"Risiken bei Erneuerbaren gering"
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 27.12.2008
Bundesumweltminister Gabriel will Windparks in Nord- und Ostsee mit milliardenschweren Bürgschaften voranbringen.
Die UN fordern einen globalen "grünen New Deal" durch Investitionen in Öko-Technologien. Das soll die Wirtschaftskrise bewältigen und den Klimaschutz pushen. Warum tut sich ausgerechnet die deutsche Bundesregierung so schwer damit?
Wir müssen uns nun wirklich nicht verstecken. Wir haben den New Deal schon eingeführt, da war in anderen Ländern noch überhaupt keine Rede davon. Allein im Bereich erneuerbare Energie gibt es heute in Deutschland 250.000 Arbeitsplätze, und bis 2020 werden es 500.000 sein. Das muss uns erst mal jemand nachmachen.
Ein US-Präsident Obama will 150 Milliarden Dollar in die Erneuerbaren stecken. Keine Sorge, dass die USA uns abhängen?
Es ist doch prima, wenn es endlich mal Wettbewerb um den Weltmeister-Titel im Klimaschutz gibt. Deutschland oder die EU alleine werden die Erde nicht retten. Deshalb ist der von Barack Obama angekündigte Kurswechsel so wichtig. Andererseits: Obama möchte den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 auf den Stand von 1990 zurückfahren, wir wollen ihn in Deutschland um 40 Prozent unter dieses Niveau senken.
Es heißt doch: Wenn die Amerikaner etwas beschließen, ziehen sie es mit Macht durch.
Eines ist richtig: Die amerikanischen Investitionen in Forschung und Entwicklung setzen uns unter Wettbewerbsdruck. In Deutschland werden in den nächsten Jahren rund 25 000 Ingenieure fehlen. Das trifft die Kernbereiche der Industrie, vor allem dem Umbau zu einer modernen, CO2-armen Energiepolitik. Da müssen wir deutlich besser werden. Studiengebühren jedenfalls, die vom Ingenieurstudium abschrecken und die von Union und FDP überall in Deutschland eingeführt werden, sind brandgefährlich.
Das zu verhindern, reicht kaum.
Das zweite Konjunkturprogramm, über das wir nun diskutieren, muss daher die Bereiche Bildung, Arbeit und Umwelt voranbringen. Wir müssen in die Schulen und Hochschulen investieren, außerdem in eine moderne, effiziente, ökologische Energienutzung. Ich halte nichts davon, Strohfeuer zu entfachen, die schnell ausgehen. Also: Die Einkommensteuern zu senken ist Unsinn, weil man damit nur die Sparquote bei Bürger mit hohen Einkommen weiter pusht. Auch Konsumgutscheine sind Unfug. Wir müssen die Wirtschaft modernisieren und nicht - wie Union und FDP es wollen - nur konservieren.
Woher das Geld nehmen?
Dafür ist es gerechtfertigt, die Verschuldung zu erhöhen. Aber: Die höhere Verschuldung muss verbindlich wieder zurückgeführt werden, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Das muss jetzt schon festgelegt werden - in demselben Gesetz, das die Verschuldungsgrenze erhöht. Das ist Keynes, richtig verstanden.
Bildung und Arbeit sind unumstritten. Aber gerade jetzt geht Kanzlerin Merkel klimapolitisch bei der EU auf die Bremse. Wie passt das zusammen?
Diese Debatte ist abenteuerlich. Da wird zum Teil viel Unsinn erzählt. Die EU hat auch auf deutsche Anregung hin beschlossenen, dass Teile der Industrie die benötigten CO2-Zertifikate kostenlos bekommen. Aber das bedeutet ja nicht, dass die Unternehmen ihren CO2-Ausstoß nicht senken müssen, wie manche behaupten.
Die FR behauptet so etwas nicht. Es geht doch darum, dass Sie das Geld aus den versteigerten CO2- Zertifikaten brauchen, um Klimaschutz in anderen Sektoren zu finanzieren. Und da fehlen nun Milliarden, weil die Ausnahmen zu weit gefasst sind.
Im Stromsektor werden 100 Prozent der Emissionsberechtigungen versteigert. Die Mittel steigen deutlich an, das ist das Wichtigste. 2005 hatten wir 850 Millionen Euro im Bundesetat für Klimaschutz-Aufgaben. Aktuell sind es mehr als drei Milliarden. Die EU-Beschlüsse sorgen dafür, dass Deutschland ab 2013 jährlich bis zu zehn Milliarden aus dem CO2- Markt einnimmt. Das Geld brauchen wir für drei Bereiche. Erstens für mehr Klimaschutz zuhause, um unser CO2-Ziel von minus 40 Prozent bis 2020 zu schaffen - etwa bei Wärmedämmung in öffentlichen Gebäuden oder im Mietwohnungsbau und beim Stromsparen. Zweitens für mehr Hilfen in Entwicklungsländern zur Anpassung an den Klimawandel. Drittens für den Technologie-Transfer in ärmere Länder.
Die Ausnahmen für die Industrie sind voll gerechtfertigt?
Sie fallen sofort weg, wenn es einen neuen internationalen Klimavertrag gibt, Kyoto II sozusagen.
Fraglich, ob der so schnell kommt wie geplant.
Ich bin zuversichtlich: Kyoto II wird 2009 kommen, im Dezember beim Weltklimagipfel in Kopenhagen. Bis dahin sollte man endlich damit aufhören, die EU-Politik zu diskreditieren. Es gibt weltweit keine Region, die so weit vorangeht, die sich Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz setzt, die einen Preis für CO2 einführt, die zeigt, dass Klimaschutz Jobs bringt. Wie wollen wir andere überzeugen, dass das die Lösung ist, wenn wir uns selbst immer schlecht machen?
Konstruktive Kritik ist doch gut.
Ich spreche von jenen, die wider besseren Wissens einen falschen Eindruck erzielen wollen - etwa Herr Rüttgers (CDU) in NRW oder Frau Höhn von den Grünen.
Die Pläne des Bundes, den Ökostrom aus Windkraft kräftig auszubauen, sind gefährdet. Die Banken sind wegen der Krise nicht bereit, die Risiken der Offshore-Parks zu finanzieren. Da geht es um Milliarden-Investitionen. was wollen Sie tun?.
Wir denken über Bürgschaften nach, die solche Großprojekte absichern. Außerdem müssen wir die Genehmigungszeiten für die Stromanschlüsse an die Küste beschleunigen. Und es gibt eine Diskussion darüber, die Offshore-Flächen für längere Zeiträume an die Betreiber zu vergeben. All das verbessert die Renditebedingungen.
Wären solche neue Milliarden-Bürgschaften überhaupt zu schultern - neben denen für die Banken und vielleicht Opel?
Wären sie. Denn man muss wissen: Das Ausfall-Risiko ist bei erneuerbaren Energien sehr gering.
Die Debatte zum zweiten Konjunkturprogramm hat in punkto Verkehrspolitik arge Schlagseite. Milliarden fließen in den Straßenbau, von der Bahn keine Rede. Das kann Ihnen als Umweltminister nicht recht sein.
Eine neue Straßenbau-Orgie wäre falsch. Aber es gibt viele Bereiche, wo Investitionen bitter notwendig sein. Umgehungsstraßen, Lärmschutz, Straßensanierung. Dass die Schiene mehr Geld braucht, ist klar. Aber man darf beide Sektoren nicht gegeneinander ausspielen.
Sie wollen nicht umsteuern? Wäre es nach dem Debakel der Bundesregierung mit der Pendlerpauschale nicht an der Zeit, diese ökologisch umzugestalten?
Wir werden den Bürgern, die jetzt ein paar Euro zurück bekommen, das Geld nicht mit einer ökologischen Begründung wieder aus der Tasche herausziehen. Längerfristig wäre es richtig, die Pendlerpauschale von der Einkommensteuer zu entkoppeln, damit nicht bei gleicher Wegstrecke Gutverdiener viel und Niedriglöhner wenig profitieren. Das wäre weitaus sozialer. Wir können außerdem Finanzmittel dadurch frei bekommen, dass wir die steuerliche Absetzbarkeit von Sprit für Dienstfahrzeuge begrenzen. Es geht doch nicht, dass wir auf EU-Ebene CO2-Grenzen einführen und dann die Nutzung von Spritfressern steuerlich subventionieren. Das zu ändern, bleibt auf der Tagesordnung.
Der Verkehrsbereich muss noch mehr CO2-Minderung bringen, wenn Sie das deutsche Klimaziel für 2020 schaffen wollen. Was schlagen Sie vor?
Es geht um die ganze Palette: von sparsameren herkömmlichen Autos über Hybrid- und Elektroantriebe bis zu Anreizen für den Umstieg auf Bahnen und Busse.
Was halten sie von einer Verschrottungsprämie für alte Autos?
Die ist in der Bundesregierung in der Debatte. Sie kann ein Instrument sein, um den Absatz zu stabilisieren - neben der ökologischen Umstellung der Kfz-Steuer, einer deutlichen Verbrauchskennzeichnung und günstigen KfW-Krediten für sparsame Wagen, die ich vorgeschlagen habe. Wir werden in den nächsten Wochen darüber entscheiden.
Interview: Joachim Wille