Österreich: Strafe für Luftverschmutzung
Quelle: 06.12.2009 | 18:18 | ANDREAS WETZ (Die Presse)
Im Schatten der Klimadebatte kämpft Österreich unbemerkt gegen ein anderes Problem: Die Werte bei Stickoxiden und Feinstaub sind so hoch, dass Strafen drohen. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie aus 1999.
Wer spricht eigentlich noch von Luftverschmutzung?
Seitdem die Klimawandeldebatte auch in Österreich die Umweltpolitik dominiert, hat die Politik ein Problem weniger.
Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide (NOx) verschwanden aus dem Blickpunkt, das Problem aber blieb. Weil die entsprechenden Richtlinien und
Gesetze praktisch jährlich schärfer werden, drohen Österreich (unabhängig von der Sinnhaftigkeit der Grenzwerte) Konsequenzen.
Ab dem 1. Jänner 2010 können Betroffene gegen Grenzwertüberschreitungen bei Stickoxidmessstellen bei den zuständigen Landeshauptleuten klagen. Und weil die EU die heimischen Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaubbelastung für unzureichend hält, setzte sie erst kürzlich den ersten Schritt für ein (in letzter Instanz millionenschweres) Vertragsverletzungsverfahren.
Hintergrund ist eine EU-Richtlinie aus 1999, die klare Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide und Schwefeldioxide definierte. Österreich setzte die Richtlinie im „Immissionsschutzgesetz Luft“ (IG-Luft) um und beschloss Maßnahmen wie Tempobeschränkungen auf Autobahnen. Die „Erfolge“ waren so bescheiden, dass die Kommission Österreich und sieben weitere Länder (darunter sind etwa Rumänien, Ungarn und die Slowakei) warnt: Entweder man setzt (in der Bevölkerung) meist unpopuläre Maßnahmen, oder die Republik riskiert Geldstrafen in Millionenhöhe.
Beim Thema Feinstaub ist der erste Schritt zu einem Vertragsverletzungsverfahren bereits getan. Ende November verschickte die EU-Kommission ein erstes Mahnschreiben an Österreich; schon Anfang Dezember war die höchstzulässige Zahl der Grenzwertüberschreitungen (30) an Messstellen in Graz, Wien, Salzburg und Niederösterreich überschritten worden.
Österreich hat nun zwei Monate Zeit, Brüssel zu antworten. Ist die Antwort nicht ausreichend, kommt ein Mahnschreiben, dem später ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof folgt. Ein weiteres Problem ist Stickstoffdioxid, das die Atemwege angreift und langfristig Herzerkrankungen auslöst. Hauptverursacher sind Diesel-Pkw. Ab 1. Jänner 2010 muss Österreich neue Grenzwerte einhalten, „die wir aller Voraussicht nach nicht werden einhalten können“, sagt Lorenz Moosmann vom Umweltbundesamt. Laut einer EU-Studie wird Österreich im Jahr 2010 rund 154.000 Tonnen Stickoxide in die Atmosphäre blasen. Erlaubt wären 103.000. Das entspricht einer Überschreitung von 49,5 Prozent.
Auch diese Grenzwertüberschreitung kann Folgen haben, denn: Nach einer Musterentscheidung des EuGH kann jeder Bürger die Einhaltung bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS) der Länder oder beim Verwaltungsgerichtshof einklagen, sagt Martin Alge, Experte für Umweltrecht im Ökobüro. Beklagte wären die Landeshauptleute, welche für Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft verantwortlich sind. Theoretisch wäre es per Justiz möglich, die Landesregierungen zum Handeln zu zwingen. In der Praxis ist die Sache selbst Umweltrechtsexperten wie Alge noch nicht ganz klar: Obwohl der EuGH den Bürgern diese Möglichkeit einräumt, steht davon noch nichts im IG-Luft, das derzeit novelliert wird. Alge: „Österreich spielt auf Zeit und wartet offenbar darauf, dass die Kommission klagt.“ Dabei steht das nächste Problem bereits vor der Tür: Nach Stickoxiden und Feinstaub mit einer Partikelgröße von 10 Mikrometern (PM10) muss bis 2020 auch die Konzentration von Feinstaub mit einer Partikelgröße von 2,5 Mikrometern auf ein Niveau reduziert werden, von dem man heute noch weit entfernt ist.