Der Klima-Pakt erhitzt wieder die Gemüter
Von Luise Ungerboeck. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2006)

Öster­reichs Industrie und E-Wirtschaft spielen den schwarzen Peter anderen zu

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemissionen steht in Österreich wieder ein heftiges Tauziehen bevor. Um den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bis 2012 wie geplant um 13 Prozent und damit auf das Niveau von 1990 zu senken, müssen Industrie, Verkehr und Haushalte ihren Beitrag leisten. Dass sie das nicht freiwillig tun, ist klar, das Aufheulen von Industrie und Energieversorgern gegen harte Auflagen ist bereits vor Beginn der Verhandlungen fast so laut wie am Höhepunkt des Streits um die erste Auflage des Nationalen Allokationsplans (NAP) vor zwei Jahren.

Kern der Auseinandersetzung sind die Emissionszertifikate, die Industrie und E-Wirtschaft kaufen müssen, wenn sie mehr Tonnen CO2 ausstoßen, als ihnen genehmigt ist.
Ehe Umweltminister Josef Pröll für den Zeitraum 2008 bis 2012 eine neue Klimastrategie ausarbeiten lässt, wird erst die bisherige vom Umweltbundesamt evaluiert. Die Ergebnisse werden im März vorliegen, heißt es in seinem Ministerium, vorher könne man nichts sagen. Nur so viel: Es werde eine breite Maßnahmenpalette notwendig sein, nicht nur die Industrie müsse "bluten".

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Österreich extrem im Verzug

Genau das befürchtet diese aber, denn Österreich sei extrem im Verzug und liege allein beim Ausstoß im Jahr 2003 bereits mit 26 Prozent unter Plan. Das sei bis 2012 nicht mehr aufzuholen und könnte die Republik gut drei Milliarden Euro kosten.

Im Ministerium weist man diese Schätzungen als "Horrorpropaganda" zurück, "die eingeleiteten Maßnahmen beginnen zu wirken": Allein die Benzinpreissteigerungen im Vorjahr hätten den Tanktourismus aus Deutschland deutlich unattraktiver gemacht. Die Beimischung von Biotreibstoffen schlage mit rund einer Million Tonnen Emissionen weniger bereits positiv zu Buche. Ihre Wirkung erst entfalten muss hingegen die Koppelung der Wohnbauförderung an Wärmedämmung, die es immerhin schon in fünf Bundesländern gibt.

Jammern trotz Rekordgewinne

Die betroffene Industrie - allen voran Verbundgesellschaft, Voestalpine, OMV und RHI - sieht das deutlich weniger entspannt. Sie schreibt zwar Rekordgewinne, will aber trotzdem nicht zur Kassa gebeten werden, denn Österreich liege beim CO2-Ausstoß je 1000 Einwohner ohnehin besser als der EU-Schnitt. Das strenge Kyoto-Regime mache den Standort Österreich teurer als Deutschland oder Schweden, wo Stahlproduzenten mehr Emissionszertifikate bekommen als hier zu Lande.

Diskutiert, aber offiziell (noch) nicht gefordert, wird die Einführung eines Kyoto-Aufschlags auf alle Treibstoffe, insbesondere auf Kerosin für Flugzeuge. Gestritten wird - garantiert - bis Ende Juni, da muss der neue NAP in Brüssel vorgelegt werden.

Über 140 Länder haben das Kyoto-Protokoll unterschrieben, aber die USA und Australien als große Klimasünder verweigern sich nach wie vor, obwohl diese beiden Länder zusammen für 22 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich sind. Diese beiden Länder werden nach Berechnungen des Wuppertal Instituts » bis 2010 gegenüber 1990 etwa 34 Prozent mehr Treibhausgase emittieren.
Ähnlich die Entwicklungsländer:
Sie gingen im Kyoto-Protokoll keine Verpflichtungen ein und werden bis 2010 ebenfalls ein Drittel mehr Kohle, Gas und Öl verbrennen als 1990.
Allein die EU-Staaten werden 6,5 Prozent Treibhausgase bis 2010 gegenüber 1990 eingespart haben. Die restlichen Industriestaaten werden bis 2010 etwa dieselben Emissionen haben wie 1990.