Nordsee-Netzplan lenkt Ausbau der Windkraft in die falsche Richtung
Ein Hochspannungskabel soll durch die Nordsee verlegt werden.
Der Plan, ein Hochspanungskabelnetz durch die Nordsee zu legen, das Strom aus Offshore-Windparks und aus norwegischen Stauseen liefern soll, mag auf den ersten Blick faszinierend aussehen, ist aber als Gesamtplan auf den zweiten Blick irreführend. Denn dahinter steckt unverkennbar die Absicht, den weiteren Ausbau der Windkraft in erster Linie auf Offshore-Anlagen und damit in die Hände der Energiekonzerne zu lenken. Damit würde dem wünschenswerten Ausbau dezentraler Stromerzeugung in vielen Händen – von Stadtwerken und von privaten Betreibern – der Weg verstellt. Diese dezentrale Erzeugung ist auch für die Windkraft die volkswirtschaftlich attraktivere und betriebswirtschaftlich preiswertere Alternative.
Es ist auffällig: Immer wenn milliardenschwere Megavorhaben angekündigt werden, gibt es große öffentliche Aufmerksamkeit. So war es bei der weit überschätzten Wüstenstromidee Desertec, und so ist es jetzt bei der North Seas Countries' Offshore Grid Initiative. Dass es hierfür eine breite Zustimmung von Regierungen bis zu Greenpeace gibt, ist kein Ausweis für die Güte des Planspiels.
Netzinvestitionen müssen von den tatsächlichen Standorten der Stromerzeugung ausgehen. Dies gilt in erster Linie für den erforderlichen Strukturwandel zur Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien, der vorrangig zu dezentraler Stromerzeugung an vielen Standorten in breiter regionaler Streuung führen muss. Die Priorität bei künftigen Stromnetzinvestitionen muss also für regionale und lokale Erzeuger gesetzt werden, die intelligente Systeme mit einem Mix aus Erneuerbaren Energien anbieten.
Der Ausbau von Versorgungsleitungen aus norwegischen Wasserkraftwerken nach Zentraleuropa ist deshalb vernünftig, um auf diesem Wege schneller zu einem notwendigen und vollständigem Strommix mit Erneuerbaren Energien, insbesondere zu einer Reserveleistung für die Windkraft in windarmen Sommermonaten, zu kommen. Demgegenüber muss jede Investition für Untersee-Hochspannungskabel von Offshore-Windparks in der Nordsee davon abhängig bleiben, dass derartige Produktionsstätten tatsächlich praktisch gesichert sind. Wie viele Kapazitäten es sein werden, ist heute allerdings nicht seriös abschätzbar. Es bleibt fraglich, ob eine Offshore-Kapazität von 100 Gigawatt in der Nordsee (entsprechend 100 Kohlekraftwerken von je 1.000 Megawatt) entsteht, wie europäische Stromkonzerne behaupten.
Es steht nämlich zweifelsfrei fest, dass Windkraftanlagen Onshore auf dem Festland oder Nearshore in Küstennähe zu deutlich niedrigeren Kosten produzieren können. Dabei wird es bleiben. Nicht zufällig muss Windstrom aus Offshore-Anlagen nach dem deutschen EEG eine um 40 Prozent höhere Einspeisungsvergütung pro Kilowattstunde erhalten als Windstrom vom Festland. Wer einseitig auf Offshore setzt, schadet dem Wechsel zu Erneuerbaren Energien, weil er ihn verteuert und zeitlich verzögert. Die Stromkonzerne setzen nur deshalb darauf, weil sie dadurch ihr Oligopol als Stromproduzenten erhalten wollen, das sie mit ihren Atom- und Kohlekraftwerken und ihren Preisdiktaten errungen haben.