Elektroantrieb und Batterie - der aktuelle Stand der Technik
Lange wurde dem batteriebetriebenen Elektroauto seine Alltagseignung abgesprochen. Jüngste Energie-Szenarien bringen es aber erneut ins Spiel und zwingen zu einer Neubewertung. Wie ist der Stand der Technik heute?
Die Fortbewegung mittels Elektromotor ist wahrlich nicht neu, in jüngster Zeit wird sie allerdings neu bewertet. Politik, Autoindustrie und Energiewirtschaft haben ein neues Lieblingsthema, das dem bisherigen Favoriten Wasserstoffantrieb den Rang abzulaufen scheint. Fast im Wochentakt kündigen Autohersteller neue Elektro- oder Hybrid-Aktivitäten an.
Elektroautos als Heilsbringer?
Toyota will seinen Plug-in-Prius nun bereits 2010 mit Lithium-Ionen- Batterien lancieren, Honda plant im kommenden April den Start eines preisgünstigeren Prius-Konkurrenten in den USA, GM arbeitet mit Hochdruck an seiner Hybridversion Chevrolet Volt mit motorischer Reichweitenverlängerung, und Mitsubishi setzt mit seinem i-EV sogar ganz auf elektrischen Kurzstreckenbetrieb. Nissan kündigt für 2010 das erste E-Auto in Großserie an. Daimler betreibt mit dem E-Smart in London einen Feldversuch, ein zweiter mit 500 Ladestationen soll zunächst in Berlin folgen, dann könnten ab 2010 E-Varianten der mit Lithium-Ionen-Batterie bestückten A-Klasse teilnehmen. VW schickt seinen Golf Twin Drive in Berlin ins Rennen, und Renault hat sich zusammen mit Shai Agassi, dem Lieblings- Visionär der New-Economy-Jünger, vorgenommen, in Israel ein ganzes Land elektrisch zu mobilisieren.
Ganz freiwillig kommt die Hinwendung zum neuen alten Prinzip freilich nicht, sondern aus der Erkenntnis, dass die Erdölressourcen schneller knapp und damit teurer werden, das forciert unerwünschte Abhängigkeiten. Auch die Sorge um CO2-Emissionen und Klimawandel spielt dabei eine Rolle. Ist in dieser Situation das elektrisch mobile Auto der neue Heilsbringer?
Einen ähnlichen Hype erlebten wir bereits zu Beginn der neunziger Jahre, der mit einen Großversuch auf der Insel Rügen mit eher bescheidenem Ergebnis im Sande verlief. Doch was hat sich in der Zwischenzeit geändert? Mit spontanem Ansprechen, hohem Startmoment und sogar seinem drei bis vier Mal besseren Wirkungsgrad war der Elektro- dem Verbrennungsmotor seit jeher überlegen. Mehr als 100 Jahre Weiterentwicklung haben daran im Grundsatz nichts geändert. Das gilt auch für die größte Engstelle des elektrischen Antriebskonzepts, den Energiespeicher.
Reichweiten sind das Problem
Nach wie vor gibt es keine Batterie, in der sich Energiemengen speichern lassen, die Reichweiten wie beim herkömmlichen Auto mit Verbrennungsmotor garantieren. Rund 12.000 Wh pro Kilogramm an Energiegehalt stecken im Benzin. Selbst moderne Lithium-Ionen-Batterien enthalten da mehr als 50 Mal weniger. Und mit der volumenbezogenen Energiedichte sieht es kaum besser aus. "Selbst wenn wir das enorme Entwicklungspotenzial der Lithium-Technologie umsetzen", warnt Martin Winter, renommierter Batterie-Experte an der Universität Münster, "werden wir kaum jemals mit dem Auto elektrisch von Flensburg nach Berchtesgaden fahren." Diese Erkenntnis führte in Japan, allen voran bei Toyota, zur Teillösung namens Hybrid und förderte gleichzeitig die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie, die im Vergleich zum bislang favorisierten Nickel-Metallhydrid-Speicher fast die doppelte Leistungsdichte aufweist.
Wolf-Henning Scheider, Bereichsvorstand bei Bosch, wo man in Sachen Lithium-Ionen-Batterien mit Samsung kooperiert, erwartet eine weltweit stetig wachsende Nachfrage: 350.000 reine E-Autos und Plug-in-Hybride pro Jahr bis 2015 - gegenüber rund 2.000 heute. Bei einer Jahresproduktion von dann mehr als 100 Millionen Autos "wird der Verbrennungsmotor aber die nächsten 20 Jahre die dominierende Antriebsquelle bleiben", so die klare Aussage. Experten wie der VW-Forschungschef Jürgen Leohold sehen trotzdem großes Potenzial in der Lithium-Technologie, auch wenn die Anwendung im Automobil noch viel Grundlagenarbeit erfordert.
Denn anders als im Kleingerätesektor können dort Batterien nicht nach drei bis vier Jahren ausgetauscht werden. "Da würde schnell mal der halbe Neuwagenpreis fällig", weiß Herbert Kohler, Leiter der Antriebsforschung bei Daimler. Die Suche nach geeignetem Elektrodenmaterial muss den spezifischen Einsatzanforderungen – Hochleistung bei Hybriden, Hochenergie bei E-Autos – Rechnung tragen. Als aussichtsreiche Zellmaterialien gelten derzeit Lithium-Verbindungen mit Kobalt, Mangan oder Eisenphosphat, jede mit speziellen Vor- und Nachteilen. Einlagerung und Auslösung der Lithium-Ionen (Schaukelstuhl-Prinzip) spielen dabei für Fragen des Ladehubs und der Alterung eine entscheidende Rolle.
Lithium-Polymer-Batterien könnten eine Lösung sein
Verbindungen mit hohem elektrischen Potenzial erweisen sich zudem oft als instabiler, was bei thermischer Überlastung zu einem Lawineneffekt, sprich Explosion, führen kann. Dies muss mit der Temperatur- und Spannungsüberwachung jeder einzelnen Zelle sicher verhindert werden. Lithium-Polymer-Batterien, eine Variante, die statt eines flüssigen Elektrolyten eine für Ionen durchgängige Polymerschicht einsetzt, scheinen eine Lösung zu sein. Dieser Entwicklung fehlt aber noch die Reife. Unabhängig vom Batterietyp bieten Elektroautos bereits erkennbare Betriebskostenvorteile, die sich bei weiter steigendem Erdölpreis vergrößern dürften. Das ist nicht allein der effizienten Energieumsetzung zu verdanken, sondern auch Sekundäreffekten wie Leichtbau oder Bremsenergie-Rückführung, erzwungen durch die begrenzte Batteriekapazität.
Ob das Elektroauto zur Lösung des CO2-Problems beiträgt, hängt aber ganz entscheidend von der Energieerzeugung ab. Verfechter der reinen Öko-Lehre fordern hier regenerativ erzeugten Strom aus Wasser-, Wind- oder Solarenergie. Denn mit dem Bau zusätzlicher Kohlekraftwerke würde das E-Auto das Klima sogar weiter belasten.