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Das Duell der Klimaforscher
Quelle: welt.online vom 07.11.2007

Der Klimawandel kommt in jedem Fall – die Frage ist nur, wie wir mit ihm umgehen. Soll jede Chance zur CO2-Minderung genutzt werden oder müssen wir uns mit der Erderwärmung abfinden und unser Leben an die neue Situation anpassen? Zwei führende deutsche Klimaforscher streiten sich.

Jede Chance zur Minderung des CO2-Ausstoßes müsse genutzt werden, damit die Erwärmung auf zwei Grad beschränkt werden könne, fordert Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Die Menschen müssten sich damit abfinden und lernen, sich auf den Klimawandel einzustellen, hält Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum Geesthacht (bei Hamburg) dagegen. Jetzt haben sich die beiden Forscher in der Kieler Universität beim „Spiegel“-Forum zu einem Streitgespräch getroffen.

Sowohl Latif als auch von Storch leiten Klimaprojekte im Rahmen der Exzellenz-Initiative des Bundes. Beide kennen sich gut und haben früher in Hamburg zehn Jahre lang gemeinsam geforscht. Doch was den Klimawandel betrifft, so sind sich die Klimaforscher lediglich über die Eckdaten einig.

Außer Frage steht für sie, dass sowohl die Temperatur als auch der Meeresspiegel selbst dann ansteigen werden, wenn alle angekündigten Klimaschutzprogramme umgesetzt würden. Kälte- und Dürreperioden werden ebenso zunehmen wie Extrem-Wetterlagen und vor allem den Menschen in den Entwicklungsländer zusetzen. Einigkeit herrschte auch darin, dass die Folgen heute noch nicht sichtbar sind:
Die Oderflut (1997) und Hurrikan Katrina (2005) seien jedoch keine Folgen des Klimawandels gewesen.

Die Erwärmung der Erdatmosphäre sei heute sehr viel höher, als die schlimmsten Prognosen dies vor zehn Jahren vorhergesagt hätten, sagte Latif. Festzustellen sei ein „kollektives Versagen“ der Politik, der Wirtschaft und der Bürger. Vereinbarungen wie das Kyoto-Protokoll nützten nichts, wenn sie nicht eingehalten würden. Doch es gebe die Chance zur Umkehr, damit die Erwärmung auf zwei Grad beschränkt werden könne. Technisch sei in 30 bis 40 Jahren die Umstellung auf eine klimafreundliche Energiegewinnung möglich. Daran habe die Wirtschaft aber kein Interesse.

Wesentlich pessimistischer zeigte sich dagegen von Storch. Die Entwicklung zeige, dass die Gesellschaft eine Verminderung des CO2-Ausstoßes offensichtlich nicht wolle. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass Maßnahmen wie Energiespar-Lampen oder Rad fahren lediglich Kosmetik sei, „um sich gut zu fühlen“. Die Erderwärmung auf zwei Grad zu drücken, sei illusorisch. Stattdessen müssten sich die Menschen auf die Folgen des Klimawandels einstellen.
„Es fehlt Plan B: Was machen wir, wenn es nicht klappt?“

Die Folgen würden vor allem das Leben an der Küste und an Fluss-Auen betreffen, so von Storch weiter. Die Deiche müssten erhöht, die Kanalisation flutsicher und die Dächer sturmfest gemacht werden. Er vertraue da auf die Anpassungskraft der Menschen. „Wir werden das schon wuchten.“ Es werde derzeit durch die Medien eine große Angst geschürt. Diese aber sei ein schlechter Ratgeber.

Er wolle, so Latif, keine Ängste schüren, sondern informieren. Der Klimawandel komme in jedem Fall. „Wie stark, das hängt von uns ab.“ Zwar trage Deutschland nur mit wenigen Prozent zur CO2-Belastung bei. Der Pro-Kopf-Ausstoß eines Deutschen sei jedoch zehn Mal so hoch wie der eines Inders. Hier sei eine grundsätzliche Änderung der Lebensgewohnheiten notwendig, die über das Energiesparen weit hinausgehen müsse. Deutschland könne Vorbild für Länder wie China oder Indien sein, und jeder sollte tun, was er kann.