3.2.2003
Blackout

Millionen im Dunkeln

Energie: „Jedes Haus muss ein kleines Kraftwerk werden“
Quelle: DiePresse v. 18.9.2009

Für die Zeit nach den fossilen Brennstoffen gibt es viele Visionen. Bisher scheitern sie aber an den Kosten, zurzeit kostet Strom aus Fotovoltaik rund zehnmal so viel wie konventionell erzeugter Strom.

Wie könnte die Welt ohne die Nutzung von fossilen Energieträgern aussehen, und wann könnte es so weit sein? Diese Frage war das Kernthema der Verbund-Energiekonferenz „Energy 2020“. Eine kompromisslose Vision vertritt in dieser Frage der US-Ökonom Jeremy Rifkin: „Wir brauchen sofort die dritte industrielle Revolution.“ Diese dritte industrielle Revolution sei der Wandel von einer „ölbasierten Gesellschaft des 20. Jahrhunderts“ zu einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Gesellschaft.

Das Zauberwort in Rifkins Vision lautet dabei „Dezentralisierung“. Für die gegenwärtige Energieversorgung seien große und zentrale Systeme notwendig. „Öl und Gas findet man ja nicht in seinem Hinterhof.“ Oft sei die Sicherung dieser Energiequellen auch mittels militärischer Aktionen notwendig.

Anders sei dies beispielsweise bei der Solarenergie. „Bis 2030 muss jedes bestehende Gebäude mittels Fotovoltaik zu einem kleinen Kraftwerk umgebaut werden. Dabei geht es dann nicht nur darum, wie ein Passivhaus kaum Energie zu verbrauchen, sondern mehr Energie in das Netz einzuspeisen.“ Die Energieversorgung der Zukunft würde dann dem Internet gleichen. „Wie beim Filesharing ( dem Tausch von Dateien über Internetplattformen ) würde dann jeder sowohl als Konsument als auch als Produzent tätig sein“, so Rifkin.

Sonnenstrom ist zehnmal teurer
Doch wie sieht es mit den Kosten aus? Zurzeit kostet Strom aus Fotovoltaik rund zehnmal so viel wie konventionell erzeugter Strom. „In Wirklichkeit ist ja auch der konventionelle Strom teurer, da es viele indirekte Förderungen für Kohle und Nuklearenergie gibt. Außerdem geht der Preis bei den Erneuerbaren künftig immer weiter nach unten. Bei den Fossilen wird er steigen. Das wird sich nie mehr ändern“, meint Rifkin.

Dass es langfristig eine Abkehr von fossilen Energieträgern geben muss, glaubt auch Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. „Wir müssen uns sukzessive aus dem fossilen Zeitalter verabschieden.“ Seiner Meinung nach dürfen die Förderungen für erneuerbare Energieträger aber nur zeitlich begrenzt erfolgen. „Das kann nicht ad infinitum weitergehen. Die Erneuerbaren müssen einmal wirtschaftlich wettbewerbsfähig sein.“

Dies dürfte aber – entgegen der Vision von Rifkin – aufgrund der notwendigen Forschung vor allem bei der Zukunftshoffnung Fotovoltaik noch einige Jahre dauern. „Solarzellen haben ihre Karriere bei der Raumfahrt begonnen. Da waren die Kosten auch irrelevant. Nun, bei der Rückkehr auf die Erde ist dies aber natürlich anders“, meint dazu Niyazi Sariciftci, der an der Uni Linz an organischen Solarzellen forscht. Bei diesen wird das teure Silizium durch günstigere Kunststoffe ersetzt. Dies soll den Sonnenstrom um den Faktor zehn bis 15 günstiger machen.

Zukunftsvision: Fahren mit Strom
Günstiger erneuerbarer Strom könnte dann auch eine weitere Zukunftsvision möglich machen: Die Elektromobilität, die auch bei der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt das Thema war. Elektromobilität ist aber nur dann umweltfreundlich, wenn auch der dabei verbrauchte Strom nicht mittels Verbrennung fossiler Brennstoffe hergestellt wird.

Zusätzlich bedarf es dabei auch neuer Mobilitätskonzepte. Ein solches präsentierte Amit Yudan von der israelischen Firma „Better Place“. Das Unternehmen baut für seine Kunden nicht nur die Infrastruktur an Elektrotankstellen auf, sondern organisiert auch die Versorgung mit Energie. „Wenn die Energiekonzerne sagen, wir haben einen Überfluss an Windstrom, dann können wir die Autos unserer Kunden schneller laden. Gibt es wieder weniger Wind, dann versuchen wir weniger zu verbrauchen. Natürlich in Abstimmung der Bedürfnisse unserer Kunden“, so Yudan. Die Kunden kaufen dabei – vergleichbar mit einer Handy-Flatrate – ein Paket für „2000 oder 4000 Kilometer pro Monat“.

Auch für ein anderes Problem – die meist auf rund 150 Kilometer begrenzte Reichweite von Elektrofahrzeugen – hat Better Place eine Lösung. Die Israelis wollen diesen Nachteil mittels Batteriewechselstationen ausgleichen, in denen innerhalb von wenigen Minuten eine leere Batterie gegen eine frische ausgetauscht werden kann. Eine entsprechende Infrastruktur wird in Israel und Dänemark bereits aufgebaut.

Auch hierzulande gibt es seit dem Sommer eine Plattform von mehreren Firmen, die an dem Aufbau einer Infrastruktur – vor allem Ladestationen auf Straßen und Parkplätzen – für Elektrofahrzeuge arbeitet, die „Presse“ berichtete. Noch heuer soll es in mehreren Ballungszentren erste Pilotprojekte geben. Bis 2020 sollen so 100.000 Elektroautos auf die österreichischen Straßen kommen.

Magna entwickelt Elektroauto
Was bisher aber noch fehlt sind die Elektroautos. Von den großen Autokonzernen wurden bislang vor allem Studien vorgestellt, erste Serienfahrzeuge dürften noch einige Jahre auf sich warten lassen. Langfristig wird aber kein Autohersteller an diesem Thema vorbeikommen. Dieser Ansicht ist man auch bei Magna Steyr in Graz. Dort hat man bereits ein Elektro-Antriebskonzept entwickelt, dass nun unterschiedlichen Herstellern als eine Art Basis dienen soll. Durch diese Kooperationen sollen schneller große Stückzahlen und damit günstigere Preise erreicht werden. „In zwei bis drei Jahren könnten wir fertige Elektroautos auf die Straße bringen“, sagt Mario Summer von Magna.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2009)