Irrwege zur Machterhaltung
Quelle:Leitartikel der Zeitschrift oekoenergie 76; Author Ernst Scheiber
Die heimische Energiepolitik lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Gibt es doch Beruhigungspillen en masse, so "Nabucco", das Märchen von einer angeblich sicheren Gasversorgung. Oder die Kohlenstoffspeicherung, die sogenannte "CCS-Option". Oder gar das Solarenergieding "desertec" mit Kosten von flotten 400 Milliarden EURO.
Einfach grandios, die Dynamik des Ausbaues von erneuerbaren Energien querfeldein in Europa, aber auch weltweit. Diese Entwicklung nachzuvollziehen, ist nicht so schwierig. Man braucht
gar nicht so weit in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt bekanntlich so nah. Wie in Südtirol.
Döst die Energiepolitik bei uns seit Jahren dahin, katapultieren
Luis Durnwalder, Michl Laimer und Co. "unser" Südtirol mit viel Schwung, aber auch mit gediegenen Förderungen an die Europaspitze der Nutzung erneuerbarer Energien.
Während sich in Österreich Sozialpartner beim Ökostrom seit Jahren als Bremser und letztlich als Verhinderer inszenieren, kann Südtirol bei der Stromproduktion aus Erneuerbaren in
den vergangenen Jahren auf Erfolgstorys par excellance verweisen.
Während in Österreich derzeit zu einer großmächtigen Diskussion über eine mögliche Energiestrategie ausgeholt wird, hat Südtirol einen Anteil der erneuerbaren Energie am Gesamtenergieverbrauch
von mittlerweile 44 Prozent erreicht.
Diskussionen über die zukünftige Energieversorgung finden in Österreich kaum statt. Sollen sich andere ihre und unsere Köpfe über eine der Schlüsselfragen der Menschheit zerbrechen. Die heimische Energiepolitik lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Gibt es doch Beruhigungspillen en masse, so "Nabucco" das Märchen von einer angeblich sicheren Gasversorgung. Oder die Kohlenstoffspeicherung, die sogennantre "CCS-Option". Oder gar das Solarenergie "desertec" mit Kosten von flotten 400 Milliarden Euro.
weiterDer gemeinsame Nenner dieser drei Wahnwitzigkeiten künftiger Energieversorgung lässt sich schlicht und ergreifend mit dem Slogan umschreiben: "Weiterhin alle Macht den Fossil- und Atomenergie -Platzhirschen!" RWE und Vattenfall lassen wie immer schön grüßen. Mit an Bord natürlich ein weiteres Dutzent Trittbrettfahrer der europäischen Uraltenergie-Szene.
Aber zurück zu Nabucco: Haben Erdgasdämpfe den Verhandlern in Ankara die Sinne verwirrt? Wie sonst wäre es zu erklären, ein solches Machwerk an Vertrag auch nur annähernd zu diskutieren.
Die EU will sich aus den Fängen der Russen befreien, gleichzeitig liefert sie sich der Türkei aus. Versucht die EU, sich vom Russengas abzukoppeln, werden Putin und Medwedew ihre
Kontakte zu China, USA und Japan konsequent intensivieren. Gas aus Aserbaidschan ist heute bereits endlich. Turkmenistan müsste Milliarden in die Gasindustrie investieren - zahlt das die EU?
Mit anderen Worten: Zu den acht Milliarden Euro für die Pipeline kommen noch weitere vier bis fünf für den Ausbau der veralteten Gasindustrien in Turkmenistan.
Die EU ist willfährig bereit, sich der Erpressung des Iran und seines "EU-Freundes" Achmadineschad zu unterwerfen, will sie für sich halbwegs ausreichende Liefermengen absichern. Und die Türkei?
Sie wartet bereits auf den politischen Hebel zum EU-Beitritt. Wie schlecht auch immer:
Mit den Kosten der Nabucco-Pipeline könnte in Europa eine "Energie-Revolution" auf
Basis von Sonne, Wind und Biomasse eingeläutet werden, eine Energierevolution, die nicht von unberechenbaren Diktatoren, sondern von der Sonne abhängig ist.
Aber auch die Diskussion über die Kohlenstoffspeicherung birgt Abenteuerliches. Sie demaskiert die EU-Politiker, vor allem aber die Fossilenergie-Burschen der CDU, zu peinlichen Erfüllungsgehilfen.
Um den Kraftwerksbossen genüge zu tun, waren die CDU-Granden sogar bereit Eigentumsrechte mit Füßen zu treten. Man stelle sich vor, die Stromkonzerne sollten mit dem Bau von
Einlagerungsstätten von CO2 sofort beginnen können, und zwar unter Ausschaltung von gesetzlichen Prüfungen von möglichen Eigentumsklagen der Grundeigentümer.
Das soll christlich und demokratisch sein?
Oder giltsinngenäß der Slogan: "Das Salzamt dein Freund unf Helfer"? Mittlerweile wurde der freche Anschlag der Strombosse auf landwirtschaftliches
Betriebseigentum zumindest vertagt - aus wahltaktischen Gründen. Hatten doch die CSU und Teile der SPD Widerstand gegen das Kohlenstoff - speicherungsgesetz angemeldet.
Zwischenfrage: Mit welchem Recht bürdet unsere Generation den künftigen eigentlich ein Jahrtausendrisiko auf? Es gibt keine Garantie - wie auch bei der Endlagerung
von Atommüll - , dass das CO2 wirklich sicher gelagert werden kann. Die Kosten der Kohlenstoffspeicherung sind enorm - bis zu 100 Euro pro Tonne.
Schon gieren die Fossilenergiemultis nach den Brüsseler Fördertöpfen, liegen doch bereits einige Milliarden bereit, um RWE und Co. bei ihren Forschungsaktivitäten großzügig zu fördern.
Geradezu obskur wird es, wenn sich die bisher in Klimafragen grundvernünftige Münchner-Rück zum Rädelsführer beim "desertec" Projekt - der Nutzung von afrikanischer
Solarenergie in Europa - aufschwingt.
Nichts gegen die Produktion von Sonnen- und Windenergie in Afrika, aber für die Stromkonsumenten in Tunis und un Kairo. Jede eingesparte Tonne CO2 zählt, auch jene
die in Afrika emmittiert wird. Bei "desertec" geht es nicht nur um die Sinnlosigkeit von ein paar tausend Kilometern Leitungsbau, sondern um Geldvernichtung mit Methode.
Strom soll durch Nordafrika bis zur Küste, dann durch das Mittelmeer, durch ganz Italien und quer über die Alpen nach Österreich, in die Schweiz und nach Deutschland transportiert werden.
So durchschnittlich 3000 Kilometer werden es wohl sein. Es wäre tausendmal klüger, auf Instrumente wie das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) zu setzen und die Einspeisung von
Strom aus Solar- und Windkraftanlagen mit attraktiven finanziellen Anreizsystemen auszustatten. Das käme zehn mal billiger als das wahnwitzige "desertec"-Projekt. Das Speicherproblem
des Ökostroms kann mit einem ausgeklügeltem Mix aus ernauerbaren Energien besser gelöst werden als mit langen Transportwegen.
Eines ist klar: Gewinner einer dezentral aufgezäumten Stromversorgung wären nicht ein paar Energiekonzerne, sondern zigtausende Hausbesitzer, Bauern und Handwerker.
Die Fossil- und Atomenergiekonzerne wollen sich mit allen Mitteln und der Hilfe ihrer politischen Gesinnungsgenossen das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen. Energieversorgung soll natürlich weiter zentralistisch organisiert sein. Damit wäre garantiert, dass sich dem Ausbauder Erneuerbaren, der Energie mit dezentraler und regionaler Punze, weiter mit Vehemenz widersetzen können.
Die Politik wird entscheiden müssen: Gehen wir den zentralen oder den dezentralen Weg? Dabei geht es nicht nur um Klimaschutz, es geht letztlich um alle substanziellen Fragen der Energieversorgung.
Wer wird produzieren? Wer lukriert die Wertschöpfung? In welchen Gebieten und Regionen wird überhaupt produziert? Wie hält es die Politik überhaupt mit der Energiewende?
Wer gibt das Tempo des Umstiegs von fossil auf erneuerbar vor? Mit welchem Technologie-Mix soll gefahren werden?
Fragen über Fragen. Bisher sind alle Antworten (in Österreich) ausgeblieben. Da wird, so fürchte ich, auch die Ausarbeitung einer Energiestrategie nichts nützen. Sitzen
doch in sieben von neun Workshops mehrheitlich Edelbetonierer der Fossilenergiesparte. Es wäre mit Abstand sinnvoller, einfach Brainbows_Lady Monika Langthaler den
Aufrag zu geben, gemeinsam mit ein paar fortschrittlichen Kräften einen Maßnahmenkatalog zur Erreichung des 34%-Ziels für erneuerbare Energie zu erarbeiten, meint Ihr
Ernst Scheiber