Ökostrom: Wer soll zahlen? Wirtschaft oder Haushalte?
Quelle: Die Presse vom 17.1.2008
Energie: ÖVP und SPÖ streiten darüber, wessen "Klientel" mehr zahlen muss. Eine Einigung dürfte es frühestens Mitte des Jahres geben
Im Herbst legte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) seinen Entwurf für die Novelle des Ökostromgesetzes vor, die „Presse“ berichtete. Dieser wird von der SPÖ bislang abgelehnt. Hauptstreitpunkt ist die Aufteilung der Kosten, die bei der Förderung des Ökostroms anfallen, zwischen der Industrie und den Haushalten. Eine Einigung dürfte es frühestens Mitte des Jahres geben. Besonders energieintensive Branchen, wie beispielsweise die Papierindustrie, fürchten daher ein „auf die lange Bank schieben“ der Novellierung und kritisieren einen Standortnachteil durch die derzeit geltende Regelung.
Seit 2002 wird die Einspeisung von Ökostrom in Österreich per Gesetz gefördert. Das hat zu einem Boom beim Ausbau der erneuerbaren Energie geführt. Inzwischen werden rund zehn Prozent der heimischen elektrischen Energie aus Solar-, Wind-, Biomasse- oder Kleinwasserkraftwerken gewonnen. Allerdings ist das Gesetz seit seinem Bestehen heftig umstritten. Denn die Stromverbraucher zahlen inzwischen etwa 285 Mio. Euro pro Jahr für die Förderung.
Bei der derzeit geltenden Regelung setzt sich die Förderung aus zwei Bestandteilen zusammen. Einerseits erhalten die Ökostrombetreiber Geld aus geregelten Einspeistarifen, die über dem Marktpreis liegen, andererseits aus einer Pauschale, die jeder Strombezieher zahlen muss. Die heimischen Haushalte zahlen bei dieser Pauschale um 23 Mio. Euro mehr, als ihrem Stromverbrauch entspricht. Die Industrie zahlt um ebendiesen Betrag weniger.
Laut dem vorliegenden Entwurf soll diese Pauschale wegfallen, was zu einer höheren Belastung der Industrie führen würde. Im Gegenzug soll für besonders energieintensive Betriebe – hierbei sind auch Gewerbebetriebe inkludiert – eine Deckelung der Mehrkosten für den Ökostrom auf 0,5 Prozent des Nettoproduktionswertes (Warenwert minus Rohstoffkosten) erfolgen. Alle darüber hinausgehenden Kosten können den Betrieben zurückerstattet werden. Darüber soll laut Entwurf jedoch eine separate Verordnung des Wirtschaftsministers entscheiden.
Die Wirtschaft fordert nun, dass im Gesetz festgeschrieben wird, dass sämtliche Kosten über 0,5 Prozent zurückerstattet werden. Nur so könne es „Planungssicherheit“ für den Standort Österreich geben, sagt Ferdinand Fuhrmann, Energiesprecher von der Branchenvereinigung Austropapier. Die Papierindustrie würde schon jetzt zwölf Mio. Euro pro Jahr für Ökostrom zahlen.
Wirtschaft will Planungssicherheit
Laut Christian Schönbauer von der E-Control würde eine solche Regelung die Wirtschaft um weitere 23 Mio. Euro entlasten und im Gegenzug die Haushalte belasten. Daher wird eine solche Regelung von der SPÖ abgelehnt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wunsch der Industrie eins zu eins übernommen wird. Man muss auch über die Auswirkungen auf die übrigen Konsumenten reden“, sagt Hannes Bauer, Energiesprecher der SPÖ. „Es wird mit Hochdruck an der Novelle gearbeitet“, heißt es dazu aus dem Wirtschaftsministerium.
Ebenfalls ablehnend steht die SPÖ einer Ausweitung der jährlichen Förderung für neue Anlagen von 17 auf 21 Mio. Euro gegenüber, wie sie von Bartenstein geplant ist. Im Vorjahr wurde jedoch nicht einmal die Förderung von 17 Mio. Euro ausgenutzt. Zwölf Mio. blieben unangetastet. Laut Ökostrom-Verbänden machen bürokratische Hürden im Gesetz den Bau von Anlagen unmöglich. Dies werde auch in der Novelle nicht besser, kritisieren sie.
Und auch die Wirtschaft hat weitere Kritikpunkte. So fordert beispielsweise die Papierindustrie eine Förderung für den Strom aus Ablauge. Dies sei unsinnig, weil sich die Anlagen auch so rechnen würden, meint dazu Schönbauer.
Einig dürften sich ÖVP und SPÖ nun aber über die einmalige Förderung von vom Bankrott bedrohten Biogas-Anlagen sein. Die Hilfe im Ausmaß von 20 Mio. Euro soll am 23. Jänner beschlossen werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2008)