Risiken bei Photovoltaikanlagen


Heribert Petzenhauser


Verunsicherung wegen fehlender Errichtungsbestimmungen

Photovoltaikanlagen erfreuen sich bei Investoren und Selbstversorgern steigender Beliebtheit. Die derzeitige Fördersituation macht den Einstieg in den Sonnenstrom offensichtlich lukrativ, entsprechend schnell steigt in Deutschland die installierte Leistung.


VDE-Bestimmung wird erwartet

Bis dato gibt es seitens des VDE keine Errichtungsbestimmungen zu Photovoltaikanlagen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass von Seiten der Deutschen Elektrotechnischen Kommission (DKE) demnächst eine VDE-Bestimmung – die DIN VDE 0100-712 – verabschiedet wird. In dieser Norm werden insbesondere Errichtungsbestimmungen aufgrund der besonderen Gefährdungen von Photovoltaikanlagen reglementiert. Die noch fehlenden technischen Regeln erschweren eine einheitliche und sichere Installation der Anlagen. Die folgenden Ausführungen sollen einen Beitrag zur Fachdiskussion leisten und enthalten Vorschläge, wie aus Sicht des TÜV SÜD die Gefährdung durch Photovoltaikanlagen minimiert werden kann.
 
 
 Fachbegriffe 
 
 PV: Photovoltaik 
 
 

Solarzelle: einfache PV-Einrichtung, die Elektrizität erzeugt, wenn sie mit Licht (z.B. Sonneneinstrahlung) in Berührung kommt.

 
 
 

Solar-Modul: Die kleinste komplette, gegen Umwelteinflüsse geschützte Kombination untereinander verbundener Solarzellen.

 
 
 

Array: Eine mechanisch zusammengefasste Kombination von Modulen und Feldern zusammen mit Konstruktionselementen (ohne Fundament, Überwachungseinrichtungen, Temperaturüberwachung und anderen solchen Einrichtungen) zur Bildung einer Gleichstromerzeugungseinheit.

 
 
 

Strang: Ein Stromkreis, in dem PV-Module zu Arrays oder Unterarrays in Reihe geschaltet sind, um die festgelegte Ausgangsspannung zu erreichen.

 
 
 

Generator: Die Einrichtungen aller PV-Arrays innerhalb eines vorgegebenen PV-Systems.

 
 
 

Generatoranschlusskasten: Ein Gehäuse, in dem alle PV-Stränge elektrisch untereinander verbunden sind und in dem, falls erforderlich, Schutzeinrichtungen angeordnet sind. Schutzeinrichtungen für den Schutz bei Überlast sind bei parallelgeschalteten PV-Modulen erforderlich, wenn die Kabel den Kurzschlussstrom der parallel geschalteten Module nicht dauernd führen können.

 
 
 

Wechselrichter: Eine Einrichtung, die Gleichstrom am Eingang in Wechselstrom am Ausgang umformt.

 
 
 
 
 
 Die wichtigsten Bestandteile einer Photovoltaikanlage 
 
 

Photovoltaikanlagen bestehen aus einem Speisepunkt (Einspeisestelle ins Netz des Energieversorgungsunternehmens – EVU),

 
 
 einem Leistungsmesser (Stromzähler), 
 
 Versorgungskabel, 
 
 

Wechselrichter (in dem die Gleichspannung in die übliche Wechselspannung des Netzes umgewandelt wird),

 
 
 Überspannungs-Schutzeinrichtung, 
 
 einem Gleichstromhauptkabel 
 
 

und dem eigentlichen Stromerzeuger (Module als Generator).

 
 
 
Der Photovoltaik-Generator besteht aus mehreren Strängen mit einzelnen Modulen, die in der Regel bis zur maximalen Betriebsspannung des PV-Wechselrichters in Reihe geschaltet sind. Die Festlegung hierüber obliegt dem Hersteller.


Gefährdungen bei Photovoltaikanlagen

Photovoltaikanlagen liefern, je nach Auslegung, Spannungen bis zu 750 Volt und mehreren Ampere. Bei entsprechenden Leistungsparametern besteht deshalb ein entsprechendes Gefährdungspotenzial bis zur Lebensgefahr.

Der Mensch reagiert sehr empfindlich auf elektrischen Strom. Oberhalb etwa 100 mA (tausendstel Ampere) kann eine Wärmeempfindung in den Extremitäten und innerhalb der Berührungsfläche schmerzhafte Empfindungen in der Haut während des Stromflusses wahrgenommen werden. Querdurchströmungen bis 300 mA durch den menschlichen Körper für mehrere Minuten können unter Zunahme von Einwirkdauer und Stromstärke irreversible Herzrhythmusstörungen, Strommarken, Verbrennungen, Schwindelanfälle und manchmal Bewusstlosigkeit bewirken.

Oberhalb 300 mA tritt häufig Bewusstlosigkeit auf. Mit Strömen von einigen Ampere, die einige Sekunden andauern, können häufig tiefe Verbrennungen, andere Schädigungen und sogar der Tod auftreten.

Ordnungsgemäß hergestellte und errichtete Photovoltaikanlagen sind ausreichend isoliert, so dass eine gefährliche Spannung nur im Fehlerfall abgegriffen werden kann. Für diese Fehler müssen Schutzmaßnahmen vorgesehen werden.

Der VDE-Fachbegriff lautet „Schutz gegen elektrischen Schlag“. Bei normalen elektrischen Anlagen wird ein schadhafter Anlagenteil durch das Ansprechen einer Schutzeinrichtung (z.B. Sicherung) abgeschaltet. Dies ist beim PV-Generator nicht möglich. Deshalb dürfen die PV-Module nur für Fachkräfte oder unterwiesene Personen zugänglich sein, und der Bereich ist durch Warnschilder entsprechend zu kennzeichnen.

Neben der Gefahr für Personen ist bei Photovoltaikanlagen auch die Gefahr für Nutztiere und die Brandgefahr zu beachten.

So gelten z.B. in der Landwirtschaft besondere Installationsvorschriften.

Für den Schutz bei Kurzschluss ist zu berücksichtigen, dass Maßnahmen, die in konventionellen Netzsystemen wirksam sind, bei Photovoltaikanlagen wegen der geringen Kurzschlussströme nicht anwendbar sind.

Der Markt bietet PV-Wechselrichter mit den Schutzklassen I und II an.
 

Schutzklasse I: Abdeckung der aktiven Teile und Schutzleiteranschluss an das Gehäuse

 

Schutzklasse II: Abdeckung der aktiven Teile mit einer verstärkten oder zweifachen Isolierung

 

Schutzklasse III: Bei dieser Schutzklasse ist die Spannung auf 50 V Wechselspannung (AC) und 120 V Gleichspannung (DC) beschränkt und deshalb für den PV-Wechselrichter nicht anwendbar.

 
Bei Geräten mit der Schutzklasse II sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich; der Schutz wird durch die verstärkte bzw. zusätzliche Isolierung am PV-Wechselrichter erreicht.

Bei PV-Wechselrichtern der Schutzklasse I ist bei einem elektrischen Fehler eine Personengefährdung möglich. In diesem Fall muss aufgrund der geringen Kurzschlussströme eine geeignete Schutzmaßnahme gewählt werden.

Denkbar ist der so genannte Potenzialausgleich, bei dem das Gehäuse des PV-Wechselrichters an eine Erdungsanlage angeschlossen wird. Des Weiteren sind über eine Haupt-Potenzialausgleichsschiene die fremden leitfähigen Teile im Aufstellungsbereich des PV-Wechselrichters sowie die Konstruktionsteile des PV-Generators miteinander und mit dem PEN-Leiter der Einspeisung zu verbinden.

Unter fremden leitfähigen Teilen sind metallene Leitungssysteme zu verstehen, die ein anderes Potenzial einschließlich Erdpotenzial einführen können.

Dies können z.B. Wasserleitungen, Melkleitungen, Pneumatikleitungen oder Metallkonstruktionen des Gebäudes sein. Die erforderlichen Leiterquerschnitte für diese Potenzialausgleichsleiter sind von den Querschnitten der aktiven (stromführenden) Leiter und der Verlegeart der PA-Leiter (geschützt/ungeschützt) abhängig. Die geforderten Querschnitte können DIN VDE 0100-540 entnommen werden.


Gefährdung bei Wartungsarbeiten

Eine Gefährdung ist insbesondere bei der Reinigung der Solarmodule auf Dächern gegeben. Ebenso gefährlich ist die Befreiung der Solarmodule von Schneelasten. Bei Arbeiten auf den Dächern sind grundsätzlich Absturzsicherungen zu verwenden. Im Jahr 2005 hat sich bei einem landwirtschaftlichen Anwesen bereits ein tödlicher Unfall infolge eines Dachsturzes bei der Befreiung der Solarmodule von Schnee ereignet.

Gefährdung im Brandfall

Die Kabel bzw. Leitungen zwischen dem PV-Generator und dem PV-Wechselrichter sind nicht gegen Isolationsfehler, Überlast oder Kurzschluss geschützt. Wegen der begrenzten Ströme ist ein solcher Schutz gegen Überlast und Kurzschluss auch nicht möglich.

photovoltaik-Schaltschema

Die PV-String-, PV-Array- und PV-Gleichstromhauptkabel/-leitungen müssen deshalb in einer solchen Weise errichtet werden, dass das Risiko eines Erdschlusses oder Kurzschlusses auf ein Minimum reduziert ist. Dies kann z. B. durch eine geschützte Kabelverlegung, Verlegung innerhalb von metallenen Schutzrohren und Verstärkung durch Verwendung von Einleiterkabeln oder -leitungen gewährleistet werden. Bei der Errichtung von Leitungsanlagen in feuergefährdeten Bereichen, insbesondere in landwirtschaftlichen Anwesen, sind diese auch gegen Nagetiere zu schützen. Müssen z.B. Dritte (bei einem Brand kann dies die Feuerwehr betreffen) die Stromerzeugung unterbrechen, ist die Abschaltung durch geeignete Trenneinrichtungen am Wechselrichter und bei den Solarmodulen zu bewerkstelligen.

 
 
 
 Was ist im Brandfall zu beachten? 
 
 

Bei Photovoltaikanlagen gibt es nachfolgende potenzielle Gefährdungen durch Atemgifte, Einsturz und Elektrizität:

 
 
 

Atemgifte: Die Module bestehen u.a. aus Glas, Silizium, Metallen und verschiedenen Kunststoffen. Durch Verbrennungen können toxische Gase freigesetzt werden. Bei der Brandbekämpfung ist ein geeigneter Atemschutz zu verwenden.

 
 
 

Einsturz: Die gläsernen Schutzabdeckungen können durch Erhitzen bzw. Löschwasser bersten und herabfallen. Außerdem ist der Absturz ganzer Module möglich. Der gefährdete Bereich ist von Personen zu meiden.

 
 
 

Elektrizität: Die Solaranlage ist auf der AC-Seite vom EVU-Netz zu trennen und gegen Wiedereinschalten zu sichern, nach unserer Ansicht ist deshalb jede PV-Anlage mit einem gut zugänglichen Hauptschalter auszurüsten. Anschließend ist die DC-Seite nach Möglichkeit freizuschalten, sofern eine zugängliche Freischaltstelle vorhanden ist. Bei Lichteinfall ist trotz der Freischaltung bis zur Freischaltstelle die Anlage (Module und Kabel) unter Spannung. Elektrische Leitungen und die sonstigen Anlagenkomponenten sind nicht zu berühren und ein Abstand von einem Meter ist einzuhalten.

 
 
 
 
 
 
Heribert Petzenhauser,
TÜV SÜD Industrie Service,
Abteilung Elektro-
und Gebäudetechnik,
Regensburg