Ein Milliardengeschäft
Quelle: Salzburger Nachrichten vom 1.12.2005

Greenpeace kritisiert Milliardensubventionen an die Industrie.

Der seit fast einem Jahr laufende Handel mit Ausstoßrechten für Kohlendioxid hat zu unerwarteten Gewinnen in Milliardenhöhe für die europäische Strombranche geführt.
Denn den Elektrizitätsunternehmen ist es in den vergangenen Monaten gelungen, bis zu 50 Prozent ihrer (scheinbaren) Kosten für die neu benötigten Ausstoßrechte auf die Konsumenten abzuwälzen. Experten behaupten, dass den Versorgern diese Aufwendungen aber gar nicht oder nur in geringem Umfang entstanden sind.

Vielen Energieversorgungsunternehmen sei es gelungen, gratis erhaltene Emissionszertifikate in ihre Strompreise einfließen zu lassen, sagte der österreichische Energieregulator Walter Boltz am Dienstag bei einer Veranstaltung in Leipzig. "Man hat vergessen, dafür zu sorgen, dass Gratiszertifikate auch kostenlos weitergegeben werden müssen. Warum sollten die Unternehmen das freiwillig tun?" Boltz plädierte dafür, Zertifikate künftig zu versteigern und die Erlöse in Klimaschutzprojekte fließen zu lassen.

Seit Jahresbeginn 2005 müssen Schwerindustrie und Energiewirtschaft für jede Tonne klimaschädliches Gas, die sie an die Atmosphäre abgeben, Berechtigungen vorweisen, die sie entweder zugeteilt bekommen haben oder zukaufen müssen. In der laufenden ersten Periode (2005 bis 2007) wurden Ausstoßrechte in vielen Staaten relativ großzügig ausgeteilt. Zu heutigen Preisen einer Tonne CO2 (gut 20 Euro) wurden an Industrie und E-Wirtschaft für die Periode 2005 bis 2007 Rechte im Wert von mehr als 130 Mrd. Euro kostenlos verteilt.

Johannes Mayer von der österreichischen E-Control schätzt den Anteil, zu dem die Überwälzung gelungen ist, auf 30 bis 40 Prozent - also umgerechnet etwa 25 bis 30 Euro jährlich für jeden österreichischen Haushalt. Tobias Federico, unabhängiger Stromexperte in Deutschland, glaubt, dass diese "Überwälzung" sogar zu 50 Prozent gelungen ist.

Stephan Illerhaus, der in Deutschland für die norwegische Statkraft tätig ist, unterstrich, dass Strompreiserhöhungen politisch gewollt seien. Nur so sei der gewünschte Lenkungseffekt zu erzielen. Dies sei schon vor Jahren von Experten von Investmentbanken erwartet worden; diese hätten Aktien von großen Stromversorgern zum Kauf empfohlen, "mit dem Hinweis, dass diese vom Emissionshandel profitieren werden". Die aus höheren Preisen lukrierten höheren Gewinne der Energieversorger würden nur zum Teil für Investitionen verwendet; ein anderer Teil werde wohl an die Anleger bzw. an die staatlichen Eigentümer ausgeschüttet, glaubt Illerhaus.

Leo Windtner, Präsident des Verbands der Elekrizitätsunternehmen (VEÖ), wies am Mittwoch diese Darstellungen zurück. Nicht der Emissionshandel mit Kohlendioxid-Emissionszertifikaten, sondern Preiserhöhungen bei Öl, Kohle und Gas seien die wesentlichen Preistreiber. Behauptungen über Kostensteigerungen durch die Einpreisung der CO2 -Zertifikate sei "reine Spekulation".