Ökostrom-Novelle wäre massiver Rückschritt

Industrie soll künftig um 71% weniger, Haushalte dagegen um 27% mehr zahlen.

Der für morgen (23. Mai 2006) geplante Beschluss der Ökostrom-Novelle im Parlament wäre ein massiver Rückschritt für die Nutzung der Erneuerbaren Energien in Österreich. Die Novelle würde den künftig möglichen Ökostromausbau um 80% beschränken und eine untragbare Rechtsunsicherheit für kommende wie auch für alle bestehenden Projekte schaffen. Die EU-konforme Zielsetzung, im Jahr 2010 78,1% der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bereitzustellen, ist damit definitiv nicht erreichbar.

Bei der Aufbringung der Mittel kommt es zu einer deutlichen Verschiebung weg von der Industrie hin zu den privaten Haushalten. Künftig soll die Industrie um 71% weniger in den Zuschlagstopf einzahlen als nach der derzeit geltenden Gesetzeslage. Die Haushalte werden dagegen um 27% mehr zur Kasse gebeten.

"Diese Novelle wäre ein massiver Rückschritt für die Nutzung der Erneuerbaren Energien in Österreich", stellt Stefan Hantsch, Geschäftsführer der IG Windkraft, fest. "Neben der massiven Kürzung der Mittel für neue Anlagen sollen die erfolgreichen Regeln des bestehenden Ökostromgesetzes gegen Rechtsunsicherheit eingetauscht werden", mahnt Hantsch. "Dieses Gesetz wäre eine Vollbremsung für den Ökostromausbau in Österreich."

Aber nicht nur die massive Kürzung beim Ökostrombudget soll den Anlagenbetreibern das Leben schwer machen. Auch für die Projekte, die letztlich einen Zuschlag erhalten, werden die Bedingungen massiv verschlechtert. Beispielsweise weiß man selbst nach Erhalt aller Genehmigungen nicht, ob man eine Förderung bekommt, und wenn ja, wie hoch der Einspeisetarif für den künftig erzeugten Strom sein wird. Das ist der Fall, weil der Wirtschaftsminister jedes Jahr den Tarif absenken muss, es dafür aber keine kalkulierbare Obergrenze gibt. Investitionen in Ökostromprojekte werden damit zum reinen Glücksspiel und für seriöse Investoren zu risikoreich.

Finanzielle Entlastungen für private Haushalte gibt es durch die geplante Novelle allerdings keine. Neben neuen Investitionsförderungen für (fossile) KWK- und mittelgroße Wasserkraftwerke im Ausmaß von 50 bzw. 60 Mio. Euro kommt es zu einer massiven Umverteilung der Aufbringung der Ökostromkosten. Und zwar weg von der Industrie hin zu den privaten Haushalten. Die Großindustrie beispielsweise soll künftig um 71% weniger in den Ökostromzuschlagstopf einzahlen als jetzt, die Haushalte dagegen um 27% mehr. Zusätzlich soll der Aufbringungsmechanismus von einem Zuschlag pro Kilowattstunde Strom auf eine "Zählpunktpauschale" pro Stromzähler umgestellt werden. Dies führt besonders bei kleinen Haushalten zu Erhöhungen um bis zu 400% Prozent und bei durchschnittlichen Haushalten von 40 bis 80%.

Eine der Hauptbegründungen für die vorliegende Novelle ist durch die massiven Veränderungen auf den weltweiten Energiemärkten weggefallen. Durch den deutlich höheren Marktpreis für Strom in Europa hat sich die Konkurrenzkraft der Ökoenergien deutlich verbessert und der Förderbedarf für Ökostrom wesentlich verringert. Die Mehrkosten für die Ökostromerzeugung sinken stetig und liegen weit unter der offiziellen Prognose der Energieregulierungsbehörde E-Control: 2006 werden sich die Kosten auf gut Euro 200 Mio. belaufen und nicht auf über Euro 300 Mio., wie von der E-Control in ihrem Gutachten 2005 prognostiziert.

Die IG Windkraft appelliert an alle Nationalratsabgeordneten, nicht dazu beizutragen, die Zukunft der Erneuerbaren Energien zu verbauen, und daher die vorliegende Novelle nicht zu beschließen. Ganz im Gegensatz zu der derzeit geplanten Novelle benötigt es einen neuen Ansatz nach Vorbild des deutschen Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG), also großzügige Energieeffizienzmaßnahmen sowie langfristige Ökostromziele: 12% Ökostrom (Sonne, Wind, Biomasse) an der in öffentliche Netze abgegebenen Strommenge im Jahr 2010, 15% im Jahr 2015 sowie 20% am Gesamtstromverbrauch im Jahr 2020.