"Elektroautos kauft man nicht wegen des Radios"
03.02.2010 | 19:28 | JAKOB ZIRM (Die Presse)
Es sei egal, von wem Elektroautos kommen. Hauptsache, sie kommen, sagt Tesla-Gründer Martin Eberhard im Gespräch mit der "Presse". Er glaubt, dass man mit ihnen künftig auch 1000 Kilometer am Stück fahren können wird.
„Die Presse": Sie haben mit Tesla Motors einen Hersteller von Elektroautos gegründet, als große Autokonzerne gesagt haben, es wäre dafür noch viel zu früh...
Martin Eberhard: ...Eigentlich haben sie gesagt, dass es nie Elektroautos geben wird.
Nun ist Tesla die erste Firma, die ein taugliches Elektroauto auf die Straße gebracht hat. Sie kommen eigentlich aus der Computerbranche, warum haben Sie dann plötzlich ein Auto konstruiert?
Eberhard: Der Hintergrund war, den Verbrauch von Öl zu reduzieren. Und bei Autos schien mir das am ehesten möglich zu sein. Ich habe mir angesehen, welche Technologie– Wasserstoff, Biosprit, Elektro – die höchste Effizienz bringt. Und Elektroautos schnitten viel besser ab als alle anderen. Ich war richtiggehend schockiert.
Der Vater des Gedankens war also der Umweltschutz?
Eberhard: Nicht nur. Es ging mir einerseits um den Klimaschutz und andererseits um die Abhängigkeit vom Erdöl. Als meine Pläne 2003 Gestalt annahmen, waren wir (die USA, Anm.) in mehrere Kriege im Nahen Osten verwickelt. Und diese hingen ganz offensichtlich mit dem Öl zusammen.
Tesla hat seit 2007 rund 1000 Autos produziert und dafür viel Aufmerksamkeit bekommen. Aber im Vergleich zur globalen Autoproduktion von rund 50 Mio. Stück pro Jahr ist das ein verschwindend geringer Teil.
Eberhard: Eichen entstehen auch nur aus Eicheln.
Das stimmt. Aber glauben Sie, dass künftig Firmen wie Tesla mit den etablierten Autokonzernen wirklich konkurrieren können?
Eberhard: Das ist eigentlich ziemlich egal. Es gibt ein Problem, das gelöst werden muss. Als Aktionär von Tesla hoffe ich natürlich, dass Tesla erfolgreich ist. Aber aus der Sicht des Problems ist es irrelevant, ob es von Tesla oder von VW, GM und Toyota gelöst wird.
Tesla hat nun als Neueinsteiger die etablierten Autohersteller vorgeführt. Der ehemalige GM-Chef Bob Lutz meinte dazu, dass es kleine Firmen wie Tesla leichter haben, da sie viel weniger Restriktionen bei Crash-Tests und Haftpflicht-Prüfungen haben. Wenn Tesla größer würde, dann wäre sie ebenso unflexibel wie GM. Hat er recht?
Eberhard: Rechtlich hat Tesla dieselben Anforderungen zu erfüllen wie große Hersteller. Dies war durch die Kooperation mit Lotus möglich (der Tesla Roadster basiert auf dem Lotus Elise, Anm.). Der Unterschied ist–und da hat Bob Lutz recht –, dass wir viel schneller und flexibler entscheiden können. Bei Tesla gibt es nur ein Auto. Man muss nicht überlegen, wie es in das Gesamtportfolio passt. Außerdem ist es bei einem Auto wie dem Roadster, der so anders als andere Autos ist, auch nicht so wichtig, wie gut die Becherhalter oder das Radio sind. Das Radio im Tesla ist Schrott. Aber es ist nicht der Grund, warum Leute das Auto kaufen.
Konzentrieren sich die Autokonzerne auf die falschen Dinge?
Eberhard: Nein. Bei herkömmlichen Autos gibt es so viele Hersteller, dass sie sich bei so kleinen Sachen wie Becherhaltern unterscheiden müssen. Bei Elektroautos ist das noch nicht so. Wenn Tesla überlebt, wird man sich irgendwann einmal ebenfalls Gedanken über Becherhalter machen müssen.
Der Tesla Roadster ist ein sehr starkes und schnelles Auto. Bei den etablierten Herstellern sehen die geplanten Elektroautos aus wie Kleinwagen. Wie werden Elektroautos künftig aussehen? Wird es auch Elektro-SUVs geben?
Eberhard: Ich glaube, wir werden die gleiche Bandbreite an Autos sehen wie heute – vielleicht ohne SUVs. Die Autos werden grundsätzlich leichter und aerodynamischer sein. Aber es wird auch künftig kleine Zweisitzer, Familienlimousinen und Pick-ups geben – alle mit Elektroantrieb.
Das heißt, Sie glauben nicht an eine Veränderung der Mobilität, wonach in der Stadt mit kleinen Elektroautos und Überland mit Bus, Zug oder Mietwagen gefahren wird.
Eberhard: Für Europa könnte diese Vision schon wahr werden. Europa ist dichter besiedelt und hat einen besser funktionierenden öffentlichen Verkehr. In den USA ist das nur in Manhattan und einigen wenigen anderen Orten so. Außerdem ist das Auto in den USA ein Symbol der Freiheit und auch der Emanzipation. Durch das eigene Auto wurde es in den 60ern für viele Frauen erstmals möglich, dorthin zu fahren, wohin sie wollen. Und wann sie wollen.
Sie meinen also, dass Autos auch mit Elektroantrieb mehr oder weniger gleich bleiben werden. Wie sieht es mit der Reichweite aus?
Eberhard: Diese wird sich durch die technische Entwicklung ständig steigern. Es gibt keine physikalische Grenze, die Batterien in ihrer Kapazität einschränkt. Es geht nur um die Kosten. Und es wird sicher noch 15 bis 20 Jahre dauern, aber dann sind auch Reichweiten von 1000 Kilometern für Elektroautos möglich – bei vergleichbaren Kosten zu heutigen Autos. Die Reichweite wird überhaupt eine Art Ausstattungsmerkmal werden, wie heute die Stärke des Motors. Man kann dann ein Auto mit 500 Kilometern Reichweite kaufen oder – für mehr Geld – das gleiche Auto mit 800 Kilometer Reichweite.
Kritiker befürchten, dass durch E-Autos nur die Abhängigkeit von Öl gegen jene von Lithium, das man für die Batterien benötigt, getauscht wird. Sind diese Befürchtungen berechtigt?
Eberhard: Meiner Meinung nach kommt Lithium häufig genug vor. Außerdem ist es anders verteilt als Öl. Die derzeit besten Erze findet man in Bolivien, Argentinien und Chile. Bevor diese Minen erschlossen wurden, baute man das günstigste Lithium in Nevada ab. Außerdem wird Lithium im Auto nicht verbraucht. Am Ende des Lebenszyklus der Batterie kann man das komplette Lithium wiederverwenden.
Sie sind ein begeisterter Anhänger von Elektromobilität. Trotzdem haben Sie sich vor zwei Jahren von Tesla und dem jetzigen Tesla-Chef Elon Musk im Streit getrennt. Warum kämpfen Pioniere immer miteinander?
Eberhard: (lacht) Das ist schwer zu sagen. Ich schätze, es hängt mit der Persönlichkeit von Pionieren zusammen. Meistens will jeder den Ruhm für die Arbeit für sich haben.
■Martin Eberhard gründete in den 90er-Jahren die IT-Firmen Network Computing Devices und Nuvomedia. Letztere verkaufte er später für 187 Mio. Dollar. Mit dem Geld gründete er im Jahr 2003 Tesla Motors. Die Firma baute als Erster ein taugliches Elektroauto mit einer Reichweite von rund 320 Kilometern. 2007 verließ Eberhard Tesla im Streit und arbeitet nun für VW – in der Entwicklung von Elektroautos. Eberhard sprach am Beraterkongress Com.Sult in Wien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2010)