Solarstrom wird konkurrenzfähig
Author: Bernward Janzing; TAZ v .16.05.2009

Eine Studie der Landesbank BW zeigt, dass Solarstrom in wenigen Jahren günstiger als Netzstrom und die neue CCS-Technik sein kann

Aus der Solarbranche kennt man solche Szenarien längst, aus der Feder von Bankanalysten sind sie bemerkenswert: Schon ab dem Jahr 2012 kann Solarstrom vom Dach in Deutschland billiger sein als der Strom aus der Steckdose. Und im Jahr 2020 wird es sogar billiger sein, CO2 durch Fotovoltaik zu vermeiden als durch Abtrennung des Abgases in Kohlekraftwerken, genannt Carbon Capture and Storage (CCS). Das alles ist nachzulesen in der "Branchenanalyse Photovoltaik 2009" der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Ausschlaggebend für die Perspektiven sind Prognosen über eine weiterhin sehr dynamische Entwicklung der Fotovoltaik, die zu deutlichen Preisabschlägen führen wird. Für 2009 rechnen die Analysten mit einer Neuinstallation in Deutschland von 2.200 Megawatt, nach rund 1.500 Megawatt im vergangenen Jahr. Der Preis der Module werde in diesem Jahr um 24 Prozent niedriger liegen als 2008.

Die sogenannte Netzparität - sie ist gegeben, wenn Solarstrom unsubventioniert mit Netzstrom konkurrieren kann - werde in Deutschland sogar früher erreicht als in einigen südlicheren Ländern, rechnen die Analysten vor. Das hängt schlicht an den jeweiligen Strompreisen - wo der Netzstrom billig ist, dort tut sich die Fotovoltaik naturgemäß schwerer. So werde Italien erst 2013 und Griechenland sogar erst 2017 die Netzparität erreichen. Am extremsten ist Spanien, das mit seinen "stark subventionierten konventionellen Strompreisen" erst nach 2020 an die Schwelle der Wirtschaftlichkeit kommen werde.

Fast noch bemerkenswerter als die Kalkulation zur Netzparität ist unterdessen das Urteil der Banker zum Thema CCS. Die Technik sei "selbst in Mitteleuropa aus betriebs- und volkswirtschaftlichen Gründen nicht angebracht". Und dann werden die Banker sogar politisch: "Hier sollte sich die Politik die Frage gefallen lassen, welche Technologie in Zukunft durch Steuergelder gefördert werden soll: die ,Säuberung' konventioneller, fossiler Kraftwerke mit Auslaufdatum durch die CCS oder die doch wohl nachhaltigere Versorgung der Industriegesellschaft mit Solarstrom."

In Stuttgart haben die Grünen aufgrund der Studie eine Stellungnahme der Landesregierung beantragt. Das Land war in seinem jüngst publizierten "Energiekonzept 2020" nur von einem recht moderaten Ausbau der Fotovoltaik ausgegangen.

Historie der Fehleinschätzung

Was hat man sich in der Vergangenheit nicht alles anhören müssen über die erneuerbaren Energien. Die Stromwirtschaft verhöhnte den Ökostrom noch in den frühen Neunzigerjahren in Anzeigen mit den Worten: "Die fangen den Wind ein und melken die Sonne? - Wer solchen Beschäftigungen nachgeht, der fängt sich auch Witze ein."

Der "Informationskreis Kernenergie" rechnete unterdessen vor, dass ein Anteil von einem Prozent Windstrom, wie ihn Dänemark seinerzeit erreichte, "in der Bundesrepublik wegen anderer klimatischer Bedingungen" nicht möglich sei. Tatsächlich nähern wie uns heute den sieben Prozent an.

Zum ständigen Repertoire der Kohle- und Atomlobby gehörte auch stets die Aussage, dass Solarstrom viel zu teuer sei. Und jetzt rechnen ausgerechnet Banker im Rahmen einer Studie vor, dass Solarstrom schon in wenigen Jahren billiger sein wird als der fossil-atomare Mix aus der Streckdose. Und sie legen dar, dass sich der CO2-Ausstoß mit Sonnenenergie billiger vermeiden lässt als durch CO2-Deponierung der Kohleabgase im Untergrund.

Längst lässt sich bilanzieren: Die Historie der erneuerbaren Energien ist eine Historie der Fehleinschätzungen seitens der etablierten Stromwirtschaft. Ob vorsätzlich oder in grotesker Unkenntnis der Materie sei dahingestellt, entscheidend ist vielmehr die Erkenntnis, dass die sogenannten Prognosen der etablierten Stromwirtschaft nicht taugen, da sie vor allem eins sind: interessengeleitet.