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Wankelmut im Elektroauto - Audi A1 E-tron
Quelle: Spiegel online vom 12.11.2010

Als Stromgenerator für das Elektroauto A1 E-tron reaktiviert Audi eine schon fast vergessene Technologie: den Wankelmotor. 2011 beginnt der erste Flottentest, Tom Grünweg fuhr den Prototypen schon jetzt.

Vier Stromer-Studien binnen eines Jahres - Ingolstadt will es offenbar wissen. "Am Elektroauto führt kein Weg mehr vorbei", sagt Frank van Meel, bei Audi verantwortlich für die E-Mobilität. Die VW-Tochter versucht, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung ganz vorne dabeizusein. Zu diesem Zweck enthüllte Audi ein Quartett von Elektroautos mit dem Beinamen E-Tron, die in den kommenden Jahren zu Serienreife entwickelt werden sollen. Van Meel verspricht, bis 2020 werde der Jahresabsatz der E-tron-Modelle sechsstellig sein.

Derartige Absatzzahlen werden Modelle wie der Sportwagen R8 E-Tron, der 2012 als erstes Elektroauto der Marke debütieren soll, natürlich nicht erreichen. Es wird wohl eher der Kleinwagen A1 E-Tron sein, der die hohen Stückzahlen bringt. Im März stand das Auto als Studie auf dem Salon in Genf, inzwischen gibt es bereits fünf Prototypen, und im kommenden Frühjahr werden in München die ersten 30 Fahrzeuge für einen Flottenversuch ausgeliefert. Audi
Wo sitzt was: Eine Art Röntgenaufnahme durch den Audi A1 E-Tron, die erkennen lässt, wo die Komponenten des Antriebs untergebracht sind. Im klassischen Motorraum sitzen unter anderem E-Motor und Leistungslektronik, etwa in der Mitte des Wagenbodens sind die Lithium-Ionen-Akkus untergebracht und unter der Fondsitzbank logieren der Wankelmotor samt Generator und Benzintank.

Wer die ersten Kilometer mit einem der Prototypen zurücklegt, hält die Serienfreigabe nur noch für eine Formsache. Es dauert wohl nicht mehr lange, bis der Vorstand grünes Licht gibt für den Elektro-Kleinwagen. "Dann könnte im Jahr 2013 der Verkauf beginnen", sagt Projektleiter Dietrich Engelhart.

Was den Wagen besonders macht, ist nicht allein der Elektroantrieb. Geräuschloses und lokal emissionsfreies Fahren kennt man auch von anderen Prototypen wie dem Elektro-Mini oder dem Batterie-Smart. Ungewöhnlich wird es jedoch, wenn der Stromvorrat im 12 kWh großen Akku nach spätestens 50 Kilometern elektrischer Fahrt zur Neige geht. Dann muss der A1 E-Tron nicht an die Steckdose, sondern fährt einfach weiter.

Möglich macht das ein so genannter Range Extender, also ein Verbrennungsmotor, der mit Hilfe eines Generators Strom für die Weiterfahrt produziert. Insgesamt wird die Reichweite so auf rund 250 Kilometer gestreckt. Nach einem Normentwurf der EU, der künftig für die Verbrauchsermittlung von Hybrid-, Plug-In-Hybrid- und Range-Extender-Fahrzeugen gelten soll (ECE-R-101) und bereits jetzt von den Autoherstellern als Berechnungsgrundlage genutzt wird, kommt der Audi A1 E-Tron auf einen Durchschnittsverbrauch von 1,9 Litern und einen CO2-Ausstoß von 45 g/km.

Ein Kreiskolbenaggregat als Stromerzeuger - das ist gänzlich neu

Beim dem Verbrennungsmotor, der während der Fahrt Strom produziert, handelt es sich um ein fast schon vergessenes Antriebskonzept: den Wankelmotor. Ein solches Triebwerk gab es bei Audi zuletzt im NSU Ro80, dessen Produktion 1977 auch deshalb eingestellt wurde, weil der Kreiskolbenantrieb als zu störanfällig galt und zu viel Öl und Sprit verbrauchte. Diese Nachteile kennt auch Dietrich Engelhart, doch seien die mittlerweile ausgeräumt oder träfen nicht zu auf einen Einscheiben-Motor, der mit konstanter Drehzahl laufe.

Als Vorteil gilt, dass der Wankelmotor kleiner und leichter als alle anderen Motorvarianten ist, die sonst noch in der Erprobung waren. Samt Generator, Elektronik, Kühlung und Abgasanlage wiegt das Paket unter dem Kofferraumboden lediglich 65 Kilogramm und braucht nicht mehr Platz als eine Sprudelkiste.

Ein Extra-Motor für mehr Reichweite klingt zunächst nach einem eher dürftigen Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Jedoch wäre ein größeres Akkupaket, das die Reichweite um 200 Kilometer vergrößern würde, nach derzeitigem Stand der Technik deutlich schwerer als die jetzt verbaute 150-Kilo-Batterie - und um ein Vielfaches teurer.

Das Problem der verstreuten Patente am Wankelmotor

Darüber hinaus habe der Wankelmotor noch einen weiteren Vorteil, sagt Engelhart: "Er läuft so leise und vibrationsarm, dass ihn der Fahrer kaum wahrnimmt." Nach der Testfahrt kann man das bestätigen. Selbst wenn man den Range Extender-Modus gezielt startet, kreiselt der Kolben so still und heimlich, dass nur die Kontrollleuchte im Kombiinstrument und die wachsende Reichweite auf dem Bordcomputer seinen Einsatz verraten.

Mit der Wiederentdeckung des Wankelmotors kommt auch neue Bewegung in ein ziemlich undurchdringliches Dickicht: die Frage der Patentrechte. "Es gibt niemanden, der alle Rechte an dem Prinzip hält", sagt Engelhart. Das Gros dürfte bei Mazda liegen, weil der japanische Hersteller derzeit die einzige Firma der Welt ist, die ein Serienauto mit Wankelmotor anbietet (den Sportwagen RX-8). Weitere Rechte liegen bei Audi und Mercedes. "Eine verworrene Angelegenheit", fasst Entwickler Engelhart die Situation zusammen. Gibt es grünes Licht für den Audi A1 E-Tron, bekommen also vielleicht auch einige Anwälte Arbeit.