Ein provokativer Beitrag in der Tageszeitung "Die Presse"
Wer will Kokosnüsse aus dem Burgenland?
Quelle: ("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2011)
Deutschland will die Kosten-Nutzen-Relation beim Ökostrom zukünftig etwas genauer ansehen. Ein Anlass, auch bei uns über fehlgeleitete Förderungen und ebenso sinnlose wie teure Öko-Kleinstaaterei nachzudenken.
Annähernd 30 Euro muss ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt derzeit im Schnitt jährlich für „Ökozuschläge“ zum Strompreis berappen. Mit deutlich steigender Tendenz.
Das wäre durchaus auszuhalten, wenn das Geld sinnvoll eingesetzt würde. Ja, wenn...
Leider haben in Österreich aber ein paar sehr effiziente Pressure-Groups die Ökostrombranche geentert. Und so sieht das Ganze auch immer mehr aus. Das Konzept
dahinter ist ganz offenbar, aus der Ökoenergieförderung eine Art Fortsetzung der Agrarsubventionen mit anderen Mitteln zu machen. Wohin das letztendlich führt, kann man am finanziellen
Zustand des Agrarsystems selbst sehr schön ablesen.
Es wird also Zeit, hier auf die Bremse zu steigen. In Deutschland (wo eine offenbar überzogene Solarförderung eine unterdessen geplatzte Aktienblase bei börsenotierten Solarunternehmen verursacht hat) beginnt man hier schon umzudenken: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat vor ein paar Tagen angekündigt, er wolle die Ökostrombranche „behutsam an den Wettbewerbsmarkt heranführen“. Das heißt, die direkten Förderungen früher als geplant zurückfahren und mehr auf die „Kosten-Nutzen-Relation“ achten.
Letzteres ist das Stichwort: In der Ökostrombranche hat sich hierzulande eine „Small is beautiful“-Ideologie breitgemacht, die genau auf diese Kosten-Nutzen-Relation nicht achtet. Ist ja auch egal, solange die Stromkonsumenten mit Zwangszuschlägen den Unfug mitfinanzieren müssen.
Klar gesagt: Die meisten deutschen und österreichischen Regionen sind nicht gerade dafür bekannt, dass ständig eine steife Brise bläst oder die Sonne jahraus, jahrein unbarmherzig vom Himmel knallt. Sie sind also nicht unbedingt die Regionen, in denen Wind- und Solarstrom großtechnisch ausreichend effizient erzeugt werden können.
Das heißt natürlich nicht, dass es da oder dort nicht sinnvolle regionale Produktionen geben kann. Aber in großem Stil lässt sich der wünschenswerte Totalumstieg auf umweltfreundliche erneuerbare Energien so nicht sinnvoll realisieren. Hier wird es Zeit, endlich in europäischen Dimensionen zu denken. Denn auf dem Kontinent gibt es sehr wohl Regionen, die sich zur großflächigen effizienten Nutzung von Wind und Sonne anbieten.
Was man dann braucht, sind freilich ausreichend dimensionierte Leitungen, mit denen die umweltfreundlich erzeugte Energie dorthin gebracht werden kann, wo sie benötigt wird. Genau in diese Richtung will der deutsche Wirtschaftsminister offenbar gehen: Zugleich mit der Ankündigung, mehr auf Ökostrom-Effizienz zu achten, hat Brüderle auch angekündigt, einen Vorstoß gegen die auch in Deutschland grassierenden „Entscheidungsblockaden“ beim Leitungsbau unternehmen zu wollen.
Nicht, dass die Idee ganz neu wäre: In den großen europäischen Energiekonzernen, auch in der heimischen Verbundgesellschaft, wird schon lange ein gesamteuropäischer Ökostromverbund durchgespielt: Windstrom aus der Nordsee, Solarstrom aus Südeuropa und als „Speichermedium“ oder „grüne Batterie“ (die Sonne scheint ja blöderweise nur selten dann, wenn Verbrauchsspitzen auftreten) die großen Speicherkraftwerke in den schweizerischen und österreichischen Alpen. So funktioniert internationale Arbeitsteilung ja auch in anderen Branchen. Und man baut auch nicht zu hohen Kosten und mit hohen Förderungen Palmen in burgenländischen Glashäusern an, nur um kokosnussautark zu sein.
Das passt natürlich nicht in die Anti-Konzern-Ideologie der heimischen Ökobranche. Wird aber im Kleinen ohnehin schon praktiziert. Denn auch die Burgenländer schalten ihre Elektrogeräte nicht passend zu den Windverhältnissen auf der Parndorfer-Platte ein. Der dort erzeugte Strom muss also auch irgendwie nach Kaprun gebracht werden, um dort Wasser in die Speicher hochzupumpen. Ein Euro-Ökostromverbund schließt regionale Ökostrom-Insellösungen nicht aus. Man sollte nur ehrlich sein: So toll und zukunftsweisend das ist, was etwa in der „ökoenergieautarken“ Mustergemeinde Güssing passiert: Würde man die Stadt vom Verbundnetz abklemmen, wäre es mit der „Autarkie“ bald vorbei.
Wenn Ökostrom zu einer dauerhaft akzeptierten Erfolgsgeschichte werden will, dann muss man über Effizienz nachdenken. Und die lässt sich halt nur auf gesamteuropäischer Ebene realisieren. Denn die Stromkunden, die jetzt auch viele eher zweifelhafte Öko-Kleinprojekte zwangsweise mitfinanzieren, sind nicht grenzenlos belastbar.
Für diese Behauptungen ist ausschließlich der Verfasser zuständig und decken sich diese vielfach nicht mit mit den Ansichten des Betreibers diese Webseite.