Ökostrom-Bilanz
eine Analyse: von Josef Urschitz (Die Presse) vom 22.04.2004
Ökostrom hat seine Berechtigung - aber nicht jede Produktion ist effizient.
Am Tag vor der heutigen Präsentation des Sozialpartnermodells für eine Umstellung der Ökostromförderung (einschließlich Kostenbegrenzung) ist der politische Streit um den teuren "grünen" Strom voll entbrannt. Die "Ökoenergie-Allianz" spricht von einem "Todesstoß" für den Ökostrom, die Umweltsprecherin der Grünen wirft dem Wirtschaftsminister vor, mit "falschen Zahlen" gegen umweltfreundliche Stromerzeugung zu agitieren, der Stromregulator wiegelt ab und meint, das festgeschriebene Ziel, 2008 mehr als vier Prozent der Stromerzeugung aus Öko-Quellen (Kleinwasserkraft, Windenergie, Biomasse, Fotovoltaik) zu gewinnen, sei locker erreichbar. Immerhin mache allein die Ende 2004 installierte Leistung der Windkraftwerke schon drei Prozent des Gesamtbedarfs aus, Biomasse könne weitere 1,5 Prozent des Strombedarfs liefern. Das Problem dabei: "Ökostrom" ist sehr teuer, kann zu Marktpreisen nicht produziert werden, benötigt also Subventionen und belastet damit Wirtschaft und Haushalte. Ein Biostrom-Anteil von vier Prozent würde bei der gegenwärtigen Förderstruktur über die Einspeisgarantiedauer von 13 Jahren einen akkumulierten Förderbedarf von stolzen zwei Mrd. Euro auslösen.
So weit die Ausgangssituation.
Diese zwei Milliarden müssen über höhere Einspeistarife von der Wirtschaft und privaten Stromkunden aufgebracht
werden. Die Energiekosten der Industrie steigen damit beispielsweise um zwei Prozent. Biomasse-Lobbyist Heinz Kopetz sagt, "nur" zwei Prozent, die Industrie
meint, dass eine zweiprozentige Kostensteigerung im internationalen Wettbewerb keine Kleinigkeit sei und energieintensive Produktionen ins günstigere
Ausland verscheuche. Dafür, so kontern die Ökostrom-Befürworter, entstünden neue Arbeitsplätze in Zukunftstechnologien.
Allerdings: Derzeit werden "selbsttragende" Jobs gegen subventionierte eingetauscht, weil die Ökostrombranche ohne Subventionen nicht
konkurrenzfähig ist.
Ein Blick hinter die Kulissen zeigt jedenfalls eine durchwachsene Bilanz: Windkraft ist zweifellos eine umweltfreundliche Methode der Energiegewinnung. Allerdings gibt es in Österreich nur wenige Plätze, wo der Wind für einen sinnvollen Betrieb ausreicht. Das Arbeitsplatzargument ist bei der Windkraft schlicht falsch: Die Anlagen werden zur Gänze importiert, der Job-Effekt betrifft nur die Aufstellung. Windstrom ist in der Erzeugung ungefähr dreimal so teuer wie konventioneller Strom.
Bei der Biomasse sieht das etwas anders aus. Da gibt es durchaus heimische Anlagenbauer, die davon profitieren, womit auch das
Arbeitsplatzargument zieht. Die ausgeglichene Umweltbilanz der Biomasse (es werden bei der Verbrennung von Holz exakt so viele Schadstoffe freigesetzt,
wie der Baum in seinem Lebenszyklus vorher gebunden hat) ist freilich ein Rechenkunststück, das nur über lange Zeiträume und bei globaler
Betrachtung funktioniert. Die Anrainer von Biomassekraftwerken haben jedenfalls erhöhte Schadstoffbelastung zu tragen. Speziell dann, wenn
das Holz (wie vielfach der Fall) aus Kostengründen importiert wird. Da wird die Umweltbilanz dann (auch wegen des Transports) eindeutig negativ.
Sie ist aber klarerweise immer noch viel besser, als wenn fossile Energieträger verbrannt würden.
Zweifellos positiv ist der Umwelteffekt bei Kleinwasserkraftwerken und bei Fotovoltaikanlagen, wobei letztere derzeit freilich noch viel zu teuer sind.
Experten meinen, dass der Einsatz von Ökostromanlagen für die regionale Versorgung durchaus sinnvoll sein kann, dass
aber Effizienzkriterien derzeit viel zu wenig berücksichtigt würden.
Im Klartext: Die Windkraft- und Biomasse-Lobbyisten haben nicht
nur ökologische, sondern durchaus auch handfeste ökonomische Interessen im Sinn. Immerhin lassen sich mit den Subventionen bei
Windkraftanlagen zweistellige Renditen erzielen. Und die Biomasse-Förderung ist ein lukratives neues Subventionsfeld für die Landwirtschaft.
Die Herausforderung, vor der die Regierung jetzt steht, ist einfach erklärt, aber schwer zu bewältigen: Einen Kompromiss zu finden, der die zukunftsträchtigen (wenn auch noch weit von jeder Wirtschaftlichkeit entfernten) Alternativanlagen nicht abwürgt, ohne gleichzeitig bestehende Arbeitsplätze in der energieintensiven Industrie zu gefährden und Konsumenten (zum Nutzen von einigen Ökostrominvestoren) über Gebühr zu belasten.