denen Kaufleute und Techniker sich gegenseitig
darüber informieren, wie man beim Ausbau und bei der Unterhaltung
der Stromnetze noch mehr Geld sparen kann. Beim SFV gehen mehrmals jährlich
Einladungen zu solchen Veranstaltungen ein. Es besteht die Gefahr, daß
das deutsche Stromnetz - einmal eines der zuverlässigsten der Welt
- sich langsam aber stetig in ein Netz verwandelt, das nur noch bei
"Schönwetter" funktionieren kann - doch hat dies nichts mit den
Erneuerbaren Energien zu tun. Wichtiges Ziel der Energiepolitik muss
deshalb die Wiedereinführung einer strengen staatlichen Kontrolle
sein. Eine fachlich kompetente Netzaufsicht muss Mindestforderungen
an die Sicherheit der Stromnetze ausarbeiten und durchsetzen. Dies muss
unabhängig davon geschehen, ob der zukünftige Kraftwerkspark
konventionell oder regenerativ sein wird.
Auch bei Kohle- und Atomstrom, wollen wir ja nicht plötzlich im Fahrstuhl stecken bleiben.
Schlußfolgerung und Zusammenfassung
Aus den vorangegangenen Überlegungen lassen sich einige beruhigende Erkenntnisse zur zukünftigen
Energiewende herleiten:
Der Zusammenbruch der Netze war in keinem der bekanntgewordenen Fälle auf ein Versagen von Anlagen zur
Nutzung der Erneuerbaren Energien zurückzuführen, sondern auf ein Versagen im Verantwortungsbereich
der Übertragungsnetzbetreiber.
Wind- Wasserkraft- und Biomasseanlagen arbeiten mit rotierenden Massen; sie bieten deshalb genauso wie die Synchrongeneratoren der Großkraftwerke im Bedarfsfall eine Momentanreserve an. Diese ist bei Windanlagen wegen des großen Trägheitsradius ihrer Flügel sogar besonders hoch. Die landesweite Verteilung von Anlagen der Erneuerbaren Energien stellt einen weiteren Vorteil dar. Der oben geschilderte Dominoeffekt kann nur dann auftreten, wenn in einem Netzgebiet mehr Strom verlangt wird als gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden kann. Je ausgewogener also das lokale Verhältnis zwischen Stromverbrauchern und Stromerzeugern ist, desto leichter ist es schaltungstechnisch, im Katastrophenfall das Verbundnetz in unabhängig voneinander reagierende selbständige Teilnetze aufzutrennen, und so den Totalausfall zumindest räumlich einzugrenzen. Dies spricht besonders für den Ausbau der Solarenergie auf den Dächern der Ballungszentren und für einen Ausbau der Windenergie auch im küstenfernen Binnenland.
Die Aufteilung der Leistung in viele kleine Anlagen der Erneuerbaren Energien stellt ebenfalls einen Vorteil dar. Der unvorhergesehene Ausfall einer kleinen Stromerzeugungseinheit kann viel leichter ausgeregelt werden als der unvorhergesehene Ausfall eines großen konventionellen Kraftwerks. Eine Vielzahl kleiner, anstelle weniger großer Anlagen, erhöht deshalb die Versorgungssicherheit. Die Frage der Versorgungssicherheit ist natürlich auch eine Frage der Sicherheit bestimmter Kraftwerkstypen bei extremer Witterung. Hier ist eine Erfahrung des jüngsten Zeit zu erwähnen: Wind- und Solarstromanlagen bekommen keine Kühlungsprobleme, wie sie im vergangenen Sommer bei fossilen und atomaren Großkraftwerken an den zum Rinnsaal eingetrockneten Flüssen auftraten.
Die Frage, wie eine Stromversorgung ohne konventionelle Kraftwerke aufrecht erhalten
werden kann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, ist
leicht so zu beantworten:
Je höher der Anteil an rasch regelbaren und zuschaltbaren Stromerzeugungseinheiten
ist, desto leichter kann der verantwortliche Netzbetreiber ein Defizit
im Stromangebot durch Abruf von Reserveleistung ausgleichen.
Hieraus ergibt sich die Forderung nach einem höheren Anteil von
Speicherkraftwerken und regelbaren Biomassekraftwerken. Die Notwendigkeit
einer besseren Einspeisevergütung für Strom aus Biomasse,
aus Wind- und Sonnenenergie wird hier deutlich.
Mit einer über das ganze Land gut verteilten großen Zahl Stromerzeugungsanlagen der Erneuerbaren Energien bei einem hohen Anteil regelbarer Biomassekraftwerke sind wir demnach auf dem richtigen Weg.