Erde

Klimadruck macht Himalaya-Riesen zu schaffen
Quelle:Auszugsweise aus "Die Furche" vom 14.Jänner 2010; Author Kurt Lugner (Professor an der Universität Salzburg)

Gletscherseen bersten, Permafrostböden tauen und die Hänge beginnen zu rutschen.

Zuerst hatte es eine Woche geregnet, heftig und ohne Unterbrechnung, typisch für den Monsun an den Südhängen des Himalaya. Dann schien für drei Tage die Sonne, die Temperatur lag über 30 Grad. Am vierten Tag setzte wieder der Regen ein. Es regnete nur ganz leicht. Auf Nepali sagt man dazu simsime pani, Wasser, das leise wie Nebel zu Boden fällt. Das genügte, um eine Katastrophe auszulösen. Die Flanke eines ganzen Berges geriet in Bewegung, alle Terassenfelder donnerten hunderte Meter hinunter in den Fluss. Eine riesige Schlammlawine riss Häuser und Unterstände für die Haustiere mit. Auf einen Schlag wurde damit eine zehnjährige Entwicklungsinitiative zerstört, ein Projekt der Hoffnung begraben.

Monsun: spät aber gnadenlos vehement

Der Monsun kam letztes Jahr spät, brach aber mit gnadenloser Vehemenz über den Himalaya herein. Tausende wurden obdachlos, aber nirgendwo war die Tragödie so tödlich wie in diesem Dorf .

Die Unverhältmnismäßigkeit der Niederschläge hat viel mit dem Klimawandel zu tun. Die Experten des Forschungszentrums in Kathmandu befürchten, dass sich in der Hindukusch-Himalaya-Region Dürreperioden mit Überschwemmungen ablösen werden. Manche Regionen dürften mangels Wasser versteppen und andere im Überfluss ertrinken.

Wo zu wenig Regen fällt, bleiben die Ernten aus und den Menschen wird die Lebensgrunglage entzogen. Die größte Gefahr droht jedoch jenen Dörfern, die in unmittelbarer Nähe von Gletscheseen liegen. Davon gibt es in der gesamten Himalaya-Region etwa 200, darunter einige von der Größe des Fuschlsees im Salzkammergut. Wenn die Gletscher weiter schmelzen, schwappen die Seen über ihre Ufer, die aus mehr oder weniger stabilen Moränen bestehen. Die Druckwelle durchbricht dann diese natürliche Begrenzung und die Fluten des Sees ergießen sich ins Tal.

Ein Unglück von solchem Ausmaß ereignete sich vor Jahren in der Mont Everest-Region. Damals wurden etliche Dörfer überschwemmt, viele Wohnhäuser und ein im Bau befindliches Kraftwerk von den Wassermassen mitgerissen. Bis in die indische Ebene hinunter gebärdete sich der Bhote Kosi, der Fluss, der aus Tibet kommt, wie wild. Eine alte Sherpa-Bäuerin, die Augenzeuging des Infernos war, sah vorne auf der großen Sturzwelle einen schwarzen Drachen reiten . . .

In der Himalaya-Region dürften die Temperaturen zur Jahrhundertmitte bei etwa drei Grad über dem derzeitigen Jahresmittel liegen. Gebiete über einer Höhe von 4000 Metern werden nach dem derzeitigen Stand der Forschung vom Klimawandel am stärksten betroffen sein. Als Konsequenz davon werden die Schnee- und Eisdecken schneller abschmelzen, Permafrostzonen schneller auftauen, Hangrutsche und Steinschlag enorm zunehmen und eine ständige Bedrohung für Dörfer, Wege und Straßen für Menschen und Tiere sein. Viele Gebiete werden unbewohnbar werden, weil die Vegetation die Temperaturänderung nicht verkraftet, die Biodiversität stark abnimmt und die Ernteertäge schrumpfen. Ausgeprägter als in den Alpen, wo man dem Klimawandel auch positive Seiten abzugewinnen versucht und sich Vorteile in der Landwirtschaft oder im Tourismus erwartet, sehen sich die Subsistenzbauern der Himalaya-Region das erwartete Szenario als akute Gefährdung und Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen.

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war das bisher wärmste. Zwischen 2000 und 2009 stieg die Temperatur weltweit um 0,54 Grad.

Die Dekade von 2000 bis 2009 war die wärmste seit Beginn der Wetter-Aufzeichnungen. Das belegen Daten von US-Forschern, die kürzlich veröffentlicht wurden. Laut dem Bericht des Nationalen Klimadatenzentrums stieg die Temperatur weltweit um 0,54 Grad über den langjährigen Durchschnitt. Das wärmste Jahr war demnach 2005 mit 0,62 Grad mehr. 2009 lag mit 0,54 Grad über dem Schnitt und war damit das fünftwärmste Jahr überhaupt seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die Daten der US-Forscher belegen nun detailliert, was ohnehin schon lange vermutet worden war. Bereits beim Weltklimagipfel im Dezember 2009 in Kopenhagen hatte der Generalsekretär der Welt-Meteorologie-Organisation (WMO), Michel Jarraud, erklärt, dass das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wohl das bisher wärmste weltweit seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen sei. Die Dekade von 2000 bis 2009 "ist sehr wahrscheinlich die wärmste gewesen, wärmer als die 1990er Jahre, wärmer als die 1980er und so weiter", sagte er.