Erde

Der aktuelle Klima-Bericht der UNO sorgt für heiße Debatten
01.04.2007

Es soll bloß von näherliegenden Problemen abgelenkt werden

Der aktuelle Klima-Bericht der UNO sorgt für heiße Debatten. Fakten und Fiktion werden oft vermischt. Während die einen in fetten Überschriften den drohenden Weltuntergang beschwören, spötteln andere über den "Glamour der Weltheilung".
Mit abschließende Deutungen der Daten sollte man vorsichtig sein, doch an bestimmten Tatsachen kommt keiner vorbei. Bis vor rund 250 Jahren war der Einfluss des Menschen auf das komplizierte Klima-System gering. Seit der Industrialisierung hat sich die Zusammensetzung der Atmosphäre, besonders der Gehalt an Treibhausgasen, durch menschliches Zutun erkennbar erhöht. Dieser Prozess beschleunigt sich.

Von Fachleuten gemessen und von uns Laien gefühlt ist weiters die Häufung von warmen Jahren. Das ist mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit ein Zeichen für eine umfassende Änderung des Klimas. Daran ändert auch der Befund nichts, dass es regional weiterhin Kälteperioden geben kann. Auch die größten Zweifler müssen z. B. zur Kenntnis nehmen, dass einst große Gletscher heute weiter zurückgeschmolzen sind als je zuvor in den vergangenen fünftausend Jahren. Dass die Dekade 1996 bis 2005 die wärmste seit Beginn der Messungen im Jahr 1861 war, steht ebenfalls außer Zweifel.

Auf unserer Erde wird es in den kommenden 30 Jahren nachweisbar wärmer, am stärksten in den nördlichen Breiten; viel Eis wird schmelzen, der Meeresspiegel erkennbar steigen. Und so sicher wie nie zuvor steht fest, dass der Mensch für die Veränderungen seiner Umwelt verantwortlich ist.

Die Folgen sind abzusehen; da ist nichts künstlich zu dramatisieren. In Mitteleuropa wird die Wintersport-Industrie (die heute noch den Wohlstand in großen Gebieten Westösterreichs garantiert) in Schwierigkeiten geraten. Während Obertauern, Ischgl und ähnlich hoch gelegene Skiorte attraktiver werden, verlieren tiefer gelegene Gemeinden die Schneesicherheit. Niemand reist im Winter in entlegene Täler, um dort im Gatsch herumzustiefeln. Die Sommersaison wird wichtiger, die Konkurrenz der Fremdenverkehrsorte härter.

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Diese Probleme sind lösbar. Machtlos scheint der Mensch gegen die Folgen in den Subtropen - Austrocknung, Wassermangel - und die Erhöhung des Meeresspiegels, die für Siedlungen an den Küsten katastrophal sein kann.

Der Klimawandel müsste einen Sinneswandel bringen, global und individuell. Viel ist jetzt die Rede von grenzüberschreitenden Maßnahmen bis hin zur "ökologischen Weltregierung". Klingt gut, ist aber nach aller Erfahrung schwer umzusetzen. Die Hoffnung auf ein Welt-Wunder sollte uns nicht abhalten, selbst etwas zu tun. Umweltschutz wird zur Selbstverpflichtung für jeden Einzelnen.

Den Kampf gegen Klimawandel gewinnen wir nicht mit konventionellen Waffen
Früher einmal gab es klare Fronten: Der Osten war böse, der Westen gut - oder umgekehrt, je nach Sichtweise. Mit Bin Laden ist das Bedrohungsszenario schon diffuser geworden. Jetzt ist ein neuer Feind aufgetaucht: Der Klimawandel. Dass dieser noch unsichtbar ist, erschwert die Sache massiv. Es gibt vom Klimawandel vorerst kein Fahndungsfoto mit "Wanted: Dead or alive". Und dass Bruce Willis Raketen in den Himmel jagt, die Planetenkonstellationen ändern und so die Temperaturen auf der Erde beeinflussen, funktioniert realiter nicht ganz.

Wenn der Mensch nicht mit Kanonen auf seinen Feind schießen kann, ist er offenbar ratlos. Dabei müsste man nur die Experten hören. Sie sagen: Es wird massiv wärmer, dadurch steigt der Meeresspiegel, dadurch werden Lebensräume unbewohnbar, Menschen müssen abwandern, Tierarten sterben aus. Darüber hinaus gibt es weniger Trinkwasser, mehr Wirbelstürme und Dürreperioden. Und es wird - wieder einmal - vor allem die armen Länder treffen. Wie der Skilauf in 100 Jahren abläuft, ist technisch interessant, aber geopolitisch vergleichsweise unwichtig.
Die Experten sagen aber auch: Ein Großteil der Probleme ist hausgemacht. Der Klimawandel steckt also in uns selbst. Fangen wir endlich mit der Therapie an. Zumindest mit einer kleinen Energie-Diät. Es ist fünf nach zwölf

Klimabericht wurde von USA entschärft
Einige Passagen gingen den USA, China und Saudi-Arabien zu weit. Deshalb sollen kritische Stellen gestrichen worden sein.

Am Freitag wurde der zweite Weltklimabericht in Brüssel veröffentlicht. Im Mittelpunkt stehen die Regionen, die in den kommenden Jahren besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden werden. Befürchtet werden Dürren, Überschwemmungen, zunehmender Mangel an Trinkwasser und eine stärkere Verbreitung von Krankheiten. Entscheidende Passagen wurden allerdings von Regierungsvertretern abgeschwächt.

Unter dem Klimawandel haben nach Einschätzung der internationalen Experten vor allem arme Menschen zu leiden. Das betrifft nicht nur die Entwicklungsländer, sondern auch die arme Bevölkerung in "wohlhabenden Gesellschaften".

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Arme Menschen
"Die armen Menschen sind die anfälligsten, und sie werden am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels getroffen", erklärte der Vorsitzende Rajendra Pachauri. "Daraus entsteht eine weltweite Verantwortung." Der Bericht sagt voraus, dass Milliarden von Menschen durch den Klimawandel unter Wasserknappheit leiden werden und hunderten Millionen Menschen Nahrung fehlen wird. Betroffen sind demnach vor allem die ärmsten Weltregionen, die am wenigsten für die Erderwärmung durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe verantwortlich sind. Am dramatischsten sind die Auswirkungen für Afrika, wo bis 2020 vermutlich bis zu 250 Millionen Menschen unter Wassermangel zu leiden haben. In einigen Ländern werden die Ernten um die Hälfte zurückgehen.

In dem von Wissenschaftlern erstellten Entwurf für den Bericht heißt es weiter, dass etwa 20 bis 30 Prozent aller Arten von unumkehrbarer Auslöschung bedroht sind, wenn die globale Durchschnittstemperatur um 1,5 bis 2,5 Grad steigt. Diese Stelle sei aber bei den Beratungen für die Endfassung verwässert worden, kritisierte Ian Burton vom Stockholmer Umweltinstitut, der an den Beratungen teilnahm.

Abgeschwächte Endfassung
Den USA, China und Saudi-Arabien ging der Text zu weit. Die Fachleute gaben daraufhin dem Drängen der USA und Chinas nach, berichteten einige Delegierte.

So wurde zum Beispiel ein Abschnitt zu erwarteten Klimaschäden in Nordamerika gestrichen. Im Entwurf hatte es zunächst geheißen, als Folge der Erderwärmung werde es auf dem Kontinent unter anderem Wirbelstürme, Trockenheit, Überflutungen und Brände geben. Strittig war auch noch die Frage, ob eine Schätzung zu den finanziellen Kosten der Klimakatastrophe in den Bericht aufgenommen werden soll oder nicht. Forscher beklagten die Einmischung der Politik.

Laut Klaus Radunsky, Leiter der Klima-Abteilung im Umweltbundesamt, wurden keine "substanziellen" Passagen gestrichen. Es wurden nur kleine Teile der Zusammenfassung weggelassen, über die aus Zeitgründen nicht mehr diskutiert werden konnte, so der Experte. Darunter falle zum Beispiel eine Auflistung der empfindlichsten Regionen.

Verantwortung des Menschen
Der gesamte Abschlussbericht hat einen Umfang von 1.572 Seiten. Bei den einwöchigen Verhandlungen des Weltklimarats (IPCC) in Brüssel ging es jedoch nur um die Empfehlungen für die Politik mit einem Umfang von 21 Seiten. Es handelt sich um den zweiten von insgesamt drei Berichten, die der IPCC in diesem Jahr vorlegen wird.

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Der erste Bericht stellte die Verantwortung des Menschen für die Erderwärmung so deutlich heraus wie kein Report zuvor: Als sehr wahrscheinliche Ursache des Temperaturanstiegs wird der von Menschen verursachte Ausstoß von Treibhausgasen genannt. Anders seien die Veränderungen in der Atmosphäre und den Weltmeeren sowie das Abschmelzen der Pole nicht zu erklären.

Den dritten Teil ihres Weltklimaberichts wollen die Forscher Anfang Mai präsentieren. Dann wollen sie Lösungsvorschläge unterbreiten, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. Am 17. April wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York erstmals über den Klimawandel debattieren.

Es wird eindeutig nirgendwo Gewinner geben.
Wissenschaftler kündigen spätestens für Ende dieses Jahrhunderts Wasserknappheit, Überflutungen und Artensterben an.
Etwa 2500 wissenschaftliche Arbeiten, mehr als 800 Autoren aus über 130 Ländern, sechs Jahre Arbeit – und trotzdem gab es rund um den 1572-Seiten-Entwurf zum Klimabericht wenig Querelen - ganz anders als bei der 21-Seiten-Zusammenfassung für die Politik.
Fest steht, dass ohnedies heiße und gleichzeitig verarmte Regionen der Erde (in Afrika und im Pazifik) die großen Verlierer im Klimawandel sind und sein werden.
Hier die wichtigsten Klima-Schocker der Wissenschaftler:

  • Bei einem weltweiten Temperaturanstieg um bis zu 2,5 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts seien bis zu 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.

  • In Afrika werden wegen des Klimawandels bis 2020 zwischen 75 Millionen und 250 Millionen Menschen an Wassermangel leiden, der auch die Versorgung mit Lebensmitteln beeinträchtigt. In einigen Regionen könnten sich die auf Regen basierenden Erträge bis 2020 bis zur Hälfte verringern.

  • In Asien wird die Gletscherschmelze im Himalaya-Gebiet Überschwemmungen und Bergstürze zur Folge haben. Die Menschen im Bereich der großen Flussdeltas in Süd-, Ost- und Südostasien – werden Probleme mit der Süßwasserversorgung bekommen. Bis 2050 könnte mehr als eine Milliarde Menschen betroffen sein.

  • Damit verbunden sind erhöhte Seuchengefahr sowie eine Zunahme von Allergie auslösenden Pollen.

  • In einigen Regionen Europas könnten bis zum Jahr 2080 bis zu 60 Prozent der Arten aussterben.

  • Zu den regionalen Verlierern gehören auch Inselstaaten wie Tuvalu im Pazifik sowie die Malediven im Indischen Ozean, die damit rechnen müssen, überspült zu werden.

  • Insgesamt wird die Klimaänderung die Gesundheit von Millionen Menschen gefährden. Staaten im Norden wie Russland oder Kanada könnten sich in den kommenden Jahrzehnten womöglich auf reichere Ernten einrichten. Für ein paar Jahrzehnte wird es ein paar Gewinner geben. Da die Temperaturen – angetrieben vom anhaltenden CO2-Ausstoß – aber insgesamt deutlich ansteigen werden, sind die Aussichten auf lange Sicht überall gleich schlecht:
    "Es wir eindeutig nirgendwo Gewinner geben."