Klimawandel: "Die Beharrungskräfte sind sehr stark"
Quelle: 13.06.2007 | 15:15 | (DiePresse.com)
Die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Technologien weltweit wird sich weiter verschärfen. Im Verteilungsstreit gibt es nur Verlierer.
Der Klimawandel wird die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Technologien weltweit weiter verschärfen, so die Befürchtung von Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft bei einer Diskussionsveranstaltung über "Klimaschutz und Entwicklung" am Dienstagabend in Wien. Während die afrikanischen Staaten die "Klimaverschmutzung als aggressiven Akt" geißeln, sei die US-Wirtschaft klimatechnisch mittlerweile aufgewacht und versuche aus ihrem Wettbewerbsnachteil herauszukommen. Die EU fahre in der Frage nationale versus globale Interessen eine Doppelstrategie und in Österreich sei der vorherrschende Kyoto-Malus ein politisches Tabuthema, so die unterschiedlichen Positionen.
Für den Energieexperten des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Stefan Schleicher, gibt es in Österreich ein Tabu-Thema: das Versagen beim Erreichen der Kyotoziele. Österreich produziere jährlich 25 Millionen Tonnen CO2 zu viel, in den nächsten fünf Jahren könne sich die emittierte Menge selbst bei vermindertem Ausstoß auf maximal 100 Millionen Tonnen einschleifen. Kräftige Zukäufe von Emissionsrechten in Milliardenhöhe, umgerechnet 2,5 Mrd. Euro bei 125 Millionen Tonnen CO2, seien die Folge.
Der Biometeorologe und Klimatologe Franz Rubel ortet im Vorgehen der Europäischen Union bei Klimafragen eine Doppelstrategie. Es herrsche derzeit ein Tauziehen zwischen nationalen und globalen Interessen. Der Ausstieg von fossilen Brennstoffen würde sich erst in Dekaden positiv auswirken, was Maßnahmen schwer vermittelbar mache. Rubel fordert daher ein verstärktes Vorgehen auf globaler Ebene ein.
"Die Beharrungskräfte, die von klimaschädlichen Strategien profitieren wollen, sind sehr stark", so die Sektionsleiterin im Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Irene Freudenschuss-Reichl. Gegen sie müsse mit "scharfen Mitteln vorgegangen werden". Armutsbekämpfung müsse Hand in Hand gehen mit einer Bekämpfung der Energiearmut. Wenn aber "Innovationen und Vorteile nicht gerechter verteilt" würden, könnte in punkto Verminderung der Armut wieder nichts erreicht werden.
"Im weltweiten Verteilungsstreit gibt es nur Benachteiligte", betonte Rudolf Scholten, Vorstand der Österreichischen Kontrollbank (OeKB). Die einen würden zu wenig besitzen während die anderen auf ihren Privilegien beharren. Ein "immenses Problem im globalen Sinn" sei, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer den verlangsamten Aufholprozess gegenüber den Industriestaaten bzw. die Kostenerhöhung des Prozesses tragen müssten. Man verlange von den Ländern, dass sie von der Überholspur müssten. Zudem stehe beim Klimawandel die Drohung im Raum, das Problem auf die nächste Generation zu übertragen.
Der deutsche Kulturwissenschafter Nico Stehr verwies darauf, dass "Märkte nicht gottgegeben und damit veränderbar" seien, auch durch die Macht der Konsumenten. Aber die empirische Forschung belege, dass beim menschlichen Verhalten der "beste Indikator für zukünftiges Verhalten vergangenes Verhalten" sei. Den Klimawandel sieht er als unvermeidliche Veränderung. Es gelte nun, sich Sorgen um die Folgen zu machen. Das Nicht-Thematisieren der Auswirkungen beurteilt der Gesellschaftswissenschafter als "Tragödie".