Plug-in-Technik als Zwischenschritt zum Elektroauto
Alle Welt ruft nach dem Elektroauto. Und glaubt man den Botschaften auf der Automesse IAA in Frankfurt, tanken die meisten Autos schon bald nur noch an der Steckdose.
Noch reichlich Entwicklungsarbeit vonnöten
Doch der Eindruck ist falsch, sagt Christian Kleinhans von der Managementberatung Oliver Wyman in München. Nicht nur die Hersteller müssten dafür noch reichlich Entwicklungsarbeit leisten. Auch die Kunden seien längst nicht bereit für den Systemwechsel. «Mehr noch als die höheren Preise scheuen sie die limitierte Reichweite der Stromer und die Angst, dass sie unterwegs stehenbleiben», zitiert Kleinhans aus seiner aktuellen Marktstudie.
Nächste Hybridgeneration: «Plug-in-Hybrid»
In naher Zukunft werden sie sich allerdings nach und nach und ohne Reichweiten-Risiko an die Elektromobilität gewöhnen können. Denn nun lockt die nächste Hybridgeneration unter dem Stichwort «Plug-in-Hybrid» mit anderen Distanzen. Nach demselben Prinzip aufgebaut, aber mit stärkeren Motoren, größeren Batterien und einer Ladebuchse für Steckdosen bestückt, haben diese Fahrzeuge einen elektrischen Aktionsradius, der vielen einen ganzen Tag über reicht.
In der Stadt ohne Verbrenner
«Wer sich nur in der Stadt bewegt, kommt so komplett ohne Verbrenner aus», sagt Kleinhans. Das senkt die Kosten, reduziert den Schadstoffausstoß und sichert selbst dann die Mobilität, wenn Kommunen irgendwann Eintritt nehmen oder Fahrverbote für Benziner und Diesel verhängen. Trotzdem müsse niemand eine leere Batterie fürchten: «Denn sobald der Akku zur Neige geht, startet automatisch der Benziner oder Diesel, so dass man ohne Ladepause über Land und Langstrecke fahren kann.»
Akkus bekommen mehr Kapazität
Diese Hybridtechnik der zweiten Generation zählt auf der IAA bei vielen Herstellern zum guten Ton: So liegen in der BMW Studie «Vision Efficient Dynamics» Akkus mit einer Kapazität für 50 Kilometern. Der Mercedes «Vision S 500 Plug-in Hybrid» kommt auf eine Reichweite von 30 Kilometern, und Volvo verspricht für einen entsprechend umgerüsteten V70 einen so großen Aktionsradius, dass die meisten Menschen im Alltag nur noch stromern werden. Selbst Hyundai hat diese Technik adaptiert und in die Studie «Blue Will» eingebaut, die mit der Kraft ihres Elektromotors sogar rund 60 Kilometer weit kommt.
Verbrauch und CO2-Ausstoß sinken merklich
Durch den Bonus aus der Batterie sinkt rein rechnerisch bei all diesen Modellen der Verbrauch und mit ihm der CO2-Ausstoß auf rekordverdächtige Werte. So feiert Mercedes die S-Klasse als «erstes Dreiliterauto der Luxusklasse» und schwärmt von 3,2 Litern und 74 g/km. Und BMW sieht in der IAA-Studie den sparsamsten Supersportwagen aller Zeiten: Schneller als ein BMW M3 und sparsamer als ein Mini komme er auf 3,8 Liter und einen CO2-Ausstoß von 99 g/km.
Vorerst nur Studien bei den großen Herstellern
Noch kann man solche Autos jedoch nicht kaufen. Der BMW wird wohl eine Studie bleiben, der Volvo kommt erst in drei Jahren, und auch Mercedes-Forschungschef Thomas Weber bittet noch um Geduld: «Bis zur Serienreife ist es noch ein gutes Stück Weg», dämpft er die Erwartungen. In der nächsten Generation der S-Klasse, so lässt er durchblicken, könne man das «Vision» aus dem Typenkürzel streichen.
Schon ab 2010: Luxus-Sportwagen Karma
Dass es schneller geht, belegt Henrik Fisker auf der IAA mit dem Luxus-Sportwagen Karma, der bereits 2010 zu den Händlern kommt: Zwei Elektromotoren mit zusammen 296 kW/403 PS beschleunigen den Viertürer in weniger als sechs Sekunden auf Tempo 100 und ermöglichen bis zu 200 km/h - und das bei einer Reichweite von 80 Kilometern. Erst danach springt ein Vierzylinder mit 154 kW/209 PS an. Weil der für den Normzyklus nur noch 20 Kilometer abspulen muss, sinkt der Gesamtverbrauch für 100 Kilometer rechnerisch auf 3,5 Liter und der CO2-Ausstoß auf 83 g/km.
Weitere Hybrid-Technologie: «Range Extender»
Der Plug-in-Hybrid ist aber nicht die einzige Technologie für elektrische Reichweite mit Reserve. Parallel arbeiten viele Hersteller an einem «Range Extender». Dafür nutzen sie nach Angaben von Opel-Entwickler Gherardo Corsini einen kleinen Verbrennungsmotor, der wie ein Notstromaggregat immer dann anspringt und einen Generator antreibt, wenn die Akkus zur Neige gehen. Aber anders als beim Plug-in-Hybriden sorgt hier nur der Elektromotor für Vortrieb.
Kleinerer Verbrenner, der nicht viel Kraft braucht
Die Technik, die zum Beispiel dem ab 2012 lieferbaren Opel Ampera rund 400 Kilometer zusätzlicher Reichweite garantiert, bietet laut Corsini einige Vorteile: «Der Verbrenner braucht nicht so viel Kraft und kann deshalb kleiner ausfallen», sagt er mit Blick auf das 55 kW/75 PS starke Aggregat, das dem Ampera für ein Höchsttempo von 160 km/h reicht.
Idealer Zwischenschritt bis zum "echten" Elektro-Auto
Natürlich wird sich der Hybridantrieb ebenso wie der «Range Extender» erübrigen, wenn die Autohersteller das Kosten- und Reichweitenproblem der Elektromobile in den Griff bekommen. «Doch wird ihnen das in den nächsten 10 bis 15 Jahren kaum gelingen», ist Berater Christian Kleinhans überzeugt. Deshalb hält er Fahrzeuge mit Plug-in-Hybrid oder «Range Extender» für den idealen Zwischenschritt.